Samstag, 18. Februar 2023

USA: »Wir sind auf Wind gestoßen«

Spiegel hier  22.01.2023  Eine Kolumne von Christian Stöcker

Die USA geraten in den Windkraft-Rausch – und wir sollten folgen

Erneuerbare Energien weltweit

Die USA geraten in den Windkraft-Rausch – und wir sollten folgen

In den USA und global werden erneuerbare Energien ab jetzt atemberaubend schnell wachsen. Europa droht ins Hintertreffen zu geraten. Eine Subventionsschlacht steht bevor – gut so.

Die Website der »Texas Land & Liberty Coalition«  sieht aus wie ein Archiv alter Marlboro-Werbefotos: Cowboys mit Lasso am Gürtel im Gegenlicht oder zu Pferde vor Sonnenuntergang. Die Organisation macht aber keine Werbung für Zigaretten, und sie hat auch nichts mit der »Texas Landowners Coalition« zu tun, die im Auftrag von Fracking-Investoren Stimmung gegen Windenergie macht.

Die »Texas Land & Liberty Coalition« setzt sich für »vernünftige Politik« ein, die »erneuerbare Energien voranbringt, Eigentumsrechte schützt und lokalen Gemeinden nützt«.

»Wir sind auf Wind gestoßen«

Im »Economist« der vergangenen Woche findet sich eine interessante Kolumne , in der ein Vertreter der texanischen Windenergie-Initiative zu Wort kommt. »Saubere Energie ist zu einer liberalen Technologie erklärt worden«, sagt der Mann, Sohn eines Ranchers, Spross einer erzkonservativen Familie. »Wir sind auf Wind gestoßen«, freut sich sein Vater. Ein Acre Land, etwas weniger als ein halber Hektar, werfe acht Dollar ab, wenn man dort Rinder weiden lasse, 15 Dollar, wenn man das Land für die Jagd freigebe – aber Hunderte von Dollar, wenn man dort Windenergie erzeuge.

120 Jahre lang konnten Rancher in Texas reich werden, wenn sie auf Öl stießen. Wenn das mit Wind auch geht, warum nicht?

Im Stich gelassen von der eigenen Partei

Man dürfe Windstrom nur nicht »grün« nennen, so der »Economist«-Kolumnist, den Klimawandel am besten gar nicht erwähnen, und müsse stattdessen saubere Luft und den wirtschaftlichen Nutzen in den Vordergrund stellen. Dann finden ihn auch Texaner sehr amerikanisch. Mittlerweile stellen treue Stammwähler der Republikaner dort fest, dass ihre Partei in Wahrheit gar nicht ihre Interessen im Auge hat, sondern die der Öl- und Gaskonzerne.

Joe Bidens »Inflation Reduction Act« (IRA) soll mit einer Geldspritze von etwa 370 Milliarden Dollar die USA endlich auf einen klimafreundlichen Kurs bringen. In Texas hat man das Gesetz natürlich wütend abgelehnt, aber die Steuervorteile für erneuerbare Energie wird man trotzdem dankbar mitnehmen. Texas ist schon jetzt der größte Windenergieproduzent des Landes . Bald wird es grünen Wasserstoff statt Öl exportieren  – auch dank der Förderung.

Wasserstoff wird sensationell billig

Für ein Kilogramm grünen Wasserstoff gibt es in den USA künftig 60 US-Cent Steuererleichterung . Neueste Technologie soll die Herstellung des Gases für 1,50 Dollar pro Kilogramm erlauben . Ein Kilogramm Wasserstoff speichert fast 40 Kilowattstunden Energie.

Bierdeckelrechnung: Eine Kilowattstunde Wasserstoffenergie würde somit weniger als zweieinhalb US-Cent kosten. Selbst wenn man diese Zahl auf fünf Cent verdoppelt, um Transport, Umwandlungsverluste und so weiter einzupreisen, ist das immer noch mehr als konkurrenzfähig – auch in den USA . Zum Vergleich: Eine Kilowattstunde aus Erdgas kostet derzeit bei uns mehr als 12 Eurocent , genauso viel wie vor Russlands Angriffskrieg.

Und Wasserstoff kann man einfach durch modifizierte Erdgaspipelines pumpen . Gewaltige Marktveränderungen stehen bevor.

2022 war der Kipppunkt

2022 war das Jahr, in dem erneuerbare Energien bei der Stromerzeugung in den USA die Kohle überholten . Ein globaler Trend: Das Rocky Mountain Institute, ein großer spendenfinanzierter Think Tank, hat gerade ermittelt, dass die weltweite Nachfrage nach fossilen Brennstoffen ein Plateau erreicht  hat – bald geht es bergab. »Wenn wir in zehn Jahren zurückblicken, könnten wir feststellen, dass 2022 ein Wendepunkt war«, hat die Energieexpertin Leah Stokes von der University of California in Santa Barbara kürzlich in der »New York Times« geschrieben .

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen