Mittwoch, 4. August 2021

Katastrophe, aber ohne Natur

Die Zeit hier

So sieht also die Welt aus, mit nur einem kleinen bisschen Klimakrise: In Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz haben 170 Menschen ihr Leben im Hochwasser verloren, Bewohnerinnen und Bewohner warten auf die versprochenen Hilfen, um ihre Dörfer wieder aufzubauen – und fragen sich gleichzeitig, wie sinnvoll das ist. Denn durch die Klimakrise werden Extremereignisse wie Starkregen häufiger, und auch wenn der Deutsche Wetterdienst noch nicht von einem Trend sprechen will, misst er seit zwanzig Jahren einen Anstieg.

Gleichzeitig leidet Griechenland unter einer Hitzewelle, auf mehr als 40 Grad Celsius steigt dort das Thermometer tagsüber – Temperaturen, die schlicht zu hoch sind für den menschlichen Körper. Derweil wüten in der Türkei massive Waldbrände, die Hunderten von Menschen ihr Zuhause nehmen und ganze Dörfer zu Asche machen

Auch in den USA brennen, mal wieder, die Wälder, in Kalifornien und Oregon. Der Rauch ist vom Jetstream gen Osten geblasen worden, tagelang hing er über New York City und legte die Stadt unter einen braunroten, giftigen Schleier. Und der Mittlere Westen der USA leidet derweil unter einer Dürre. Man könnte diese Liste ergänzen, etwa um die Hitze, die den grönländischen Eisschild massiv schmelzen lässt, oder um schlechtere Ernten bei Hopfen (Bier!), Kakao (Schokolade!) und Kaffee (Iced Latte!) – all das verdeutlicht die Gleichzeitigkeit der Klimakrise. Sie kann alle treffen, egal wie arm oder reich. Das ist nicht Politik, das ist Physik, mit einem Update nachzulesen im ersten Teil des neuen Berichts des Weltklimarats IPCC, der in der kommenden Woche veröffentlicht wird.

Allerdings kann man fragen, ob das überall angekommen ist. Denn es gibt eine andere Gleichzeitigkeit, eine des Versagens, des Verdrängens: Der Shell-Boss sagt im britischen Guardian, dass er in den kommenden Jahren so weiterwirtschaften will wie bisher – dem Gerichtsbeschluss zum Trotz, wonach der Konzern bis 2030 45 Prozent weniger CO₂ emittieren muss. Nur ein Teil der Länder hat, wie abgemacht, vor der nächsten Klimakonferenz im Herbst in Glasgow neue Ziele vorgelegt – und selbst bei denen, die es getan haben, reichen die Maßnahmen nicht aus, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Und in Deutschland verschließt der Kanzlerkandidat von CDU/CSU im Wahlkampf die Augen vor der Klimakrise, obwohl sie selbst in dem Bundesland, das er seit vier Jahren regiert, längst Realität ist.

Was gerade passiert, ist keine Ausnahme, sondern das neue Normal. Das anzuerkennen ist das Mindeste, was man von Entscheidungsträgern verlangen kann. Ein Anfang wäre gemacht, wenn von Fluten, Feuern und Hitzewellen nicht mehr als Naturkatastrophen gesprochen wird. Die passieren seit Jahrtausenden. Aber was die Welt gerade erlebt, überkommt die Menschheit nicht einfach so – es ist ihr Werk.

1 Kommentar:

  1. ... das was wir jüngst an Naturkatastrophen erlebt haben ist nur ein Hauch von Symptomen für das was in den nächsten Jahren auf uns zukommt. Ca. 1100 Gt CO2 zuviel in der Atmosphäre i. Vgl. zur vorindustriellen Zeit (280ppm). Da macht es kaum einen Unterschied ob wir der Atmosphäre weiterhin 40Gt p.a. zusätzlich anvertrauen. Die Emissionen der letzten Dekaden machen sich erst heute allmählich bemerkbar (Gedächtnis der Erdsphären besonders der Ozeane). Die atm. CO2 und CH4 Konzentrationen nehmen beschleunigt zu, die Ursachen werden nur vermutet. Wissenschaftler schließen nicht aus, dass wir bereits einen Kipppunkt erreicht haben. Die ökonomisch-ökologische Komplexität überfordert Politik und Wirtschaft. Und Konzepte, Technologien um zumindest ein paar hundert Gt aus der Atmosphäre zurückzuholen haben wir nicht. Wacht endlich auf. Herzliche Grüße.

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