Dienstag, 21. Februar 2023

Für das neue Eigenheim ist beim klimaverträglichen Bauen wenig Platz

Schwäbische Zeitung  hier  Von Claudia Kling

Die Quadratur des Kreises am Bau: Deutschland braucht Wohnraum und soll klimaneutral werden
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Die Ziele könnten auf den ersten Blick kaum widersprüchlicher sein:
Die Bundesregierung strebt den Bau von 400.000 neuen Wohnungen im Jahr an, gleichzeitig soll Deutschland bis 2045 klimaneutral werden. Dabei ist der Gebäudesektor ganz vorne mit dabei, wenn es um den prozentualen Anteil der Treibhausgasemissionen geht. 

Wie dieser Konflikt aufgelöst werden könnte? Dazu hat das Umweltbundesamt (UBA) am Montag der Bundespolitik Empfehlungen übergeben. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten dazu.

Was sind mit Blick auf Klima und Umwelt die größten Probleme beim Bauen?

Der große Ressourcenverbrauch - und die gewaltigen CO2-Mengen, die beim Bau, Erhalt und Betrieb von Gebäuden ausgestoßen werden. 30 bis 35 Prozent der Treibhausgasemissionen entstehen im Gebäudesektor. Wenn die globale Zementindustrie ein Land wäre, wäre sie nach China und den USA der drittgrößte CO2-Emittent weltweit. Nach Angaben des Umweltbundesamtes werden 50 Prozent der gesamten Rohstoffe in Deutschland für Baumaterialien benötigt. Auf der anderen Seite gibt es so viel Bauabfälle, dass der Platz auf den Deponien knapp wurde. Auch der Flächenverbrauch ist ein Riesenthema. Bis 2030 sollen täglich noch 30 Hektar in Deutschland verbaut werden dürfen, derzeit sind es 54 Hektar am Tag.

Welche sozialpolitischen Probleme sind mit dem Bauen verbunden?

Es gibt zu wenig Wohnraum in Deutschland - oder er ist am falschen Ort. Nach Angaben des Verbändebündnisses Wohnungsbau fehlen hierzulande mehr als 700.000 Wohnungen, zudem ist der Wohnungsbau aufgrund der schwierigen Rahmenbedingungen in den vergangenen Monaten noch zurückgegangen. Bauministerin Klara Geywitz (SPD) nannte am Montag die Zahl von 1,7 Millionen Wohnungen, die in Deutschland leer stünden. Die finden sich vor allem im Osten Deutschlands, meist in strukturschwachen Regionen, die per Bahn oder mit dem Bus kaum zu erreichen sind.

Welche Möglichkeiten gibt es, mehr Wohnraum mit weniger Umwelt- und Klimafolgen zu verbinden?

Bauen im Bestand, Nachverdichten, Aufstocken, Sanieren, Dämmen, auf weniger Fläche wohnen, erneuerbare Energien nutzen, die Wiederverwertung von Baustoffen, klimaneutrale Baustoffe wie Holz verwenden, passgenaue Förderanreize schaffen: Das Umweltbundesamt in Person von Präsident Dirk Messner legte ein Reihe von Empfehlungen vor, die den Wohnungs- und Städtebau nachhaltiger machen sollen. Mit den meisten Vorschlägen rennen sie bei Geywitz und Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) offene Türen ein. Doch eine Ausnahme gibt es: Beide Ministerinnen lehnten es ab, „eine Primärbaustoffsteuer in marktwirtschaftlich relevanter Höhe“ für den Einsatz von Kies, Sand und Naturgips einzuführen, um so den Einsatz recycelter Baustoffe voranzutreiben. Bei den derzeitigen Kosten für Baustoffe seien keine weiteren Steuern notwendig, so Geywitz.

Sollte aus den Empfehlungen Politik werden: Was würde das für den einzelnen Bürger bedeuten?

Der Bau eines freistehenden Einfamilienhauses würde noch schwieriger werden. Denn diese Wohnform lässt sich am wenigsten mit den klima- und wohnungspolitischen Zielen der Bundesregierung vereinbaren. Das Umweltbundesamt argumentiert, dass kleinteilige Wohnformen wie freistehende Ein- und Zweifamilienhäuser in etwa einen doppelt so hohen Heiz- und Kühlenergiebedarf haben wie kompakte Bauformen. Auch der Flächenverbrauch ist höher. Deshalb sollten die Förderungen für „flächenextensive Kleinhausbauten“ heruntergefahren werden, empfiehlt das Amt. Ziel sei es, dass „Einfamilienhäuser aus dem Bestand erworben werden“, sagte Geywitz. Zugleich sei es wichtig, bereits beim Einzug daran zu denken, wie das Haus weiter genutzt werden könne, wenn die Kinder ausgezogen sind. Die Bauministerin kündigte eine Prämie für entsprechende Hauskäufe an, ohne jedoch Details zu nennen.

Wie würde sich Nachhaltigkeit beim Bau auf die Städte auswirken?

Viele Kommunen müssten anders planen, als es bislang der Fall ist. Dabei geht es nicht nur ums Bauen, sondern auch um den Verkehr in den Städten und damit verbunden um die Frage, wie Stadtteile und Quartiere so gestaltet werden, dass die Bürger möglichst wohnortnah arbeiten und ihre Freizeit genießen können. Es brauche auch Räume der Begegnung, um der wachsenden Einsamkeit entgegenzuwirken, sagte Geywitz. Umweltministerin Lemke plädierte für eine klimaangepasste Weiterentwicklung der Städte. Es müsse mehr Grün und mehr Wasser in die Innenstädte, um mit Hitze- und Starkregenereignissen besser klarzukommen. Matthias Lerm, Vorsitzender der Kommission nachhaltiges Bauen am UBA und Leiter des Stadtplanungsamtes Magdeburg, wies darauf hin, dass das Vorhaben, in Städten verdichteter zu bauen, bislang auch an Landesbauordnungen scheitere.

Welche Kosten sind mit diesen Empfehlungen verbunden?

Diese Frage lässt sich so nicht beantworten. Künftig sollten ohnehin andere Regeln für den Bau gelten, argumentieren die Autoren des Papiers. Messner verwies auf die Baukostensenkungskommission. Diese empfiehlt unter anderem, Stellplatzpflichten entfallen zu lassen und Landesbauordnungen so zu harmonisieren, dass mehr serielles Bauen in Deutschland möglich wird.

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