Beratungsprämie für Hauseigentümer hier Von Katja Korf
Südwest-Bauministerin will mit neuem Angebot und Steuerrabatt Wohnungsnot begegnen
Baden-Württemberg bietet Eigentümern von Einfamilienhäusern ab dem 1. April eine kostenlose Beratung durch Architekten im Wert von 400 Euro an. Zielgruppe sind vor allem alleinstehende Menschen, denen ihr Haus zu groß geworden ist. Bauexperten zeigen in der Beratung Wege auf, eine Immobilie zum Beispiel in zwei Wohnungen zu teilen und barrierefrei zu gestalten. Ziel ist es, neuen Wohnraum zu schaffen und es gleichzeitig älteren Menschen zu ermöglichen, länger in ihrem Haus zu leben. Vorbild für das landesweite Programm ist eine Initiative aus dem Kreis Ravensburg.
Es gehe nicht darum, Menschen mit erhobenem Zeigefinger zu sagen, was sie mit ihrem Eigentum tun sollen, betont Baden-Württembergs Bauministerin Nicole Razavi im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“: „So sollte Politik nicht funktionieren.“ Stattdessen zeige das Projekt der Gemeinden Bodnegg, Schlier, Waldburg und Grünkraut, wie es besser gehe - mit persönlicher Ansprache und Beratung. 77 Anfragen, 16 Umbauten und 14 laufende Projekte belegten deren Erfolg. „Dieses Modell werden wir jetzt als Beratungsprämie landesweit ausrollen. Die Kommunen bekommen von uns eine Prämie von 400 Euro, damit sie Bürgern, die ihr Haus teilen wollen, eine kostenlose Architekturberatung anbieten“, erklärte die CDU-Politikerin.
Allerdings seien solche Hilfen nur einer von vielen Bausteinen, um die Situation am Wohnungsmarkt zu entspannen. Die Politik dürfe nicht nur immer weiter Anforderungen etwa an die Energieeffizienz von Häusern erhöhen. „Damit erweisen wir dem Klima einen Bärendienst. Denn wenn es sich niemand mehr leisten kann, wird eben weniger saniert oder gar nicht erst gebaut“, betonte Razavi. Sie forderte die Bundesregierung auf, rasch verlässliche Förderprogramme aufzusetzen: „Wer Ziele ausgibt, muss erstens verlässliche Bedingungen schaffen und zweitens den Menschen ermöglichen, die Anforderungen auch zu erfüllen“, sagte sie etwa mit Blick auf die geplanten Auflagen für neue Heizungen, die 2024 in Kraft treten sollen.
Derzeit könnten sich viele Familien den Traum vom eigenen Haus oder der eigenen Wohnung nicht erfüllen. Das müsse sich ändern. Denkbar sei, dazu die Grunderwerbsteuer in Baden-Württemberg für alle zu senken, die zum ersten Mal Eigentum kaufen. Bayern fordert dies schon lange. „In Baden-Württemberg liegt der Steuersatz bei fünf Prozent, da sollten wir eine Senkung für den Ersterwerb möglich machen. Die eigene Wohnung oder das eigene Haus sind ja auch eine gute Altersvorsorge.“
Südkurier hier Sandra Markert 23.11.21
Einfamilienhaus wird Zweifamilienhaus: Wie man im Alter Wohnraum und finanzielle Belastung reduzieren kann, ohne ausziehen zu müssen
Wenn die Kinder aus dem Haus sind, wird die eigene Immobilie schnell zu groß – doch ausziehen wollen viele Menschen dennoch nicht. Die Gemeinde Bodnegg zeigt, wie sich dieses Dilemma lösen lässt. Architekten beraten kostenlos Familien zu Umbau ihres Hauses in ein Zweifamilienhaus. Das Projekt stößt auf großes Interesse – ein Ortsbesuch zeigt, wie der Umbau gelingen kann, was er kostet und welche Haken es gibt.
Ein großes Grundstück, 160 Quadratmeter Wohnfläche: Schön viel Platz für eine vierköpfige Familie, zu viel Platz für zwei Leute. Familie Fricker hat einen sehr pragmatischen Blick auf ihr bald 30 Jahre altes Einfamilienhaus in der Gemeinde Bodnegg (Landkreis Ravensburg). Zusammen mit den beiden Töchtern ließ es sich dort prima leben. Nun sind die beiden volljährig und sprechen immer häufiger von den eigenen vier Wänden.
„Dann hat das Haus eigentlich ein Stockwerk zu viel für meine Frau und mich“, sagt Stefan Fricker, 56. Das Ehepaar weiß: die viele Haus- und Gartenarbeit werden mit zunehmendem Alter nicht leichter – warum sollte man sich davon also mehr als nötig aufbürden?
Verkaufen? Und dann?
Die Frickers könnten ihr Haus verkaufen, an eine junge Familie mit entsprechendem Platzbedarf. Nachfrage gibt es genug auf dem Markt. Aber wohin sollen sie dann ziehen? Es fehlen Angebote für altersgerechte und bezahlbare Wohnungen. Vor allem aber fehlen Angebote für Wohnungen, welche die älteren Menschen auch ansprechen.
„Meine Frau und ich sind beide in Bodnegg aufgewachsen, wir haben unsere Familien hier, unser ganzes soziales Umfeld. Wir wollen hier wohnen bleiben. Und wir mögen unseren Garten.“ Stefan Fricker fasst zusammen, was viele Hausbesitzer jenseits der 50 umtreibt: Sich verkleinern wenn die Kinder aus dem Haus sind, das klingt sinnvoll, erst recht angesichts stetig steigender Energiepreise. Aber das gewohnte Umfeld verlassen, dazu sind die wenigsten bereit. Vor allem dann, wenn sie in guter Lage wohnen.
Christa Gnann hatte eine Idee
„Aber muss man wirklich ausziehen, wenn man sich verkleinern will?“ Diese Frage treibt Christa Gnann seit Jahren um. Die 56-Jährige arbeitet im Bürgerkontaktbüro der Gemeinde Bodnegg und bekommt dort täglich die Sorgen älterer Gemeindemitglieder mit. Wie das wohl wird, im viel zu großen Haus und womöglich irgendwann auch allein alt zu werden?
Dazu kommt die besondere Lage von Bodnegg: Eingebettet in viele Hügel verteilt sich die Gemeinde auf 96 Weiler. „Viele Menschen wohnen sehr abgelegen und sind auf ein Auto zum Einkaufen angewiesen“, sagt Christa Gnann. Was, wenn man dazu mal nicht mehr mobil genug ist? „Irgendwann kam mir die Idee, ob sich Einfamilienhäuser nicht so teilen lassen, dass darin mehrere Wohneinheiten entstehen“, sagt Christa Gnann.
So könnte man dringend nötigen Platzbedarf für junge Familien schaffen, ohne ständig Neubaugebiete erschließen zu müssen. Und die ältere Generation könnte vielleicht länger in ihren eigenen vier Wänden bleiben, wenn jemand vor Ort wäre, der auch mal Einkäufe übernimmt oder bei der Gartenarbeit mit anpackt. „Vor allem aber würden wir gegen die unglaubliche Wohnraumverschwendung angehen. Was ist das bitte für ein Luxus, wenn überall Zimmer leer stehen, die allenfalls noch als Bügelzimmer genutzt werden. Oder einmal im Jahr als Gästezimmer, wenn an Weihnachten die Kinder zu Besuch kommen?“
Christa Gnann unterhielt sich mit Gemeindemitarbeitern und Architekten, arbeitete ein Projektkonzept aus und bewarb sich damit beim Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg um Fördergelder im Rahmen der Wohnraumoffensive Baden-Württemberg.
Seit Juli dieses Jahres kann die Gemeinde interessierten Bürgern nun 400 Stunden kostenlose Beratung durch Architekten anbieten. Es geht um eine Erstberatung inklusive Konzept, wie man das zu groß gewordene Eigenheim umbauen könnte. „Aus alt mach 2 – und mehr“, nennt sich dieses vom Land ausgezeichnete Förderprojekt. In der Gemeinde Bodnegg ist es vom ersten Tag an auf eine riesige Nachfrage gestoßen. Andere Gemeinden bekamen Wind davon und planen nun ähnliches.
„Wir sind regelrecht überrannt worden“, fasst Wolfgang Selbach zusammen, was seit Juli in seinem Architektenbüro los ist. Der 56-jährige Architekt aus Ravensburg hat in den vergangen vier Monaten im Rahmen des Projekts bereits 45 Familien besucht, Grundrisse studiert und mit den Bewohnern zusammen Ideen entwickelt, wie sich ihr Haus teilen lassen könnte.
Eine dieser Familien sind die Frickers. Ihr Einfamilienhaus ist ganz klassisch auf zwei Stockwerke aufgeteilt, mit Kinder- und Schlafzimmern im Obergeschoss. „Die größte Schwierigkeit bei der Teilung sehen wir im innenliegenden Treppenhaus“, sagt Stefan Fricker. Es liegt mitten in der künftigen Erdgeschosswohnung und müsste nun abgetrennt und mit einer eigenen Haustür versehen werden.
Für die anderen Räume hat Familie Fricker dagegen schon selbst Ideen gesammelt: So könnte aus einer Gästetoilette mit angrenzender Garderobe ein richtiges Badezimmer für die Erdgeschosswohnung werden. Im weitläufigen Garten zeigt Stefan Fricker zum Balkon. „Hier könnte man eine Treppe hin bauen, damit auch die obere Wohnung einen Gartenzugang hat.“
Das Beispiel der Familie Fricker zeigt, dass eine Hausteilung durchaus möglich ist – aber einiges an Vorlauf und Aufwand mit sich bringt. So müssen in den meisten Fällen auch Leitungen für eine zweite Küche oder ein weiteres Bad verlegt oder die Heizung für zwei getrennte Wohnungen ausgelegt sein. „Ich war deshalb sehr froh, dass sich sehr viele Menschen zwischen 40 und 60 gemeldet haben, für die das Thema Verkleinerung noch nicht ganz akut ist, sondern die noch Zeit und Energie zum Planen und Umbauen haben“, sagt Architekt Wolfgang Selbach.
Denn, so seine Erfahrung, je ältere die Menschen werden, umso weniger flexibel werden sie, was Veränderungen und die Bereitschaft angeht, sich erst eine Baustelle ins Haus zu holen und dann neue Mitbewohner.
Mal 5000 Euro Kosten, mal 50.000 Euro
Bei fast allen 45 Familien, die Wolfgang Selbach bislang besucht hat, lässt sich der Umbau vom Ein- in ein Mehrfamilienhaus irgendwie realisieren. „Manchmal muss man nur einen Windfang und eine zweite Haustür einbauen, dann reichen 5000 Euro.“ Wenn ein zweites Bad, Anschlüsse für eine weitere Küche oder eine Außentreppe dazu kommen, sei man aber auch schnell mal bei 50.000 Euro. „Und ich war in einem Haus aus den 70er Jahren, das war so verschachtelt, da lässt sich nichts machen – außer abreißen und neu bauen.“
Familie Fricker bleibt das erspart. Ihr Haus kann mit überschaubarem Aufwand geteilt werden. „Trotzdem denke ich mir: Warum haben wir damals nicht gleich vorausschauender gebaut und ans Alter gedacht?“ fragt sich Stefan Fricker. Vor 30 Jahren aber hätten sie nur das Leben als Familie mit Kindern im Haus im Blick gehabt.
Architekt Wolfgang Selbach beobachtet das auch heute noch bei vielen Bauherren und Architekten: Geplant wird für den aktuellen Bedarf, nicht für die Zukunft. Dabei könnte eine junge Familie ihren Kredit schneller abbezahlen, wenn sie einen Teil des Hauses für ein paar Jahre vermietet. Danach wäre dort Platz für größere Kinder. Und im Alter ließe sich die Rente durch Mieteinnahmen aufbessern – oder es könnte eine Pflegekraft einziehen. „Es könnten sehr viel mehr Menschen in ihrem Haus alt werden, wenn sie sich frühzeitig solche Gedanken machen würden“, sagt Wolfgang Selbach.
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