Sonntag, 26. Februar 2023

Wenn Rinder auf der Weide oder am Stall sterben dürfen

19.02.2023  |  VON ANIKA VON GREVE-DIERFELD, DPA  hier

Es weiß nicht wie ihm geschieht. Das Rind auf dem Hof in Ratshausen im Zollernalbkreis geht gemütlich und völlig ahnungs- und angstlos zum Fressen in die Fangbox, an die es vorher gewöhnt wurde. Es beginnt zu fressen, ein Metallbügel legt sich um seinen Hals, sobald der Kopf des Tieres weit genug vorne ist. Der Landwirt Maximilian Sauter tritt an es heran, setzt ein Bolzenschussgerät an die Stirn des Tieres und drückt ab. Betäubt bricht das Tier zusammen, wird in Windeseile in der Fangbox auf Schienen in einen angedockten Hänger gezogen, ein Rolltor fährt hinunter. Dann wird in dem so entstandenen geschlossenen Raum ein Schnitt gesetzt, das Tier blutet innerhalb von Sekunden aus und stirbt. Ein Tod für das Tier ohne stressigen und angstvollen Transport zum Schlachthof. Das ist das Konzept mobiler Schlachteinheiten und das von „Schlachtung mit Achtung“, das über Jahre eine solche Einheit entwickelte und seit März 2019 über die Firma MST Mobile-Schlachttechnik mit Sitz in Kandern im Kreis Lörrach vertreibt.

Tierschützer, Metzger, Öko-Landwirte und auch Baden-Württembergs Agrarminister Peter Hauk (CDU) machen sich längst für die hofnahe Schlachtung von Rindern und Schweinen stark – und dafür eignen sich mobile Schlachteinheiten. Inzwischen gibt es laut Landwirtschaftsministerium im Südwesten 32 solcher genehmigten Anlagen verschiedener Hersteller. Fast alle sind für Rinder konstruiert.

Auch bundesweit nimmt das Interesse an mobilen Schlachteinheiten zu, sagt der Verband der Landwirte mit handwerklicher Fleischverarbeitung (VHLF). Statistiken gibt es nach Worten der VHLF-Vorsitzenden Andrea Fink-Keßler nicht, die Zahl mobiler Schlachteinheiten aber wachse.

Als Pionier auf diesem Gebiet gelte der Landwirt Ernst Hermann Maier aus Balingen, der schon 1995 die Mobile Schlachtbox MSB entwickelte. Auch die Lüneburger Firma ISS Innovative Schlachtsysteme etwa vertreibt mobile Schachtanhänger, eine andere Variante wurde in Hessen im Rahmen des Projektes „Extrawurst“ entwickelt; weitere Hersteller gibt es bundesweit.

Allein drei mobile Schlachtanlagen von „Schlachtung mit Achtung“ stehen in Baden-Württemberg, berichtet Sandra Kopf, die das Projekt mit ihrem Kollegen Thomas Mayer vorangetrieben hat. Sie kosten zwischen 70 000 und 110 000 Euro. Die Gemeinde Baiersbronn im Schwarzwald hat sich eine angeschafft, ebenso wie eine Metzgerei in Dotternhausen im Zollernalbkreis – es ist die Anlage, die bei Landwirt Sauter auf dem Hof steht.

Ob sich mobiles Schlachten ohne langen Transport auch für den industriellen Großbetrieb oder ganze Regionen eignet, ist umstritten. „Mobiles Schlachten ist eine Nische für wenige Betriebe, beispielsweise mit ganzjähriger Weidehaltung oder Direktvermarktung“, sagt Ariane Amstutz vom Landesbauernverband. Die meisten Tiere müssen weiter zum Schlachthof transportiert werden. Nur 51 Betriebe im Land haben die Genehmigung zur Schlachtung vor Ort.

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