Donnerstag, 9. Februar 2023

Warum das Klima-Wettrüsten?

DER STANDARD - Klimaklartext <klimaklartext@email.derstandard.at>

Eigentlich sollte der Inflation Reduction Act (IRA), den US-Präsident Joe Biden im Sommer mit einer hauchdünnen Mehrheit durch den Kongress brachte, die galoppierende Teuerung bekämpfen. Doch das milliardenschwere Paket ist auch ein riesiges Klimaschutzpaket: Staatliches Geld soll den Ausbau erneuerbarer Energien ankurbeln und mehr Elektroautos auf die Straßen bringen. Für das Klima ist der IRA daher durchaus ein Gewinn, ja sogar beispiellos, wie viele Fachleute sagen.

Dennoch stößt sich Europa an dem Paket. Denn viele Förderungen gibt es nur, wenn die Produkte, etwa E-Autos, in Nordamerika hergestellt werden. Politikerinnen und Politiker aus der EU sorgen sich daher, dass grüne europäische Unternehmen hinter den USA zurückfallen könnten. EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton sprach sogar von einer „Spaltung des Westens“.

Europa legt deshalb nach: Vergangene Woche präsentierte die EU-Kommission den „Green Deal Industrial Plan“, der wie der IRA wichtige Schlüsselindustrien – wie etwa Wasserstoff, Solarmodule oder Batterien – in die Union holen oder zumindest dort halten soll. 250 Milliarden Euro macht die EU dafür frei, Mitgliedsstaaten sollen Unternehmen im eigenen Land zudem stärker fördern dürfen.

Das alles klingt zunächst nach einer abstrakten Zahlenschlacht auf dem Papier. Doch es geht um wichtige Fragen für die Zukunft: Kommt Ihr nächstes E-Auto, die effiziente Solaranlage, aus Europa? Entstehen Millionen neue Jobs in klimafreundlichen Branchen? Das alles steht für die beiden wirtschaftlichen Schwergewichte auf dem Spiel.

Wie viel aus Klima-Sicht auf dem Spiel steht, zeigt ein neuer Bericht, den über 60 Fachleute vergangene Woche veröffentlicht haben. Demnach ist das 1,5-Grad-Ziel, auf das sich beinahe alle Staaten im Pariser Klimaabkommen geeinigt haben, nicht mehr plausibel. Neben noch mehr Tempo im Klimaschutz fordern die Forschenden deshalb, dass wir uns verstärkt auf die Folgen des Klimawandels vorbereiten.

In Österreich (wie in Deutschland) gibt es besonders im Verkehrssektor Nachholbedarf: Dort sind die Emissionen in den vergangenen Jahrzehnten stetig gestiegen. Die Leiter der Verkehrsinstitute der TU Wien, der Boku und der Uni Innsbruck fordern deshalb neue Tempolimits auf Österreichs Straßen: Für ein Limit von 30 km/h im Ortsgebiet, 80 km/h auf Freilandstraßen und 100 km/h auf Autobahnen gebe es "gute wissenschaftliche Gründe", heißt es in einem gemeinsamen Schreiben.

Wie die Dekarbonisierung im Wärmesektor gelingen kann, zeigt ein Projekt in Wien: Ab Ende dieses Jahres will Wien Energie die Restwärme aus dem Abwasser der Wienerinnen und Wiener gewinnen. Im Endausbau sollen so über 100.000 Haushalte beheizt werden können.

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