Schwäbische Zeitung hier Bernd Adler 05.02.2023
Als „Stiefkind der Umweltpolitik“ bezeichnet Werner Baur den Gewässerschutz in Baden-Württemberg. Der Ravensburger Kreisvorsitzende des Landesfischereiverbandes beklagt: Die Politik interessiere sich zu wenig für den Zustand von Flüssen und Bächen. Doch der sei großteils desolat. Dabei seien Gewässer elementar für den Erhalt der Biodiversität und zudem für das Eindämmen der Klimaerwärmung.
Wenn der Rasen im Sommer austrocknet oder der Wald leidet, dann nimmt das der Mensch unmittelbar wahr. Nicht so bei Bächen und Flüssen. Sie fließen ohnehin; was sich dort allerdings verändert, bleibt weitestgehend unbeachtet.
Gewässer werden zunehmend wärmer
Dabei geht es hier nicht nur um Fische und Kleinlebewesen. Sondern auch um Artenvielfalt. Vögel wollen Fische fressen, Insekten die Larven in den Gewässern. Fehlt die Beute, bekommt auch der Jäger gewaltige Probleme. Und: Viele Bäche und Flüsse wurden in den vergangenen Jahrzehnten nicht nur begradigt und kanalisiert, sondern auch von schützender Umpflanzung befreit. Die Folge: Die Gewässer erhitzen, nicht zuletzt durch steigende Temperaturen, und nehmen dadurch Tieren, Algen und Wasserpflanzen ihren Lebensraum.
„Alle Natur hängt vom Wasser ab“, sagt Werner Baur. Doch in den Köpfen spielten die Gewässer kaum eine Rolle. Dabei sei die Situation alles andere als befriedigend. Nach aktuellen Statistiken sind nur 5,7 Prozent der Flüsse und Bäche in Baden-Württemberg in einem guten ökologischen Zustand. Von der Landesregierung heißt es dazu:
„Die Fischbestände sowie die Situation in den Fließgewässern in Baden-Württemberg in den vergangenen fünf Jahren hat sich insgesamt negativ entwickelt.‟
In fast zwei Dritteln der Gewässer sei der Zustand „mäßig‟.
Eigentlich muss die Bundesrepublik seit 2003 EU-Recht umsetzen und alle Gewässer in einen guten ökologischen Zustand versetzen. Doch das ist bisher kaum geschehen. Die Fristen dafür wurden immer wieder verlängert, derzeit laufen sie bis 2027. Aber das Land rechnet selbst nicht damit, dass sich bis dahin eine dramatische Verbesserung ergeben wird.
Zahllose Gründe für die fehlende Nachbesserung
Die Gründe nach Aussage der Landesregierung: „Dies liegt einerseits an dem sehr großen Umfang der Aufgabe, den damit verbundenen Kosten, dem Verwaltungsaufwand, an der fehlenden Flächenverfügbarkeit, an mangelnden Kapazitäten in Planungsbüros oder Baufirmen oder an oftmals langwierigen Verfahren.“ Oder wie es Werner Baur formuliert: „Die Politiker interessieren sich nicht dafür.“
Will man den ökologischen Zustand eines Gewässers beurteilen, so geht es nicht nur um eine Gesamtbilanz, sondern um vier einzelne Bereiche, die alle positiv bewertet werden müssen, sonst gibt es Punktabzug. Dabei geht es um den Fischbestand, die Kleintiere, die Algen und die Wasserpflanzen.
Nur die Argen steht ganz gut da
Bei den Fischen sieht Baur großen Handlungsbedarf im Kreis Ravensburg, in anderen Belangen ist die Lage differenziert zu betrachten. Insgesamt sei die Situation in der Argen besser als in anderen Bächen und Flüssen im Landkreis, der obere Bereich von Rotach und Wolfegger Ach sei „mäßig“, die Schussen nördlich von Ravensburg sogar noch schwerer von Missständen betroffen.
Das liegt laut Werner Baur vor allem an zu viel Chemie im Wasser, nicht zuletzt durch Einträge der Landwirtschaft (Pflanzenschutzmittel). Aber auch an Klimaveränderungen. In den Gewässern werde es wärmer, schützende Bepflanzung an den Rändern sei vielfach verschwunden. Die Hitze mache vielen Fischen und Kleintieren, aber auch Pflanzen im Wasser zu schaffen. Sie gehen ein.
Bächen und Flüssen fehlt Schatten
Nach Ansicht des Ravensburger Kreisvorsitzenden des Landesfischereiverbandes sei dennoch eine Rettung nicht unmöglich. Um das Artensterben in den Gewässern zu stoppen, könnte es hilfreich sein, Bäume und Sträucher entlang der Bäche und Flüsse zu pflanzen. Sie spenden Schatten und das Wurzelwerk kann die Gewässer so formen, dass sich eine Struktur auf dem Boden bilden kann. Dadurch können zum Beispiel Insekten Lebensräume finden, die wiederum Fischen und Vögeln als Futter dienen.
Doch dafür müsse man eben wieder der Natur mehr Raum schenken. Kosmetische Veränderungen, die nur gut aussehen, so Werner Baur, „bringen den Gewässern nichts“.
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