Letzteres
sicher nicht – sogar ganz im Gegenteil, wie diese aktuelle Auswahl
an Beispielen zeigt:
- Diese Woche haben
Forscher in der Fachzeitschrift »PNAS« einen beunruhigenden Befund vorgelegt:
Messungen legen demnach nahe, dass im Norden von Sibirien der
tauende Permafrostboden das extrem klimaschädliche Methan
freisetzt. Bestätigt sich die Entwicklung, könnte das den
Klimawandel noch einmal deutlich beschleunigen. Die
Permafrostböden weltweit sind ein gigantischer
Kohlenstoffspeicher, rund 20 Prozent der Landfläche der Erde
sind davon bedeckt – und drohen zu tauen, wie Forscher immer
wieder berichten.
- Jetzt schon rasant
schreitet die Schmelze am grönländischen Eisschild voran,
wie Wissenschaftler vor ein paar Tagen meldeten. Der
Eisschwund sei »massiv«, letztes Wochenende hieß es, es gebe
Tage, an denen bis zu acht Milliarden Tonnen Eis verschwinden,
das sei das Doppelte des üblichen Wertes im Sommer. Laut einer
im Januar veröffentlichten europäischen Studie wird der
Meeresspiegel bis zum Jahr 2100 um zehn bis 18 Zentimeter
ansteigen – oder 60 Prozent schneller als bisher angenommen –,
wenn der grönländische Eisschild so schnell schmilzt wie
jetzt.
- Die schweren
Brände in Griechenland und der Türkei, aber auch die nach wie
vor prekäre Lage im Westen der USA machen den Betroffenen vor
Ort schwer zu schaffen. Allein das »Dixie-Fire« in Kalifornien
hat mittlerweile eine Fläche größer als das Saarland
niedergebrannt. Da Extremwetter wie Trockenheiten bei
fortschreitendem Klimawandel zunehmen und auch die Brandgefahr
steigt, darf die aktuelle Lage als lautes Warnsignal gewertet
werden: Noch hat sich die Erde »erst« um global gemittelt rund
1,1 Grad erwärmt, dabei wird es aber nicht bleiben.
Derzeit
spielt das Wetter an mehreren Orten der Welt gleichzeitig verrückt
– und die Effekte verstärken sich gegenseitig. Brennen Wälder, wird
gebundenes CO₂ frei, was die Erwärmung steigert, taut der arktische
Permafrostboden und setzt Methan frei, wird die Atmosphäre weiter
aufgeheizt, was die Schmelze antreibt.
Ab einem
gewissen Punkt können Kipppunkte im Klimasystem ins Wanken geraten,
ab dann können irreversible Prozesse in Gang gesetzt werden (wie
weit dieser Prozess schon eingesetzt hat, ist Gegenstand der Titelgeschichte des neuen SPIEGEL,
die ich Ihnen besonders empfehlen möchte).
Ein eigenes Klimaschutzministerium überzeugt nicht
Im
Bundestagswahlkampf sind all diese Entwicklungen bisher kaum Thema.
Nicht einmal die schwere Flut in Deutschland hat dazu geführt, dass
die Klimakrise im Kandidatenrennen um das Kanzleramt eine größere
Rolle eingenommen hat (warum das so ist und ob sich das noch
ändert, haben wir diese Woche im Klimapodcast diskutiert).
Einzig der
Vorschlag der Grünen im Falle eines Wahlsieges, ein eigenes, mit Vetorecht ausgestattetes
Klimaschutzministerium gründen zu wollen, drang
durch. Ein Vorschlag allerdings, der nicht überzeugt. Die Partei
macht den gleichen Fehler wie viele Politikerinnen und Politiker
zuvor: Klimaschutz in einem einzelnen Ressort anzusiedeln ist schon
lange nicht mehr zeitgemäß, vielmehr müssen sich alle Ressorts –
vom Außenministerium über Wirtschaft bis Verkehr und Gesundheit –
für die Einhaltung der Pariser Ziele verantwortlich fühlen, wenn
die Klimaneutralität bis 2045 gelingen soll. Zuvorderst das
Kanzleramt.
Ein eigenes
Ministerium für diese Querschnittsaufgabe sendet daher das falsche
Signal. Wenn der Rest der Regierung die Füße hochlegt, wird auch
ein aufgewertetes Klimaschutzministerium nicht viel bewirken.
Der Vorwurf
an die Parteien, sie würden kaum relevante Themen setzen, ist
schnell gemacht. Aber fordern die Wählerinnen und Wähler sie
überhaupt ein? Ein paar Wochen bleibt dafür noch Zeit.
|
Die Themen der Woche
Weltweite Dürren und Hochwasser: Wo
das Klima kippt – und wo wir noch eine Chance haben
Die besten Wissenschaftler des Planeten haben
ausgerechnet, welche konkreten Folgen die Erderwärmung
hat: von der Eifel bis nach Sibirien. Die
SPIEGEL-Titelstory.
Karrieren: »Last warning«
Arnold Schwarzenegger war Mr Universum, Schauspieler
und Gouverneur von Kalifornien. Nun will er als
Klimaaktivist mit Esel und Elektro-SUV die Welt vor
einer Katastrophe bewahren. Ein Hausbesuch in Los
Angeles.
»Klimabericht«-Podcast: Wo bleibt
der Klima-Wahlkampf?
Auch mehrere Wochen nach den schweren Fluten will eine
Debatte über die Klimakrise in Deutschland nicht recht
Fahrt aufnehmen. Woran liegt das? Hören Sie die Analyse
in unserem neuen Podcast »Klimabericht«.
Empörung über Erdoğan wegen
Waldbränden: »Ich werde weinen vor Wut«
Verheerende Feuer bringen Präsident Erdoğan in
Bedrängnis, viele Türken werfen der Regierung
Untätigkeit vor: Sie besitzt kein einziges
funktionsfähiges Löschflugzeug. Und der Staatschef?
Wirft Teebeutel auf Passanten.
Tauender Permafrostboden in
Russland: Forscher entdecken Gefahr durch unterirdische
Methanspeicher
In Sibirien haben Forscher erhöhte Konzentrationen von
Methan in der Luft festgestellt. Der Gasausstoß stammt
vermutlich nicht von Mikroben, sondern aus
unterirdischen Höhlen – und könnte den Klimawandel
verschärfen.
Temperaturen von mehr als 20 Grad:
Grönländischer Eisschild schmilzt massiv ab
Weil es in Grönland ungewöhnlich warm ist, schmelzen
dort Polarforschern zufolge jeden Tag acht Milliarden
Tonnen Eis – das würde reichen, um ganz Florida fünf
Zentimeter unter Wasser zu setzen.
Hochwasserschutz: Deutschland kann
von Bangladesch lernen
Monsun, Wirbelstürme, Überschwemmungen: Bangladesch
erlebt regelmäßig extremes Wetter und hat seinen
Katastrophenschutz darauf eingestellt. Was Deutschland
davon übernehmen könnte, erklärt der Klimatologe
Saleemul Huq.
Klimaschutz: Forschungsministerin
Karliczek bringt Ende innerdeutscher Flüge ins Spiel
Umweltschützer fordern bereits seit Langem,
Kurzstreckenflüge innerhalb Deutschlands abzuschaffen.
Inzwischen gilt diese Position auch in der CDU nicht
mehr als abwegig.
Mit alter Infrastruktur im Revier:
Diese Frau will das Ruhrgebiet zur Wasserstofffabrik
Deutschlands machen
Die RWE-Managerin Sopna Sury will das Ruhrgebiet in
eine Vorzeigeregion für ökologischen Wasserstoff
verwandeln. Helfen sollen ihr dabei ausgerechnet die
Überbleibsel des fossilen Zeitalters.
|
|
|
|
|
|
|
|
Bleiben Sie zuversichtlich
Ihr Kurt
Stukenberg
|
|
|
|
|
|
|
|
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen