Hier im Standard ENERGIEWENDE 2. Februar 2023,
Europas größte Wärmepumpe holt Energie aus Wiens Abwasser
In der Kanalisation befindet sich viel ungenutzte Wärme. Die Stadt Wien will sie nun ernten, um das Fernwärmenetz unabhängiger von Gas zu machen
In keinem anderen Bundesland Österreichs heizen so viele Menschen mit Gas wie in Wien – in rund der Hälfte der Haushalte in der Bundeshauptstadt arbeitet eine Gastherme. Spätestens 2040 müssen sie weg sein – denn dann will Österreich klimaneutral sein. Geht es nach der Stadt Wien, soll vor allem die Fernwärme als Ersatz für die Gasheizung einspringen.
Sauber ist sie derzeit noch nicht: Rund die Hälfte der Fernwärme wird in Wien noch immer mit Gas erzeugt. Dieser Anteil soll bis 2040 auf null sinken. Ein Teil der erneuerbaren Wärme kommt in Zukunft aus den sechs Großwärmepumpen, die Wien Energie derzeit in Simmering installiert.
Maschine kann sechs Grad Wärme ernten
Sie holen die Restwärme aus dem geklärten Abwasser heraus und speisen sie ins Fernwärmenetz ein. Bisher floss das zwölf bis 23 Grad warme Wasser ungenutzt in den Donaukanal – und damit auch die Energie.
Rund sechs Grad können die Wärmepumpen aus dem Abwasser entziehen und nutzbar machen. Es wird mithilfe von Kompressoren und Wärmetauschern konzentriert, um auf die 90 Grad zu kommen, die für das Wiener Fernwärmenetz mindestens notwendig sind. Das funktioniert ähnlich wie bei einer Wärmepumpe für den Heimgebrauch oder einem Kühlschrank.
Je neun Meter lang, sieben Meter hoch und über 200 Tonnen schwer sind die Wärmepumpen, die derzeit in eigens errichteten Hallen nahe der Kläranlage in Simmering aufgebaut werden. Laut Angaben von Wien Energie soll es sich um die leistungsstärksten Wärmepumpen Europas handeln.
Bereits Ende des Jahres sollen die ersten drei Anlagen in Betrieb gehen und 55 Megawatt liefern – genug für 56.000 Haushalte. Im Endausbau, der für 2027 geplant ist, sollen die Anzahl der Maschinen und die Leistung noch einmal verdoppelt werden. 5.000 Liter Wasser werden dann sekündlich durch die sechs Wärmepumpen strömen, sagt Projektleiter Christoph Segalla von Wien Energie. Der notwendige Strom, rund ein Drittel der Wärmeleistung, kommt aus dem nahegelegenen Wasserkraftwerk Freudenau.
Geothermie als weitere Alternative
Der Anteil an erneuerbarer Energie an der Wiener Fernwärme werde durch die neuen Wärmepumpen um 14 Prozentpunkte steigen, sagt Karl Gruber, Geschäftsführer von Wien Energie, der die Anlage als "Leuchtturmprojekt für die Wärmewende in Wien" bezeichnet. Rund 70 Millionen Euro investiert Wien Energie in das Projekt.
Auch Betriebe, wie etwa die Manner-Fabrik, speisen Abwärme in das Wiener Fernwärmenetz ein, das zu den größten Europas gehört. Um den Anteil an fossilen Brennstoffen weiter zu senken, setzt Wien außerdem auf Geothermie: Das sogenannte Aderklaarer Konglomerat, ein Warmwasserreservoir in rund drei Kilometer Tiefe, könnte bis zu 125.000 Haushalte versorgen. Derzeit laufen Vorarbeiten für die ersten Bohrungen, eine Geothermieanlage soll 2026 in Betrieb sein.
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