Freitag, 1. Juli 2022

Update: Erste Ergebnisse zum 9-€-Ticket

 Verkehr Badische Zeitung hier   Von Dominik Bloedner  Do, 30. Juni 2022

Das 9-Euro-Ticket führt in Freiburg wohl zu weniger Stau

Es sollte auch den Autoverkehr verringern: Das 9-Euro-Ticket lockt die Menschen in Busse und Bahnen. Aktuelle Daten zeigen, dass dies in Freiburg ein Stück weit gelungen sein könnte.

Der Verkehrsdatenspezialist TomTom vermeldet für 23 von 26 untersuchten deutschen Städten einen Rückgang des Stauniveaus im Vergleich zur Zeit vor Einführung des 9-Euro-Tickets, darunter auch Freiburg. Verglichen wurden die beiden Kalenderwochen 20 und 25, also die Zeiträume zwischen 16. und 20. Mai und 20. und 24. Juni. Das Stauniveau in Freiburg sank demnach von 35 Prozent auf 28 Prozent, in neun von zehn Rushhours lag das Niveau im Mai demnach über dem vom Juni.

Ausgehend von einem freien Verkehrsfluss, wie er etwa in der Nacht herrscht, wird die zusätzliche Reisezeit bei Staus und zähfließendem Verkehr mit Hilfe der Prozentzahl angegeben. Ein Stauniveau von 35 Prozent bedeutet also, dass eine Fahrt durchschnittlich 35 Prozent länger dauert, als sie ohne Verkehrsbehinderung dauern würde. Der Untersuchungszeitraum, die sogenannte Rush Hour, liegt dabei zwischen 6 und 10 Uhr sowie zwischen 15 und 19 Uhr. Das niederländische Unternehmen hat hierfür Daten verwendet, die auf anonymisierten GPS-Messungen basieren. Jedes vierte Fahrzeug in Deutschland liefert nach Firmenangaben diese Daten an TomTom.

Freiburg ist nicht die Ausnahme: In den anderen untersuchten baden-württembergischen Städten sind die Daten vergleichbar. So sank das Stauniveau in Stuttgart im Untersuchungszeitraum von 36 auf 30 Prozent, in Mannheim von 31 auf 27 Prozent. In Karlsruhe blieb das Stauniveau bei 36 Prozent allerdings unverändert.


Zusammenhang mit 9-Euro-Ticket liegt nahe

"Der Rückgang des Zeitverlusts fällt von Stadt zu Stadt unterschiedlich stark aus", sagt TomTom-Verkehrsexperte Ralf-Peter Schäfer. Besonders stark fiel die Verbesserung demnach beim Stauniveau in Hamburg und Wiesbaden aus. Dort sank das Stauniveau um 14 beziehungsweise 13 Punkte. Das bedeutet, dass Autofahrer auf einer Strecke, die ohne Verkehr 30 Minuten dauern würde, im Hamburg im Schnitt 4,2 Minuten weniger verloren, in Wiesbaden 3,9 Minuten.

Die Daten "lassen vermuten, dass dieser Rückgang in Zusammenhang mit der Einführung des 9-Euro-Tickets steht", so Schäfer weiter. "Pendler haben bei der Fahrt mit dem Auto in die Arbeit und nach Hause in fast allen untersuchten Städten im Juni weniger Zeit verloren als noch im Mai."

Rund 21 Millionen 9-Euro-Tickets verkauft

Seit dem Verkaufsstart Ende Mai sind bis Donnerstag bundesweit rund 21 Millionen Neun-Euro-Tickets verkauft worden. Dazu kommen etwa zehn Millionen Abonnentinnen und Abonnenten, die das vergünstigte Ticket automatisch erhalten, wie der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) mitteilte. Damit sei die vorher von der Branche kalkulierte Zahl von 30 Millionen Tickets pro Monat nicht nur erreicht, sondern sogar leicht überschritten worden.

VDV-Präsident Ingo Wortmann sagte, die Marktforschung zeige, dass die Mehrheit der Kundinnen und Kunden das Neun-Euro-Ticket nicht für Ausflugs- oder Urlaubsfahrten nutze, sondern im Alltag. "Damit tritt bei diesen Fahrgästen auch die von der Bundesregierung erhoffte Entlastungswirkung bei den alltäglichen Mobilitätskosten ein."

Wortmann forderte von der Bundesregierung erneut "Finanzierungssicherheit" für die Zeit ab September, wenn das Neun-Euro-Ticket ausläuft. Die Kosten der Verkehrsunternehmen "explodieren" durch die steigenden Strom- und Dieselpreise, wie er sagte. "Wenn hier keine Lösungen gefunden werden, dann reden wir entweder über notwendige deutliche Preissteigerungen oder über Angebotseinschränkungen" im öffentlichen Personennahverkehr.


In der Tagesschau am 30.6.22  hier wird ganz Ähnliches gesagt: 

Gewaltiger Zuspruch und weniger Staus

Ergänzend heißt es:

Kaufbereitschaft offenbar hoch

Unklar ist, wie das Ticket tatsächlich genutzt wird. Die Deutsche Bahn, über deren Kanäle ein Großteil der Sonderfahrkarten verkauft wird, spricht von einem Fahrgastzuwachs von 10 bis 15 Prozent im eigenen Regionalverkehr im Juni im Vergleich zum Niveau vor der Corona-Krise. Allerdings vergleicht das Unternehmen dabei unterschiedliche Zeiträume, nämlich den Juni dieses Jahres mit der Nachfrage von Ende 2019. Die Aussagekraft des Vergleichs ist somit begrenzt.

Fakt ist: Insbesondere auf den touristischen Strecken waren Busse und Bahnen voll.
Umfragen des VDV zufolge sollen die Menschen auch für Juli eine ähnlich hohe Kaufbereitschaft signalisiert haben. Präsident Wortmann sagte, die Marktforschung zeige, dass die Mehrheit der Kundinnen und Kunden das 9-Euro-Ticket nicht für Ausflugs- oder Urlaubsfahrten nutze, sondern im Alltag.

"Damit tritt bei diesen Fahrgästen auch die von der Bundesregierung erhoffte Entlastungswirkung bei den alltäglichen Mobilitätskosten ein." Wortmann forderte von der Bundesregierung erneut "Finanzierungssicherheit" für die Zeit ab September, wenn das 9-Euro-Ticket ausläuft. Die Kosten der Verkehrsunternehmen "explodieren" durch die steigenden Strom- und Dieselpreise, wie er sagte. 

Städtetag pocht auf zusätzliche Mittel

Auch der Deutsche Städtetag mahnte eine Nachfolgeregelung an: "Wir müssen wissen, wie es nach dem Sommer weitergeht", sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy der "Rheinischen Post". Es gehe darum, ob man "aus dem Hype eine Verkehrswende macht oder ihn verpuffen lässt".

Die Städte wollten den "Rückenwind" nutzen für Investitionen in bessere Takte und moderne Fahrzeuge, sagte Dedy. "Dafür brauchen wir aber die von der Koalition versprochenen höheren Bundesmittel für den Nahverkehr. Und die Länder müssen mitziehen." Ohne zusätzliche Mittel müssten viele Städte und Verkehrsunternehmen ab Herbst ihr ÖPNV-Angebot einschränken oder Tarife anheben, warnte Dedy. 

Länder bestehen auf mehr Geld

SPD-Parlamentsgeschäftsführerin Katja Mast machte gegenüber der "Rheinischen Post" allerdings deutlich, dass es ein so preiswertes Angebot wie das 9-Euro-Ticket künftig nicht mehr geben dürfte. "Dass all das nicht dauerhaft nur neun Euro kosten kann, ist aber auch klar."

Der Bund will die prognostizierten Ticket-Mindereinnahmen in Höhe von 2,5 Milliarden Euro den Ländern vollständig erstatten. Die Länder fordern aber seit langem mehr Geld vom Bund. Derzeit berät eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe zum "Ausbau- und Modernisierungspakt ÖPNV" unter anderem auch über die Höhe der sogenannten Regionalisierungsmittel, die der Bund den Ländern für den ÖPNV gibt. 

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