Samstag, 4. Februar 2023

Statt Gas, Öl oder Holz: Wärme aus der Kloake

In unserer Nähe gibt es bereits ein Leuchtturm Projekt dieser Art, das problemlos funktioniert:
In Gottmadingen bei Singen wurde bereits eine Schule gebaut, die zur Wärmegewinnung auf den darunter liegenden Abwasserkanal zugreift. Natürlich funktioniert das am Allerbesten wenn das Bauwerk sehr gut gedämmt ist. Die Schule wurde "fast" als Passivbau errichtet. Nicht ganz, weil die letzten paar % Punkte den aller größten Aufwand verursachen.
Solche Techniken sind also durchaus vertretbar, umsetzbar und bezahlbar -  auch von Orten, die nicht Großstadtniveau erreichen.

BR  hier  Von  Simon Plentinger und Barbara Fuß

Gas und Öl sind teuer geworden und schlecht fürs Klima. Holz will die EU nur noch eingeschränkt als nachhaltigen Brennstoff einstufen. Eine Alternative mit großem Potenzial: Wärme aus Abwasser. Ein Leuchtturmprojekt entsteht gerade in Bamberg.

Heizöl oder Gas sind teuer geworden und schaden als fossile Energieträger mit ihren Emissionen dem Klima. Wegen der hohen Gaspreise wurde zuletzt Holz als Brennstoff stark nachgefragt. "Holz könnte die Energieversorgung der Zukunft sein, das ist aber leider nicht so", sagt dazu Volker Stockinger, Professor für Maschinenbau und Versorgungstechnik an der Technischen Hochschule in Nürnberg. Denn Holz wächst zwar nach, doch auch hier wird beim Verbrennen CO2 frei.

Wärme aus der Umgebung nutzen

Volker Stockinger hat eine klare Vision, wie die Wärmeversorgung der Zukunft stattdessen aussehen sollte. An einem White Board erläutert er seinen Studierenden in der Vorlesung, wie das funktioniert: Man kann Wärme aus der Umgebung nutzen - aus der Luft, dem Boden und sogar aus unserem Abwasser.

In einer Baugrube in Bamberg entsteht schon genau das, worin der Nürnberger Professor die Zukunft sieht - und zwar auf dem Gelände der ehemaligen Lagarde-Kaserne. Zwischen mehrstöckigen Neubauten stehen Baukräne, in Gruben liegen verlegte Rohre noch offen. Hier sollen Heizwärme und Warmwasser für rund 1400 Wohnungen künftig mit erneuerbaren Energien geliefert werden - mindestens zu 70 Prozent, frei von Emissionen. Es ist Wärme, die direkt vor Ort gewonnen wird.

Dabei müssen im Boden oder im Abwasser gar keine hohen Temperaturen herrschen. Die Wärmeenergie reicht aus, um mit Hilfe der Technik moderner Wärmepumpen so verdichtet zu werden, dass damit Räume beheizt und Wasser für Bad, Dusche und Küche erhitzt werden können.

Bei modernen Einfamilienhäusern kommt so eine Technik mittlerweile standardmäßig zum Einsatz, doch ist sie im großen Maßstab etwa für Wohnblocks mit vielen Wohnungen noch Neuland. Dennoch ließen sich mit solchen erneuerbaren und quasi fast kostenlosen Wärmequellen sogar ganze Stadtviertel versorgen, so Stockingers Vision.

Holz als Wärmequelle für die Zukunft ungeeignet

Warum das sinnvoll ist, versucht der Professor seinen Studierenden zu veranschaulichen. Zu seiner Vorlesung bringt er einen Kanister Öl und einen Korb mit Brennholz mit. Er greift in den Korb und hält zwei dicke Holzscheite hoch. So viel Holz kann einen Liter Öl ersetzen. Die EU will Holz aber nur noch eingeschränkt als nachhaltige Energiequelle einstufen. Sobald wir das Holz schneller verfeuern, als es nachwächst, ist es mit der Nachhaltigkeit vorbei. Außerdem wird dabei wieder CO2 frei.

Bäume nehmen beim Wachsen mit der Photosynthese CO2 auf und speichern es als Kohlenstoff im Holz. Solange das Holz nicht verbrannt wird oder sich zersetzt, bleibt dieses CO2 gebunden und ist aus der Atmosphäre entfernt. Darum sollte es idealerweise in Häusern als Baustoff verwendet werden, findet Volker Stockinger, um das CO2 langfristig zu binden. Holz sollte seiner Meinung nach aber besser nicht als erneuerbare Energiequelle verbrannt werden.

Im Winter Wärme, im Sommer Kälte aus dem Boden

Das Bauprojekt auf dem Gelände der ehemaligen Lagarde-Kaserne ist ein ehrgeiziges Projekt, das vom Bund gefördert wird. Aber auch eine große Herausforderung, sagt Stefan Loskarn von den Stadtwerken Bamberg. Er teilt die Vision des Nürnberger Professors, aber: "Wir haben hier in Lagarde, wie auch in vielen anderen städtischen Gebieten, sehr enge dichte Bebauung; damit wird der Raum für erneuerbare Energien aus der Erde und auch für Photovoltaik geringer", sagt Loskarn. Darum müsste man verschiedenste Systeme miteinander kombinieren, um den Gesamtbedarf abzudecken.

Eine Quelle, die hier die Wärme liefert, ist der Boden. Unter den Neubauten liegen schon großflächig Erdkollektoren, die Wärme aus den Boden aufnehmen. Dazu kommen sogenannte Erdsonden, die die Temperatur in tieferen Schichten in einem Solegemisch absorbieren. Je nach Jahreszeit wärmt oder kühlt das Wohnungen und Gewerbebauten – mithilfe von Wärmepumpen.

Wärme aus Abwasser könnte 30 Prozent der Heizenergie für Wohnungen abdecken

Dazu kommt noch eine andere Heizquelle: Wärme aus Abwasser. Noch wird sie selten genutzt in Deutschland. Dabei fließt erwärmtes Bade-, Dusch- und Toilettenwasser überall durch unsere Kanäle. Unter der Straße sind bereits sogenannte Wärmetauschmatten im unterirdischen Abwasserkanal verlegt worden. Über eine Strecke von 250 Metern nehmen sie dort die Abwasserwärme auf und leiten sie ins Nahwärmenetz. Das soll mindestens die Hälfte der benötigten thermischen Energie für die Wohnungen liefern.

Stefan Loskarn von den Bamberger Stadtwerken wundert sich, dass nicht bereits mehr Kommunen dieses Potential nutzen: "Die Abwasserwärmenutzung hat das Potential, etwa 30 Prozent des gesamtenergetischen Bedarfs für das Wohnen abzudecken", so Loskarn.

Wissenschaftliche Auswertung soll mehr Kommunen überzeugen

Der Projektleiter der Stadtwerke in Bamberg geht davon aus, dass sich das Potential der im Lagarde-Campus verwendeten Technologien in den nächsten Jahren noch steigern und auch für Bestandsgebäude nutzen nutzbar machen lässt.


Die Forschungsgruppe von Professor Volker Stockinger an der technischen Hochschule in Nürnberg wertet genau aus, wie gut das Zusammenspiel von Abwasser- und Bodenwärme auf dem Lagarde-Gelände funktioniert. Das sei wichtig, damit bald noch mehr Kommunen den Mut haben, Baugebiete komplett neu energetisch zu denken, so Stockinger.

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