Montag, 4. Juli 2022

Amtsgericht: Essenretter*innen wehren sich gegen "absurde" Anklage

Pressemitteilung vom 05.07.2022

Am Donnerstag den 07.07.2022 stehen ab 10:15 Uhr zum ersten Mal Essensretter*innen vor dem Ravensburger Amtsgericht. Angeklagt sind Charlie Kiehen und Samuel Bosch. Sie wurden im Vorfeld einer ihrer Verteilaktionen mit vielen abgelaufenen Lebensmitteln von der Polizei gestoppt und kontrolliert. 

"Die Staatsanwaltschaft klagt uns an, Lebensmittel aus den Müllcontainern verschiedener Supermärkte "gestohlen" zu haben. Dass die Staatsanwalt überhaupt das Essenretten verfolgt ist schon an sich ein Unding, dass sie das aber auch ohne jegliche Beweise tun ist fast schon skandalös." so der Angeklagte Samuel Bosch (19).

Die Staatsanwaltschaft kann bei einigen Lebensmitteln zwar nachweisen, dass diese von bestimmten Supermarktketten stammen, allerdings nicht ob diese gekauft oder aus dem Müll gerettet wurden. Dieser Nachweis ist jedoch für eine strafrechtliche Verurteilung unerlässlich.

"Wir hoffen, dass die Richterin die Beweislage ernstnimmt und nicht einfach aufgrund irgendwelcher unbewiesenen Vermutungen eine Strafe erzwingt. Darum werden wir dem Gericht verschiedene Beweisanträge vorlegen, um die löchrigen Behauptungen der Staatsanwaltschaft zu widerlegen." so die ebenfalls Angeklagte Charlie Kiehne (20).

Essens-Verteil-Aktion vor dem Amtgericht kurz vor dem Prozesstermin

Um noch einmal zu "unterstreichen", dass sie sich nicht von der Anklage einschüchtern lassen, containern die Essenretter*innen vor der Verhandlung erneut. Die geretteten Lebensmittel werden am Donnerstagmorgen dann direkt vor dem Amtsgericht ab 9:30 Uhr verteilt. Auch um sich selbst zu versorgen containern die Aktivist*innen laut eigener Aussage regelmäßig, daran habe auch die Anklage nichts geändert.

„Trotz des Risikos strafrechtlich verfolgt zu werden, gehen wir weiterhin containern. Wir können nicht weiter tatenlos mit ansehen, dass gute Lebensmittel im Müll landen anstatt gegessen zu werden. Es wird Zeit, dass nicht das Retten von Lebensmitteln bestraft wird, sondern dass Konzerne noch haltbare und genießbare Lebensmittel wegschmeißen“, ergänzt Samuel Bosch (19).


Noch absurder wird der ganze Prozess angesichts der aktuellen politischen Gegebenheiten, die eine Änderung der Gesetzeslage in Bälde nahelegen. Warum werden die Aktivisten trotzdem in einem Prozess vorgeladen? Es gäbe wahrhaftig wichtigere Prozesse zu führen.
Bundes-Agrarminister Özdemir erklärte am 31.12.21 bei einem Interview mit RND  hier:

Das Containern, also das Herausnehmen von weggeworfenen Lebensmitteln aus Supermarkt-Abfallcontainern, ist strafbar. Wollen Sie das ändern?

Ja, das finde ich schon ziemlich absurd. Wir wollen die Lebensmittelverschwendung in der gesamten Wertschöpfungskette – vom Feld bis zum Handel – reduzieren. Es hat sich gezeigt, dass es nicht reicht, auf freiwillige Vereinbarungen zu setzen, wie es die Vorgängerregierung gemacht hat. Gerade im Handel geht es um die Erleichterung von Spenden, damit nicht mehr so viel weggeworfen wird.

Dafür sind haftungs- und steuerrechtliche Fragen zu klären: Die Angst vor zivilrechtlichen Klagen ist für viele Unternehmen ein Hemmschuh. Und es könnte helfen, wenn die Umsatzsteuer bei Lebensmittelspenden auch dann wegfällt, wenn die Ware beispielsweise falsch etikettiert ist. Das mache es für den Handel attraktiver, sie zu spenden anstatt wegzuwerfen.

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