Ich möchte keinesfalls von Afrika billig ernährt werden, lieber wäre mir eine Klima-bewusste Landwirtschaft in Europa und vor allem regionale Vermarktung überall.
Aber wenn Afrika sich wenigstens selbst ernähren könnte in ressourcenschonender Art und Weise!
Das wäre schon klasse in Zeiten, in denen man sich Sorgen machen muss, dass Menschen verhungern wenn wir Äcker extensivieren.
hier im Spiegel Ein Interview von Heiner Hoffmann, Nairobi 10.02.2023
Landwirtschaft der Zukunft: Nirgendwo bleibt so viel landwirtschaftliche Fläche ungenutzt wie in Afrika. Die erfolgreiche Farmerin Emma Naluyima will das ändern – und ist sich sicher: Der Kontinent könnte den Rest der Welt mit günstigen Nahrungsmitteln versorgen.
....Die 42-jährige Tierärztin ist ein Superstar in der ugandischen Landwirtschaftsszene. Sie hat zahlreiche internationale Preise gewonnen, weil sie ihre Farm aus dem Nichts zu einem kommerziell erfolgreichen Unternehmen aufgebaut hat. Inzwischen verdient sie mehr als 100.000 US-Dollar pro Jahr mit ihrem Hof, in Uganda ein Vermögen.
Ab und zu wirkt die Farm eher wie ein Biotechlabor, unter einem riesigen Netz summen Hunderttausende Fliegen, ihre Larven werden als Hühnerfutter genutzt. Naluyima wühlt mit der Hand durch die Erde, um zu prüfen, ob die weißen Maden schon ordentlich gewachsen sind. Deren flüssige Ausscheidungen werden unter einer Art Hochbeet aufgefangen, sie dienen später als Dünger für die Pflanzen. Keine Substanz wird hier verschwendet, erzählt die Landwirtin stolz.
Naluyima betreibt inzwischen sogar eine eigene Schule, im Unterricht wird besonders auf Naturwissenschaften Wert gelegt, und die Kinder bewirtschaften auf dem Gelände ihren eigenen kleinen Bauernhof mit Gemüse, Hühnern und Hasen. Jede Schülerin und jeder Schüler besitzt ein Bankkonto, die Erlöse vom Schulgarten dienen den Heranwachsenden als Startkapital.
Inzwischen kommen Besucher aus der ganzen Region zu Emma Naluyima, lassen sich herumführen und nehmen das Know-how dann mit in ihre Dörfer. Die Landwirtin sagt: Wenn man es richtig angehe, könnte der Kontinent die Welt ernähren – statt umgekehrt.
SPIEGEL: Sie haben mal erzählt, dass Sie Meetings mit Ihren Schweinen abhalten. Haben Sie heute schon mit ihnen gesprochen?
Emma Naluyima: Ja, das habe ich.
SPIEGEL: Worum ging es?
Naluyima: Oh, wir diskutieren, und sie sagen mir: Kümmere dich gut um uns, und wir werden dein Konto füllen. Ich höre auf sie, und sie danken es mir. Ich verwöhne sie ziemlich.
SPIEGEL: In weiten Teilen Afrikas sind die gestiegenen Lebenshaltungskosten das bestimmende Thema, vor allem Nahrungsmittel sind deutlich teurer geworden. Geht es Ihnen als Bäuerin da besser?
Naluyima: Ja, als Familie sind wir davon kaum betroffen, denn drei Viertel aller Dinge, die bei uns auf den Tisch kommen, stammen von der Farm. Aber in der Schule merken wir es schon, für die Kinder und das Personal müssen wir auch Lebensmittel von außen einkaufen. Wegen des Ölpreises sind auch unsere Transportkosten deutlich angestiegen. Auf der Farm ist ebenfalls vieles teurer geworden, das Futter zum Beispiel. Da sparen wir nicht, die Tiere sollen weiterhin das teure Futter bekommen, aber an anderer Stelle versuchen wir es wieder reinzuholen. Die Kühe nutzen wir zur Energiegewinnung – durch Biogas aus ihren Ausscheidungen. Dadurch halten wir zumindest die Energiekosten niedrig.
SPIEGEL: Gibt es gerade einen Trend zurück zur Landwirtschaft, weil Lebensmittel so teuer sind?
Naluyima: Ja, auf jeden Fall. In Uganda geben die Leute 60 bis 70 Prozent ihres Einkommens für Lebensmittel aus. Da versucht jeder, irgendwie zu sparen. Aber es gibt einige Hürden. Viele haben keinen Zugang zu Land, es ist sehr teuer. Auch Wasser ist ein Problem. Aber diejenigen, die beides zur Verfügung haben, entdecken die Landwirtschaft gerade wieder für sich. Die meisten betreiben keine kommerziellen Farmen, aber sie haben so zumindest etwas auf dem Teller.
SPIEGEL: Ende Januar haben sich mehrere afrikanische Staats- und Regierungschefs in Dakar zum Feeding Africa Summit getroffen und darüber diskutiert, wie Afrika unabhängiger von Nahrungsmittelimporten werden kann. Welchen Rat hätten Sie ihnen gegeben?
Naluyima: Afrikanische Regierungen müssen in Know-how investieren. Viele Menschen hier würden gern Landwirtschaft betreiben, sie sind voller Tatendrang, aber ihnen fehlt das technische Wissen. Und wir brauchen dringend hochwertige Betriebsmittel – Samen und Dünger zum Beispiel. Oft bekommt man nur schlechte Qualität, und das wirkt sich negativ auf die Produktion aus. Auch in bessere Wasserversorgung müssen die Staatschefs investieren. Das Regenwasser wird kaum gesammelt, und natürliche Wasserreservoirs wie der Victoriasee in Uganda werden nicht ausreichend angezapft. Und zu guter Letzt haben wir ein großes Problem mit der Lagerung unserer Produkte. In manchen Jahren gibt es eine Rekordernte, vor allem wenn die Regenfälle gut waren. Aber dann verzeichnen wir hohe Nachernteverluste, teils bis zu 40 Prozent, wegen schlechter Lagerung. Wir bräuchten dringend Silos. Dann gäbe es auch dann noch genug zu essen, wenn die nächste Ernte mal nicht so gut ausfällt.
SPIEGEL: Afrika hat den höchsten Anteil an ungenutzten landwirtschaftlichen Flächen weltweit. 60 Prozent der fruchtbaren Flächen werden nicht beackert. Woran liegt das?
Naluyima: An vielen Stellen ist das Land schlicht nicht zugänglich. Aber wir dürfen auch nicht vergessen: 70 Prozent unserer Bevölkerung sind Jugendliche und junge Erwachsene. Die wollen nicht auf dem Dorf leben, die wollen in die Städte. Und selbst wenn sie im Dorf bleiben, haben sie oft keinen gesicherten Zugang zu Ackerland – weil es traditionell den Eltern oder Großeltern gehört, die es wiederum nicht ausreichend nutzen. Da gibt es nur eine Lösung: Das Leben auf dem Dorf muss wieder attraktiver werden. Die Regierungen müssen Geld in die ländliche Elektrifizierung stecken und die Versorgung auf dem Land verbessern. In Deutschland findet man in fast jedem Ort einen Aldi, so was brauchen wir auch. Dann würden die Jugendlichen bleiben.
SPIEGEL: Der Kontinent gibt derzeit jedes Jahr 45 Milliarden US-Dollar für Lebensmittelimporte aus.
Naluyima: Ja, das ist ein Wahnsinn, das ärgert mich wirklich. Es gibt keine Mechanisierung in der Landwirtschaft, viele Leute machen alles per Hand, sie haben keine Traktoren und sind dadurch sehr unproduktiv. Das, was sie anbauen, reicht nicht einmal aus, um sich selbst zu ernähren. Deshalb müssen wir so viel importieren. Aber das müsste nicht so sein. Afrika könnte problemlos die Welt ernähren, und das zu sehr niedrigen Kosten. Wir haben gutes Wetter, wir haben Wasser, alle Voraussetzungen sind gegeben. Stattdessen müssen wir beim Rest der Welt um Essen betteln, das ist tragisch.
SPIEGEL: Die Coronapandemie und der Krieg in der Ukraine haben gezeigt, wie schnell alles aus den Fugen geraten kann und wie anfällig Afrika in solchen Situationen ist. Könnte das ein Weckruf gewesen sein?
Naluyima: Ja, das hat vielen die Augen geöffnet und gezeigt: Hey, Moment mal, so kann es nicht weitergehen. Am Anfang der Pandemie stand alles still, es kamen keine Containerschiffe, keine Flugzeuge mehr. Alle dachten damals, die Afrikaner werden bestimmt in Massen sterben. Aber das passierte nicht, stattdessen haben sich viele aufgerafft und nach neuen Lösungen gesucht. Darauf müssen wir jetzt aufbauen.
SPIEGEL: Aber der Klimawandel bleibt ein großes Thema, Afrika ist einer der am stärksten betroffenen Kontinente.
Naluyima: Ja, wir sind vom Klimawandel stark betroffen, obwohl er vor allem woanders verursacht wird. Trotzdem können wir selbst einiges tun, unseren eigenen Beitrag leisten. Hier scheint fast jeden Tag die Sonne, nicht wie bei euch in Deutschland. Wir könnten also viel mehr Solarenergie nutzen. Und die Ausscheidungen der Kühe sollten wir wenigstens zur Erzeugung von Strom und Kochgas nutzen. Ich versuche da mit gutem Beispiel voranzugehen.
SPIEGEL: Gleich gibt es bei Ihnen Abendessen. Was kommt auf den Tisch und was davon stammt von der Farm?
Naluyima: Auf jeden Fall werde ich Kochbananen essen. Wenn die nicht auf dem Teller liegen, ist es für mich keine Mahlzeit. Alles Gemüse, alles Grünzeug kommt von uns. Sogar das Frühstück, die Milch, die Eier und die Butter stammen von meinem Hof. Das meiste Fleisch, das wir essen, auch. Den Fisch hole ich aus unserem eigenen Teich. Ich kaufe nur wenige Dinge, die wir essen, von außerhalb, Sachen wie Zucker oder Rindfleisch, weil wir schließlich nicht jeden Tag eine Kuh schlachten können.
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