Ja dieser § 13b wurde tatsächlich verlängert bis Ende 2022. In vielen Kommunen liegen noch baufertige Bebauungspläne in den Schubladen, die vorsorglich erstellt wurden. Und der §13b hat riesigen Schaden angerichtet: Vor allem die alten Streuobstwiesen an den Ortsrändern fielen ihm zum Opfer. Für Einfamilienhäuser auf der grünen Wiese, wo der Wohnraum halt aus dem Zentrum hinaus an den Ortsrand verlagert wurde... Der berüchtigte Donut-Effekt.
Schwäbische Zeitung hier Veröffentlicht:03.01.2021 Kara Ballarin
Fast drei Jahre konnten die Städte und Gemeinden kleine Baugebiete am Ortsrand ausweisen – und dabei auf Hürden wie Umweltprüfungen verzichten.
Knapp drei Jahre konnten Städte und Gemeinden schnell und einfach neues Bauland ausweisen. Eine Regelung im Baugesetz des Bundes hat das möglich gemacht. Die Kommunen in den Kreisen Ravensburg und Biberach haben diese Chance besonders stark genutzt.
Das geht aus einer Übersicht des Wirtschaftsministeriums hervor, die der „Schwäbischen Zeitung“ vorliegt. Der Bund will diese Möglichkeit neu auflegen. Darum gibt es erbitterten Streit, auch innerhalb der grün-schwarzen Koalition. Denn das alte Dilemma bleibt: Boden ist ein kostbares Gut, um das Landwirte, Naturschützer und Bauwillige ringen.
Bebaute Fläche durfte nicht größer als ein Hektar sein
Der Zuzug Tausender Geflüchteter vor fünf Jahren hat den ohnehin angespannten Wohnungsmarkt zusätzlich unter Druck gesetzt – gerade in Baden-Württemberg. Eine Antwort darauf sah der Bund in einer Änderung des Baugesetzbuches. Von 2017 bis Ende 2019 war der Paragraf 13b in Kraft.
Dadurch durften Kommunen am Ortsrand viel einfacher Baugebiete ausweisen – etwa ohne rigide Umweltprüfung. Die bebaute Fläche durfte dabei nicht größer als ein Hektar sein, dazu kam die bis zu vierfache Fläche für Gärten, Straßen und dergleichen.
Die Kommunen im Südwesten haben diese Möglichkeit rege genutzt. Das zeigt eine Zusammenstellung, die das Wirtschaftsministerium von den Regierungspräsidien (RPen) zusammengetragen hat. Es können zwar noch weitere Baugebiete hinzukommen, weil die RPen erst später im Verfahren beteiligt werden. Laut einer Ministeriumssprecherin bietet die Übersicht daher „kein exaktes, aber ein realistisches Bild“.
Demnach haben 457 und damit gut 40 Prozent der Städte und Gemeinden im Land den Paragrafen 13b genutzt und 860 Bauflächen ausgewiesen. 60 Prozent dieser Kommunen haben sich auf ein Baugebiet beschränkt, 20 Prozent haben zwei Flächen ausgewiesen, weitere 20 Prozent sogar drei oder mehr.
Spitzenreiter im Südwesten ist der Kreis Ravensburg
Vor allem in Oberschwaben kam die Möglichkeit gut an. Absoluter Spitzenreiter im Südwesten ist der Kreis Ravensburg mit 73 Baugebieten – bei 39 Kommunen im Schnitt also fast zwei pro Stadt oder Gemeinde. Aktiv waren auch die Kommunen in Biberach mit 66 ausgewiesenen Flächen. In der landesweiten Liste folgen die Kreise Sigmaringen (49), Alb-Donau (47) und Ostalb (37). Weniger Bauland in der Region entstand in den Kreisen Bodensee (12) und Tuttlingen (18).
Hat das den Wohnungsmarkt entspannt? Eindeutig ja, sagt Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU). „Es hat sich gezeigt, dass dieses Instrument einen wichtigen Beitrag dazu leistet, schnell dringend benötigten Wohnraum zu schaffen.“ ....
Der Bundestag muss noch zustimmen, den Bundesrat hat das Gesetz Mitte Dezember passiert. Baden-Württemberg hatte sich enthalten – das ist üblich, wenn ein Koalitionspartner für eine Regelung ist und der andere dagegen. Denn die Grünen sehen den Flächenverbrauch extrem kritisch. „Statt immer mehr Flächenverbrauch zuzulassen, darf dieser Paragraph nicht verlängert werden“, betont deren Sprecherin für Bauen und Wohnen Susanne Bay.
„Paragraph 13b bekämpft nicht die Wohnungsnot dort wo es nötig ist – er macht vielmehr den Weg frei für den Bau von Ein- oder Zweifamilienhäuser in Gegenden mit eher geringem Wohnraummangel.“ Die Übersicht aus dem Wirtschaftsministerium zeigt, dass knapp die Hälfte der Baugebiete dort geschaffen werden, wo der Wohnungsmarkt entspannt ist.
Eine Studie des Umweltbundesamts vom Sommer kommt zu einem ähnlichen Ergebnis. Vor allem kleine Gemeinden mit wenig Personal auf dem Land hätten von dem vereinfachten Verfahren gerne Gebrauch gemacht.
„Die (...) Zielsetzungen, substanziell neues Wohnbauland zur Minderung der bestehenden Wohnungsnot in wachsenden Kommunen mit angespannten Wohnungsmärkten zu schaffen, werden jedoch nicht erreicht“, dafür aber zum Teil massiv in „ökologisch hochwertigen Ortsrandstrukturen“ eingegriffen, heißt es da.
Der „Betonparagraf“ 13b bringt auch Nabu-Landeschef Johannes Enssle auf die Palme.
Vor allem führt er zum Bau von hochpreisigen Einfamilienhäusern auf der grünen Wiese,
obwohl er eigentlich stadtnah günstigen Wohnraum schaffen sollte.
Enssle bezeichnet es als „Schmach“, dass sich der Südwesten im Bundesrat nicht gegen den „Flächenverbrauchsparagrafen“ gestellt hat. Das hätte doch unter anderem auch Agrarminister Peter Hauk ( CDU ) am Herzen liegen sollen – die Baugebiete nähmen schließlich auch den Bauern Nutzfläche weg.
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