Montag, 16. August 2021

Wohnquartier Haslachmühle beschäftigt die Menschen in Horgenzell

2 Leserbriefe zum Bericht „Neues Wohnquartier Haslachmühle" (Schwäbische Zeitung vom 5. August) und zum Artikel „ Horgenzeller sorgen sich um ihre Gemeinde“ (SZ vom 4. August) 


Umdenken in den Köpfen der Verantwortlichen 

Die Gemeinde Horgenzell plant gemeinsam mit den Zieglerschen ein Großprojekt von erschreckendem Ausmaß, das in keiner Relation steht zum Umfeld. 400 Neubürger sollen dort zusätzlich wohnen, der zugehörige Teilort Hasenweiler hat gerade mal 520 Einwohner. Es soll mitten im Grünen entstehen, an einem sensiblen Fließgewässer mit altem Baumbestand. Bei komplett fehlender Infrastruktur kann man davon ausgehen, dass jeder Bewohner zu fast jedem Zweck das Auto benutzen wird; dies fängt auch ein besseres Busangebot in einer so großen Flächengemeinde wie Horgenzell nicht auf. Hier wird bewusst Individualverkehr produziert und gegen das Ziel der Klimaneutralität verstoßen. In dem als Mischgebiet ausgewiesenen südlichen Teilbereich wird direkt an der Rotach auch Gewerbe angesiedelt werden. Durch den täglichen Lkw-Lieferverkehr erhöht sich die Verkehrsbelastung nochmals deutlich.

Außerdem liegt es zum Teil im Überschwemmungsgebiet der Rotach, darauf weist das Regierungspräsidium Tübingen unter anderem deutlich hin und dennoch wird im vorliegenden Bebauungsplan kein Meter mehr vom vorgeschriebenen Mindestabstand der Bebauung zum Wasser abgerückt.

Welchen Sinn haben eigentlich umweltpolitische Vorgaben wie beispielsweise die drastische Reduzierung des Flächenverbrauchs, die Erhaltung naturnaher Lebensräume oder die Reduzierung des Individualverkehrs, wenn solche Vorhaben mit Hilfe von „Gutachten“ und einem willigen Gemeinderat durchgesetzt werden können.

In einer Bürgerfragestunde wird der Einspruch von besorgten und engagierten Bürgern lapidar vom Tisch gefegt, mit der Aussage und ohne weitere Begründung, dass es nicht möglich sei, beispielsweise den Gehölzstreifen nördlich der Haslachmühle vollständig zu erhalten.

Transparenz sieht anders aus und bei einer Abstimmung mit genau einer Gegenstimme darf die Frage erlaubt sein, wessen Interessen der restliche Gemeinderat vertritt. Was muss eigentlich noch alles passieren, bis in den Köpfen der Verantwortlichen ein Umdenken stattfindet, das über den eigenen Tellerrand hinausgeht?

Maria Ammon, Horgenzell


Anmerkung von Sabine: Leider läuft dieses Bauvorhaben unter dem Deckmantel der Inklusion. Gegnerische Stimmen werden mit (Schein)Argumenten wie "Arbeitsplatzerhaltung", "Inklusionsdorf" und  "Werkstattplätze für dortige Bewohner" niedergemacht.
Aber die von betroffenen Menschen angestrebten Alternativen wie: "Mitarbeiter -Wohnungen", "Tinyhaussiedlungen" , ausgearbeitete " inklusive Konzeptionen" und "Erhalt des Altbestandes" werden in keiner Weise einbezogen.


„Echte Bürgerbeteiligung erforderlich“

Das neue Wohnquartier Haslachmühle soll Wohnraum für etwa 350 Menschen schaffen, das neue Wohngebiet Moosgatter in Hasenweiler bietet Platz für weitere 160 Einwohner, und in der Haslachmühle selbst befinden sich etwa 150 Wohnplätze für mehrfachbehinderte Menschen. Das sind mehr als der Kernort Hasenweiler (rund 500 Einwohner) selbst im Moment aufweist!

Dieser gravierende Bevölkerungszuwachs ist mit dem 2015 im Rahmen des Gemeindeentwicklungsplans „Horgenzell 2030+“ beschlossenen, moderaten Bevölkerungswachstum in keinster Weise mehr vereinbar.

Bei einem solch großen Projekt wie das „Inklusionsdorf Haslachmühle“, das die gesamte Raumschaft, das Leben der Einwohner und den empfindlichen Naturraum Rotachtal so nachhaltig negativ beeinträchtigt, wäre laut §20 der Gemeindeverordnung Baden-Württemberg eine rechtzeitig angestoßene, echte Bürgerbeteiligung erforderlich gewesen.

Die Ansiedlung so vieler Neubürger und das geplante Mischgebiet in unmittelbarer Nähe zu dem sensiblen Ökosystem entlang der Rotach überfordern bei Weitem die spärlich vorhandene Infrastruktur in diesem ländlich geprägten Raum und stellen eine erhebliche Belastung für alle umliegenden Dorfgemeinschaften dar, alleine bereits durch das massiv erhöhte Verkehrsaufkommen.

Ein Konzept, wie die Inklusion der behinderten Menschen und die Integration so vieler Neubürger gelingen soll, wurde bislang leider noch nicht öffentlich kommuniziert.

Den Zieglerschen und der Gemeindeverwaltung muss endlich bewusst werden, dass zum Wohle aller diese großen Herausforderungen der Inklusion und der Integration von 500 Neubürgern in die bestehende Dorfgemeinschaft nur mit der Akzeptanz und der Mitwirkung der Anwohner funktionieren kann.

Dass mit diesem Großprojekt Wohnraum geschaffen wird ist sicherlich zu begrüßen - nicht aber in dieser Dimension und auch nicht mit einem Mischgebiet im erhaltenswerten Naturraum Rotach.

Roland Langer, Horgenzell

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