Klimaräte gibt es inzwischen mehrere - man darf gespannt sein, wie sie sich bewähren.
Haben die Ergebnisse überhaupt eine Chance auf Umsetzung?
Auch im Klimarat Österreich ploppt unversehens ein bekanntes Muster auf, das ich aus der Lokalpolitik bei uns nur zu gut kenne: Gegner von Bürgerbeteiligungen behaupten gerne aus dem hohlen Bauch heraus "das Gremium sei doch gar nicht repräsentativ“.
Punkt - damit ist schon Alles heiß diskutierte von vorne herein abgewertet und verworfen.
Auf geht`s zum "Weiter so", die Macht ist erst mal gesichert. Mitbeteiligung verschoben....
Der Freitag hier Martin Leidenfrost Ausgabe 25/2022
Der Klimarat war ein „Mini-Österreich“, das im Vorjahr an sechs Wochenenden klimapolitische Empfehlungen auszuarbeiten hatte. Anders als beim deutschen „Bürgerrat Klima“ war die gewählte Methode nicht primär Abstimmen, sondern „systemisches Konsensieren“. Jüngst fand die letzte Sitzung statt, es ging ans Eingemachte. Der wissenschaftliche Beirat hatte vernehmen lassen, dass die erarbeiteten Empfehlungen noch nicht ausreichten; die Themen Fleischkonsum, Tempo 30/100 in Städten bzw. auf Autobahnen sowie ein Zwang von Immobilienbesitzern zum Heizungstausch waren noch umstritten.
Die „Statistik
Austria“ hatte 2.003 Menschen nach den Merkmalen Wohnort, Alter,
Geschlecht, Bildung und Einkommen ausgewählt und per Fragebogen befragt,
die Einstellung zum Klimaschutz – ob positiv oder negativ – spielte in
der Auswahl keine Rolle.
Die Teilnehmer erklärten sich implizit damit
einverstanden,
dass a) über die Existenz des Klimawandels als solchen
nicht diskutiert wurde,
dass b) der grünen Klimaministerin nahestehende
Experten den Klimarat begleiteten
und c) das Ziel der Beratungen
vorgegeben war – Österreichs Klimaneutralität bis 2040.
Bei der letzten Sitzung nun zählte der Klimarat noch rund 90 Mitglieder. Die wuselten aufgekratzt durchs Salzburger Vier-Sterne-Hotel Heffterhof. Eine Innviertler Abiturientin sagte zu einer Evaluatorin von der Donau-Universität Krems: „Die Bevölkerung zu sensibilisieren, da braucht’s noch viel mehr.“ Ein älterer säkularer türkischstämmiger Bildungsbürger aus Salzburg-Land sagte zu mir: „Für die Erde ist es ein Wandel, für uns ist es eine Krise.“
Das Mittagsbuffet war erstaunlich fleischig (Rind). Es gab eine größere Tafel der Alten und einen mittelgroßen Jugendtisch, ich setzte mich zu den fünf Teenagern. Nicht alle wählten grün, für Klimapolitik brannten alle, und sie liebten ihre Bundesländer-ÖPNV-Jahrestickets für 120 Euro. Der Repräsentant der steirischen Landjugend war vom Autofahren so weit weg, dass er den Führerschein „Autoschein“ nannte, der androgyne Jüngling mit den blau lackierten Fingernägeln bezeichnete Wehrdienstleistende als „Kadetten“. Die Vertreterin der Oberkärntner Dorfjugend fragte mich in gestochenem Bühnendeutsch, ob ich für die Bild-Zeitung schreibe. In diesem Fall hätte sie nichts gesagt. Die Namen der Blätter, für die ich schreibe, besänftigten sie. Auch so sagte sie lieber nichts.
Gemeinsames Ziel Klimaneutralität 2040
Es wurde in den Konferenzsaal gebeten. Da beim Klimarat gegendert wurde, merkte ich auf, als sich zwei Hünen mittleren Alters genervt über „Gendern“ und „Sterne“ äußerten. Offenbar gab es auch einige rechte Klimaräte. Bei der Kaffeemaschine leierten zwei beherzte Damen vom Altentisch die Gründung eines „Après-Klimarat-Vereins“ an, sie wollten in Kontakt bleiben.
Im Saal wurden unablässig Folien projiziert: „Marktplatz der Klimarats-Empfehlungen“ oder „Bürger:innenbrief an Bundesminister:innen“. Ein launiger Landesminister, der seine Zugehörigkeit zur großen rechten Regierungspartei ÖVP gewandt zu kaschieren verstand, eröffnete die Session. Empörung entlud sich gegen den abwesenden Klimasprecher der ÖVP, weil dieser den Klimarat „in keiner Weise repräsentativ“ genannt hatte.
Dann, einen Tag vor dem „wunderbaren feierlichen Abschluss“, mussten die Journalisten raus. Eine grün-progressive Kollegin grillte den ÖVP-Landesminister. Ich bekam noch ein Interview mit dem gewandten Moderator, einem durch „30 Jahre Bürgerbeteiligungsverfahren“ gestählten Tiroler. Der wissenschaftliche Beirat, den die Arbeitsgruppen stets nur „auf Anfrage hinzugeholt“ hätten, sei vom Ergebnis „hoch beeindruckt“, sagte er. Die Wissenschaftler hätten manches zwar anders entschieden, doch hätten die Bürger „den Filter der eigenen Lebensrealität“ eingebracht. Die Haltung des Klimarats sei: „Wir sind der Souverän und entscheiden, welche Empfehlungen rausgehen.“
Das war der Moment, um nach der Methode des „systemischen Konsensierens“ zu fragen. Der Moderator erklärte mir, dass am Ende doch abgestimmt wurde: „Wo es mehr als neun schwerwiegende Einwände gab und eine Empfehlung dem gemeinsamen Ziel Klimaneutralität 2040 entgegenstand“. Doch gilt dieses Ziel als nicht mehr verhandelbar. Erst Anfang Juli – ein barrierefreies pdf-Dokument u. a. für Gehörlose braucht Zeit – werden die Empfehlungen des Klimarats veröffentlicht. Ich bin gespannt wie ein Flitzebogen.
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