Samstag, 4. Februar 2023

Riesentang weist bemerkenswerte Fähigkeit auf und schafft Klima-Hoffnung

Deutschlandfunk  hier

Durch Menschen verursachte CO2-Emissionen zu verringern, ist das Gebot der Stunde. Gleichzeitig sind Forschende auf der Suche nach in der Natur vorkommenden echten Kohlenstoffsenken. Im Meer haben sie nun eine sehr interessante Entdeckung gemacht.

Tangwälder, das sind die unterseeischen Gegenstücke zu Regenwäldern. In ihnen ist das größte festsitzende Meereslebewesen zu Hause, der Riesentang, eine bis zu 45 Meter lange Braunalge. Von ihrem krallenartigen Haftorgan über den Mittelbau bis in ihre Krone bietet sie Nahrung und Lebensräume für eine große Artenvielfalt. Unter den etwa 1850 Braunalgenarten befindet sich auch der Blasentang, der in Nord- und Ostsee sowie im Nordatlantik verbreitet ist.

Eine Forschungsgruppe vom Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie berichtet in einer im Dezember erschienenen Studie davon, dass diese Alge eine auffällige Fähigkeit zeigt, Kohlenstoff zu binden.

„Diese Art von Braunalgen, die wir untersucht haben, machen Fotosynthese, wie alle Algen und alle Pflanzen auf der Erde, und Fotosynthese ist die Umwandlung von Kohlenstoffdioxid in Zucker“, erzählt Professor Jan-Hendrik Hehemann. Er ist Leiter der Forschungsgruppe Glykobiochemie in Bremen.

Algen, die ein Polymer aus Zucker absondern

„Was wir herausgefunden haben, ist, dass eine Art von Zucker – der heißt Fucoidan, das ist ein Polymer aus Zucker – von den Algen in großer Menge ins Meer Wasser abgeschieden wird und schwierig abzubauen ist und somit eine mögliche Kohlenstoffsenke darstellen kann“, erklärt er.

Die Algen nehmen also das CO2 auf, machen einen Schleim aus Fucoidan daraus und sondern diesen dann ins Wasser ab. Das Besondere an diesem süßen Schleim sei, dass er nicht von Mikroorganismen gefressen wird, sagt Inga Hellige, Doktorandin und Mitautorin der Studie.

„Das ist so komplex, dass die meisten Bakterien das überhaupt nicht schaffen oder dass das viel zu viel Arbeit wäre. Wahrscheinlich dadurch kann dieser Zucker überhaupt erst dann auch in der Wassersäule überstehen“, sagt sie.
Hagen Buck-Wiese, ebenfalls Doktorand in der Forschungsgruppe, hat die Studie zum Blasentang ins Leben gerufen. Die Bohrkernproben vom Meeresboden zeigen, sagt er, dass der Schleim tatsächlich dort unten bleibt.Den findet man in Sediment, das Hunderte, sogar 1500 Jahre alt ist. Sie müssen sich das so vorstellen: Das ist dann so ein Kern, der aus dem Sediment genommen wird“, erklärt er.

Das heißt, das Material, das ganz unten ist, das kann gar nicht von oben innerhalb der letzten 200 Jahre da runtergekommen sein. Sondern das muss dann 1500 Jahre alt sein. Das bedeutet wirklich, dass der Zucker 1500 Jahre im Sediment nicht abgebaut wurde.
Demnach ist dieser Schleim also eine echte CO2-Senke, der von den Algen auch noch beständig nachgeliefert wird. Doch warum machen die Algen das überhaupt und immer wieder, Schleim absondern?

„Es gibt Literatur aus der Medizin und da wird vielfach gezeigt, dass dieses Molekül, dieses Fucoidan, gegen Viren, Bakterien und verschiedene Arten von Pathogenen hilft. Und wenn man diese verschiedenartigen Studien verbindet, könnte es so sein, dass Algen das machen, um sich zu schützen, wie so eine Creme, um eine saubere Oberfläche zu haben. Dadurch, dass das ja so löslich ist, muss man diese schleimige Schutzschicht die ganze Zeit nachliefern, denn sonst trägt sie sich zu schnell ab“, erläutert Jan-Hendrik Hehemann...

Insgesamt nehmen die marinen Ökosysteme rund 292 Milliarden Tonnen CO2 auf, 285 Milliarden Tonnen geben sie wieder ab. Etwa 50 Milliarden Tonnen werden allein von Algen aus der Atmosphäre geholt. Fucoidan kommt in fast allen Braunalgen vor, ob es auch alle freisetzen, wird derzeit untersucht.

„Das Potenzial ist da, würden die Algen 20 Prozent Fucoidan machen und es würde alles sekretisiert werden, dann könnten wir das kompensieren unsere Emissionen“, sagt Hagen Buck-Wiese.

Küstenökosysteme besonders effizient

Nach Schätzungen wird in den Ozeanen bis zu 20-mal so viel Kohlenstoff gespeichert wie in den Wäldern an Land. Es sind vor allem die Küstenökosysteme mit ihren Seegras- und Salzwiesen, Mangroven und Tangwäldern, die dabei besonders effizient sind: Blue Carbon, Blauer Kohlenstoff, ist der Sammelbegriff für das dort gebundene CO2.

„Diese Blue-Carbon-Ökosysteme, die speichern normalerweise den Kohlenstoff unterirdisch. Unter den Mangroven, unter dem Seegras entstehen Zonen ohne Sauerstoff, wo Bakterien es viel schwerer haben, organischen Kohlenstoff aufzufressen, einfach weil sie keinen Sauerstoff zur Verfügung haben. Deswegen können diese Ökosysteme so viel Kohlenstoff einspeichern“, erklärt Hagen Buck-Wiese.

Die nahe liegende Idee ist, mehr von diesen Ökosystemen in die Ozeane zu bringen, doch stattdessen werden jedes Jahr Verluste verzeichnet, dafür sorgen die wärmer werdenden Meere, aber auch die Grundschleppnetze der Fischer. Der geplante Abbau von Manganknollen bedeutet eine weitere Bedrohung für sie.

Der Fokus sollte in der Erforschung und vor allem im Erhalt liegen, sagt Inga Hellige.
„Wenn die nicht mehr intakt sind, dann wird das ganze CO2, das schon gespeichert ist, wieder frei werden. Aber natürlich kann man das theoretisch dann mit Aufforstung wie auch immer noch vergrößern. Aber das Wichtigste ist vor allem, dass die Ökosysteme da bleiben.

Wenn gezielt in Ökosysteme eingegriffen wird, um etwa die Fähigkeit CO2 zu speichern zu erhöhen, wird von Geo-Engineering gesprochen. Könnte man nachhelfen, neue Tangwälder im Meer zu pflanzen, oder würde man damit zu stark das Ökosystem beeinflussen?
Es könne sein, sagt Jan-Hendrik Hehemann, dass die Natur bereits selbst auf das zunehmende CO2 reagiert, so gebe es ja derzeit eine auffällige Zunahme von Braunalgenteppichen im Mittelatlantik.

„Vielleicht ist diese Ausbreitung von schwimmenden Makroalgen eine Reaktion auf die sich ändernde Welt, wo es wärmer wird und die Atmosphäre mehr CO2 enthält. Vielleicht passiert das schon. Und zu dem Punkt, ob es vielleicht gefährlich ist, die vorher bestehenden Makroalgenwälder wieder einen Zustand zu bringen, wo sie bereits früher gewesen sind“, sagt er.

Und weiter: „Wann auch immer man sich Makroalgen anguckt und dann mal rein taucht, sieht man einfach die gesündesten Ökosysteme, die man überhaupt sehen kann. Das ist alles voll mit Leben. Wenn man die Kelpwälder vor Kalifornien betrachtet: Da lebten Otter, Seesterne, Seeigel, Muscheln, ein riesiges Nahrungsnetz, das nur auf diese Algen angewiesen war. Von daher sehe ich, die Gefahr ist größer, wenn diese Algen weniger werden, als wenn wir ihn helfen, mehr zu werden.“

Die Förderung von Blue-Carbon-Ökosystemen und eine Einbindung in Klimaschutzstrategien könnte nicht nur der Kohlenstoffspeicherung dienen, sondern auch bedrohte Arten und Lebensräume schützen.


Focus hier

Neue Hoffnung für Klimaschutz: Riesentang kann CO2 binden und speichern

 Quelle: „Deutschlandfunk“

Unterwasserwälder, auch Tangwälder genannt, beherbergen eine Vielzahl von Meereslebewesen, darunter auch den Riesentang, eine bis zu 45 Meter lange Braunalge. Eine neue Studie des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie zeigt, dass diese Alge eine bemerkenswerte Fähigkeit hat, Kohlenstoff zu binden. Das berichtet der „Deutschlandfunk“. Wie alle Algen betreibt sie Photosynthese, also die Umwandlung von Kohlendioxid in Zucker. Die Forscher fanden heraus, dass eine Zuckerart, das so genannte Fucoidan, von der Alge in großen Mengen ins Meer abgegeben wird.

Dieser Schleim ist schwer abbaubar und könnte daher eine mögliche Kohlenstoffsenke darstellen. Das Besondere ist, dass er von Mikroorganismen nicht gefressen wird, vermutlich weil er zu komplex ist. Bohrkerne vom Meeresboden zeigen, dass der Schleim tatsächlich dort bleibt und in Sedimenten gefunden werden kann, die hunderte, manchmal sogar 1500 Jahre alt sind. Das bedeutet, dass der Schlamm eine echte CO2-Senke ist, die von den Algen kontinuierlich mit CO2 versorgt wird.

Diese Entdeckung ist ein weiterer Beweis dafür, dass Braunalgen eine wichtige Rolle bei der Aufnahme und Speicherung von CO2 spielen können. Es ist jedoch noch unklar, wie diese Entdeckung genutzt werden kann, um die vom Menschen verursachten CO2-Emissionen zu reduzieren. Dennoch ist die Studie ein wichtiger Schritt in Richtung einer nachhaltigeren Zukunft und einer umweltfreundlichen Lösung zur Reduzierung von CO2-Emissionen.

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