Spektrum hier von Ralf Stork
»Anhaltend und systematisch« gegen bessere Luft
Es gab einmal eine Zeit, da war Deutschland der internationale
Motor in Sachen Umweltpolitik. Ja, wirklich. Nicht der Diesel mit
Schummelsoftware, sondern eher der De Lorean aus »Zurück in die Zukunft«,
Teil 1, der nicht mehr mit Plutonium gefüttert werden muss, sondern mit
Biomüll. Kaum war 1986 ein eigenes Bundesumweltministerium gegründet, da
schwamm zwei Jahre später der damalige Umweltminister Klaus Töpfer durch den
dreckigen Rhein, um zu zeigen, wie sauber der wieder geworden war. 1991 löste
das Stromeinspeisungsgesetz einen Boom bei der Entwicklung von
Windkraftanlagen aus. Ebenfalls 1991 wurde in Deutschland der Grüne Punkt
erfunden und mit ihm das Gefühl vieler Deutscher, auf ewig Recyclingweltmeister
zu sein. Anfang des Jahrtausends vollzog die Solarbranche schließlich einen
fast schon kometenhaften Aufstieg. Es war die große Zeit »of the German
Energiewende«, wie der Engländer sagt.
Geblieben ist davon die Selbstgewissheit, dass Deutschland in Sachen Umweltschutz
und Umweltstandards die Nase ganz vorne hat. Es ist fest im kulturellen
Gedächtnis verankert. Der Wahrheit entspricht das allerdings nicht: Der Höhenflug der
Solarbranche ist seit knapp zehn Jahren vorbei. Die Konkurrenz aus China, aber
auch die empfindliche Kürzung der Förderprogramme haben ihr den Garaus gemacht.
Den Trend zu Elektromotoren haben die deutschen Autobauer lange Zeit
verschlafen oder ignoriert. Und wenn es darum geht, ambitionierte
Umweltstandards für die EU zu setzen, schaltet Deutschland eher in den
Leerlauf: Das jetzt vorgestellte EU-Klimapaket »Fit for 55« geht
allein auf die EU-Kommission zurück. In der deutschen Regierung wird
es eher vorsichtig bewertet. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer hat
jedenfalls schon mal Kritik geäußert, weil Flugbenzin endlich EU-weit besteuert werden soll.
Auch wenn die Klimastrategie innerhalb der Kommission selbst Kritiker hat
und der langwierige, zähe Verhandlungsprozess, der zur Umsetzung führt, nicht
einmal begonnen hat – ein ähnlich umfassendes und einschneidendes
Klimaschutzkonzept muss man weltweit suchen.
Der Welt steht ein
Umbruch bevor – ob die Menschheit will oder nicht: Die Landwirtschaft
muss nachhaltig und fit für den Klimawandel werden, gleichzeitig gilt es, eine
wachsende Weltbevölkerung mit wachsenden Ansprüchen zu versorgen. Was bedeutet
das für unsere eigenen Ansprüche? Und was für Umwelt und die Lebewesen darin?
In »Storks Spezialfutter« geht der
Umweltjournalist Ralf Stork diesen Fragen einmal im Monat auf den Grund.
In Deutschland wird man es nicht finden. Hier zu Lande geht die Umwelt- und
Klimaschutzpolitik nicht nur nicht voran, die Bundesrepublik tritt auch ganz
bewusst und aktiv auf die Bremse. Dass das so ist, gibt es seit Kurzem
auch schriftlich: Im Juni hat der Europäische Gerichtshof die Bundesrepublik
verurteilt, weil sie »anhaltend und systematisch« die Grenzwerte für
Stickstoffdioxid überschritten hat......
In der Tat hat sich die Stickstoffdioxidbelastung in Deutschland in den
vergangenen Jahren erheblich verringert. Das hat aber kaum etwas mit den
Bemühungen von Staats wegen zu tun. Der Rückgang liegt maßgeblich auch
an der Deutschen Umwelthilfe (DUH), die immer wieder auf Einhaltung der Grenzwerte
gepocht hat.....
Wenn das Klimapaket der EU-Kommission in den kommenden Monaten nicht bis
zur Unkenntlichkeit verstümmelt wird, könnte es mit verbindlichen
Klimaschutzregeln in Zukunft ähnlich laufen. Die EU geht voran.
Die Bundesrepublik verpflichtet sich wie die anderen Mitgliedsländer zur
Umsetzung der vereinbarten Maßnahmen. Hält sie sich nicht daran, kann sie
wenigstens durch Klagen dazu gezwungen werden.
Die Einschränkungen, die das mit sich bringt, werden über ein paar lokale
Dieselfahrverbote weit hinausgehen müssen. Der von Deutschland gewählte Ansatz,
dass sich das Problem mit der Zeit schon irgendwie von selbst lösen wird, hat
schon bei der Luftreinheit nicht geklappt. Beim Klimawandel würde er noch
dramatischer scheitern.
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