ZDF hier von Elisa Miebach 17.02.2023 Quelle: AP
Eine Idee aus Barbados könnte zur Klima-Reform des internationalen Finanzsystems führen - und soll nun sogar auf der Münchner Sicherheitskonferenz diskutiert werden.
Die Premierministerin der Karibikinsel Barbados hat Erfahrung mit Hurrikans. Doch die Stürme werden stärker, die Überschwemmungen größer und der steigende Meeresspiegel nagt an der Insel, die so groß ist wie das Bundesland Bremen.
Mia Mottley weiß, wenn auf ihrer Insel langfristig ein gutes Leben möglich sein soll, darf die Erde sich nicht mehr viel stärker erwärmen.
Milliarden gegen den Klimawandel
Die ehemalige Absolventin der London School of Economics will nicht einfach nur Deiche bauen, Mia Mottley fordert den ganz großen Wurf: Eine Reform des internationalen Finanzsystems für mehr Klimaschutz. Mit ihrem Modell sollen Milliarden für die Reduzierung von Treibhausgasen eingeworben werden, ohne die Steuerzahler der Industrieländer zu belasten.
Besonders für Entwicklungsländer ist es oft schwierig, in erneuerbare Energien und gesunde Ökosysteme zu investieren. Durch die sich verstärkenden Krisen kämpfen mehr als 60 Prozent der einkommensschwachen Länder mit Zahlungsschwierigkeiten. Die Kosten, um Geld zu leihen, werden immer höher.
Klimaschutz hängt am Geld
Und der Druck, ihre eigenen fossilen Ressourcen auszubeuten, wie etwa die Gasfelder vor der Küste Senegals oder die Ölfelder unter dem zweitgrößten Regenwald der Erde im Kongobecken, wird größer.
"Ein Grund, warum wir auf die 1,5-Grad-Erwärmung und mehr zu rasen, ist nicht, dass es die Leute nicht interessiert. Oder dass sie die Wissenschaft nicht verstehen. Der Grund ist, dass wir ein Finanzierungsproblem haben", sagt Aminash Persaud, Sondergesandter für Klimafinanzierung von Barbados.
Gipfel mit Macron geplant
Die "Bridgetown"-Initiative, benannt nach der Hauptstadt von Barbados, will dort ansetzen. Der Vorschlag hat mittlerweile weltweit Unterstützer, darunter UN-Generalsekretär Antonio Guterres und der französische Präsident Emmanuel Macron. In Paris ist im Juni zum Thema sogar ein "Mottley-Macron"-Gipfel geplant.
Im Kern des Bridgetown-Modells steht der Internationale Währungsfonds (IWF), gegründet 1944 zur Stabilisierung des internationalen Währungssystems. Ein Mittel dabei sind sogenannte Sonderziehungsrechte. Diese können Staaten in Krisen gegen andere Währungen eintauschen. So kann der IWF Staaten in finanzieller Not unterstützen. Diese Sonderziehungsrechte wurden etwa während der Corona-Pandemie genutzt.
Die Industrieländer besitzen größere Anteile am Internationalen Währungsfonds und haben damit auch größere Sonderziehungsrechte. Diese Rechte bleiben aber von den finanziell stabileren Ländern oft ungenutzt.
Privates Geld für mehr Klimaschutz
Das brachte die Premierministerin von Barbados auf eine Idee: Ein Teil dieser ungenutzten Sonderziehungsrechte der Industrieländer könnte für einen neuen Klima-Fonds als Sicherheit dienen. Mit dieser Sicherheit als Grundlage könnte der Fonds dann an den Finanzmärkten Geld einwerben - in etwa so wie Privatpersonen mit besserer Bonität und Sicherheiten auch zu besseren Konditionen Geld leihen können.
Somit kann privates Geld für Klimaschutz mobilisiert werden, das die betroffenen Länder selbst nicht zu diesen Konditionen leihen könnten. Das Geld soll dann in Projekte fließen, die Treibhausgase einsparen, und langfristig wieder zurückgezahlt werden.
Bridgetown-Initiative fordert Hilfe für Naturkatastrophen
Die Bridgetown-Initiative fordert noch einen zweiten Fonds, der Länder beim Wiederaufbau nach Naturkatastrophen unterstützt. Dort hinein sollen auch fossile Energieunternehmen Abgaben zahlen. Außerdem soll die IWF-Notfallhilfe ausgeweitet werden und nach Naturkatastrophen schneller zur Verfügung stehen.
Ob die Weitergabe von Sonderziehungsrechten in einen Fonds in allen Industrieländern rechtlich möglich und gewünscht ist, ist noch nicht geklärt. Die Premierministerin von Barbados hat mit ihrem Vorschlag eine erste Tür geöffnet zu einer Diskussion über die Reform des weltweiten Finanzsystems in der Klimakrise.
Barbados' Vision zum Klimaschutz: Billionen für Klimaschutz - ohne Steuergeld
von Elisa Miebach 18.02.2023
Eine Idee zum Klimaschutz aus Barbados erregt selbst auf der Münchner Sicherheitskonferenz Aufmerksamkeit. Doch nun sitzen die Vordenker wegen des Flugstreiks in der Karibik fest.
Avinash Persaud, Sonderbeauftragter der Karibikinsel Barbados für Klimafinanzierung, wollte eigentlich auf der Münchner Sicherheitskonferenz über sein Herzensthema sprechen - den Klimawandel. Das muss er nun per Videokonferenz tun - denn wegen des Flugstreiks vom Freitag sitzt er zu Hause fest. Er ist der Kopf der sogennanten Bridgetown-Initiative, die versucht, im internationalen Finanzsystem neue, der Klimakrise angepasste Strukturen zu schaffen. Diese sollen insbesondere im globalen Süden Investitionen in Klimaprojekte ermöglichen und anschieben – und dabei den Nutzen für das Klima über Profite stellen.
ZDFheute: Warum wollten Sie nach München kommen, um auf der Sicherheitskonferenz übers Klima zu sprechen?
Avinash Persaud: Der Klimawandel ist ein riesengroßes Sicherheitsrisiko. Und deshalb müssen wir darüber diskutieren, wie wir dem Einhalt gebieten können. 1,5 Grad Erwärmung sind kein Ziel – es muss eine Grenze bleiben. Wenn die Welt an der Erderwärmung von 1,5 Grad angelangt ist, wird es zu Katastrophen kommen, die sich verstärken, wie wir sie letztes Jahr in Pakistans gesehen haben. Dort wurden 33 Millionen Menschen sind obdachlos, 27.000 Schulen standen unter Wasser. Das wird nur an Häufigkeit zunehmen.
ZDFheute: Was bedeutet es für Ihre Initiative, dass Sie jetzt nicht persönlich in München sein können?
Persaud: Nun, wir möchten natürlich keinen legitimen Streik, den Sie in Deutschland haben, kritisieren. Nur steigt in der internationalen politischen Szene gerade der Ehrgeiz zur Bekämpfung des Klimawandels. Unsere Bridgetown-Initiative ist bisher der einzige Plan, der diesem Ehrgeiz im Kern gerecht wird. Es ist ein Plan, mit dem wir von Milliarden auf Billionen für den Klimaschutz kommen können, und er findet zunehmend Unterstützung.
Aber wir brauchen nicht nur Unterstützung, wir brauchen Champions.
Avinash Persaud
Deshalb hatten wir gehofft, nach Deutschland kommen zu können, um Sie als einen Vorkämpfer für die Eindämmung des Klimawandels zu gewinnen.
ZDF: Wie ist Barbados derzeit vom Klimawandel betroffen?
Persaud: Die ganze Welt wird vom Klimawandel betroffen sein, aber nicht alle gleichzeitig. Es gibt eine Frontlinie und wir sind an dieser Frontlinie. An vorderster Front werden die Temperaturen auf die höchsten Werte steigen. Das gilt für die tropischen Länder rund um den Äquator, für 3,2 Milliarden Menschen das sind 40 Prozent der Weltbevölkerung.
Wir sind nicht allein, aber vielleicht helfen wir,
die Aufmerksamkeit der Welt auf dieses Thema zu lenken,
weil wir in der Zukunft verbrennen und ertrinken werden,
wenn der Klimawandel nicht gestoppt wird.
Avinash Persaud
ZDF: Sie versuchen tatsächlich, das globale Finanzsystem zu reformieren. Wie soll das helfen?
Persaud: Die einzig wirkliche Verteidigung gegen den Klimawandel ist es, die Welt zu einer kohlenstoffarmen Zukunft zu bewegen bei Energie, Verkehr und Landwirtschaft. Nun denken viele Menschen in reichen Ländern, dass wir auf 1,5 Grad zurasen, weil es den Menschen in Entwicklungsländern egal ist oder sie das Problem nicht so gut verstehen. Das ist nicht der Fall. Das Problem ist der Geldmangel. Deshalb entwickeln wir einen Weg, das globale Finanzsystem zu verändern, um das Geld bereitzustellen, das wir benötigen.
Persaud: Wenn Sie in Deutschland einen Solarpark errichten, müssen sie für das geliehen Geld etwa vier Prozent Zinsen zahlen und das Projekt ist rentabel. Und aus diesem Grund werden rund 85 Prozent der erneuerbaren Energieprojekte in Deutschland und anderswo in den reichen Ländern vom privaten Sektor durchgeführt. Die Regierung setzt große Anreize und der Privatsektor springt ein.
Wenn Sie genau dasselbe Projekt mit denselben Panels in Südafrika, Indonesien, auf Barbados durchführen, betragen die Kosten, um Geld zu leihen, 14 Prozent und plötzlich ist das Projekt nicht rentabel und der private Sektor will es nicht tun. Und die Regierung hat nicht das Geld, um den gesamten Klimaschutz umzusetzen. Wir müssen also einen Weg finden, diese Kosten zu senken.
ZDF: Sie sagen, Sie wollen Milliarden bis Billionen von Dollar verlagern, ohne das Geld der Steuerzahler in den Industrieländern auszugeben. Wie kann das funktionieren?
Persaud: Die Zentralbanken halten Reserven in Höhe von rund 12,7 Billionen US-Dollar, und sie halten sie für schwere Zeiten. Wir sagen, heute sind wir in schweren Zeiten. Wir benötigen keine 12,7 Billionen Dollar für die Energiewende, aber wenn wir den Klimawandel nicht aufhalten, werden diese Reserven irgendwann nutzlos sein. Wir sagen, dass wir einen Teil davon in einen Treuhandfonds umleiten sollen, der dann mit diesen Reserven als Sicherheit billig Kredite aufnehmen kann.
Persaud: Diese Reserven machen keinen erheblichen Teil ihrer offiziellen Reserven aus. Und es muss kein Haushalt angezapft werden. Es gibt keine Magie auf der Welt. Aber wir müssen etwas tun. Wir haben einen Weg gefunden, der das am einfachsten macht. Aber wenn die Leute nicht Unmögliches tun wollen, werden wir einfach verbrennen und ertrinken.
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