Ravensburg, den 25.5.21
Sehr geehrter Herr Hautumm,
die Berichterstattung Ihrer Redaktion in der vergangenen Woche hat bei uns und in unserem Umfeld großes, bisweilen größtes Unverständnis ausgelöst. Unserer Forderung nach Richtigstellung mehrerer Fehler und falscher Behauptungen möchten wir Folgendes vorausschicken: Neben nachweislichen Falschaussagen enhalten Ihre Berichte auch eine beträchtliche Anzahl von ungesicherten Behauptungen und nicht bewiesenen Verdächtigungen, die allesamt – um es neutral zu sagen - uns und unsere Aktion als rechtswidrig, gewalttätig und sogar kriminell darstellen. Auch die Tatsache, dass in Ihrer Berichterstattung der Umfang und das mangelnde Niveau der von Ihnen zitierten Kritiker*innen unseres Vorgehens bei Weitem den Umfang unserer Argumentation und der unserer Unterstützer*innen übersteigt, spricht nicht für die Ausgewogenheit und Neutralität Ihrer Zeitung.
Weiterhin halten wir es für absolut verantwortungslos, dass Sie, in Zeiten einer im Süden des Globus schon stattfindenden Klimakatastrophe, diese Gelegenheit nicht nutzen, um Ihre Leser*innen über die fehlenden Fortschritte der inzwischen von fast niemandem mehr bestrittene Tatsache der Dringlichkeit des sofortigen und wirksamen Klimaschutzes aufzuklären. Stattdessen übernehmen Sie völlig unkritisch die z.T. äußerst fragwürdigen Äußerungen der hiesigen Politiker*innen, die mehr am Wahlkampf gegeneinander als am Klimaschutz miteinander interessiert zu sein scheinen.
Natürlich akzeptieren wir Kritik an unserem Vorgehen, verstehen auch, dass die gewählte Protestform hierzulande erstmal relativ ungewohnt ist und wir nehmen für unser Anliegen in Kauf, dass Gerichte zu unserem Nachteil entscheiden könnten. Dass aber Ihre Berichterstattung und Meinungsbildung bei den Leser*innen dermaßen einseitig unseren Protest kriminalisiert und vollkommen unzureichende städtische Maßnahmen beim Klimaschutz unkommentiert lässt und sich so auf die Seite einer offensichtlich schlafenden und die Erfordernisse der Zeit nicht erkennenden Administration stellt, ist - höflich formuliert - nicht das, was man von einer unabhängigen Presse erwartet. Als Verantwortlichen für die Berichterstattung im Lokalteil der Schwäbischen Zeitung fordern wir Sie hier im Namen der an der Banneraktion am 15.5. in der Schussenstraße beteiligten Klimaaktivist*innen und deren Unterstützer*innen auf, folgende Falschdarstellungen in Ihrer Berichterstattung umgehend und öffentlich zu berichtigen:
Verwendung eines Stahlseils
Wo kommt diese Information her? Spätestens beim Abbau des Seils wurde klar, welches Material verwendet wurde. Es hätte nur einer kurzen Recherche bei der Polizei bedurft, um dies zu verifizieren. Selbst nachdem die Parents4Future in Ihrem offenen Brief diese Tatsache erwähnten, zweifeln Sie lieber deren Aussage öffentlich an (siehe 21.5. „Zunehmende Radikalisierung...“, 2. Absatz), statt journalistisch korrekt vorzugehen. Richtig ist: Es handelt sich um leichte, baumschonende, auch im Fall ungefährliche Polypropylenseile in den Stärken 12mm und 14 mm. Siehe unsere PM vor der Aktion. Bitte berichtigen Sie dies.
Anm.: Diese Fehldarstellung „passiert“ der SchwäZ nun schon zum wiederholten Mal!
Es scheint sich hier um ein absichtliches „Versehen“ zu handeln.
Natürlich hört sich „Stahlseil“ viel bedrohlicher und kämpferischer an, was, wie wir weiterhin befürchten, ganz zu dem negativen, gewalttätigen Bild passt, das Sie in Ihrem Blatt von uns zeichnen wollen. Da Sie ja auch sonst reichlich aus dem Polizeibericht unhinterfragt übernehmen , kann man weitergehend
Ihre Unabhängigkeit und Neutralität in Bezug auf städtische Verwaltung und Polizei in Frage stellen, gerade nachdem auch von deren Seite keine Berichtigung in dieser Sache zu lesen war. All dies vermittelt stark den Eindruck einer gemeinsam abgesprochenen oder zumindest einer in vorauseilendem Gehorsam unkritisch übernommenen Strategie von Stadt und Polizei, unseren gewaltfreien Protest in der Meinung der Leser*innen gewalttätig und kriminell erscheinen zu lassen.
In Ihrem Artikel „Nun wird gegen Klimaaktivisten ermittelt“ vom 18.5. übernehmen Sie - wieder ohne eigene Recherche - die unbestätigte Behauptung der Stadt, Aktivist*innen hätten durch Ihre Aktion brütende Vögel gestört
Richtig ist: Es wurden keine brütenden Vögel gestört. Weder „brütend“ noch „gestört“ sind korrekt. Die Aktivist*innen erkundigten sich nach Entdeckung des Nistkastens in der Bachstraße noch telefonisch bei einem Vogelkundler, ob das dort nistende Vogelpärchen durch die Aktion gestört werden könnte. Die Antwort lautete „Nein, falls sich die Beteiligten an Ihrem Sitzplatz ruhig verhielten“, was sie dann auch taten. Die Aktivist*innen wie auch Passant*innen konnten während der ganzen Aktion das Vogelpärchen beim Füttern der Jungen beobachten. Somit wurden die Vögel offensichtlich NICHT gestört und schon gar nicht beim Brüten. Wir bestehen hier auf einer Richtigstellung!
- In Ihrer Berichterstattung finden sich reichlich Wörter wie „militant“, „aggressiv“ „illegal“, „Straftat“ usw.
Dieses Vokabular verwenden Sie immer als Zitat von Angestellten der Stadtverwaltung, der Polizei oder politischen Parteien. Natürlich kann man Sie so wegen einzelner Fornulierungen nicht belangen. Allerdings „zitieren“ Sie diese diffamierenden und juristisch falschen Begriffe derart gehäuft, dass im Gesamten der Eindruck nicht mehr der einer „Meinungswiedergabe der zitierten Person“ ,sondern von vehementer Ab- bzw. Vorverurteilung entsteht. So manipulieren Sie die Meinung der Leser*innen, anstatt ihnen eine sachliche Auseinandersetzung mit dem Thema zu ermöglichen.
Richtig ist: Es wurde nie von Seiten der Aktivist*innen Gewalt eingesetzt. Es wurde nie jemand angegriffen, verletzt, bedrängt, bedroht oder genötigt. Ein Transparent hoch über einer viel befahrenen Straße ist v.a. ein Risiko für die Kletter*innen, die dieses Risiko für ein Vorankommen im Klimaschutz bewusst eingehen. Mit Ausnahme von „verbaler Gewalt“, falls die juristisch überhaupt unter den Gewaltbegriff fällt, wie provokativen Sprechchören, wurde NIE aggressives oder militantes Verhalten gezeigt. Das Sitzen auf einer gesperrten Straße ist z.B. ebenfalls kein Verbrechen oder eine Straftat und von gewalttätig kann hier wirklich keine Rede sein.
Sie verwechseln das mit passivem Widerstand und zivilem Ungehorsam, der Teil der politischen Meinungsbildung in einer Demokratie und v.a. in Krisenzeiten auch gerechtfertigt ist. Im Moment haben wir sogar eine globale Krise. Genau genommen zwei: Die Klimakrise und eine Pandemie, die ursächlich zusammenhängen.
Wir fordern Sie hiermit auf, diese falsche Darstellung öffentlich zu berichtigen.
„Großaufgebot löst Blockade ... auf“ vom Mi, 18.5. um 15.00 Uhr, Schwäbische Plus (digital): "Die Ravensburger CDU kritisiert..."
Richtig ist: Das völlige und ganztägige Absperren der Schussenstraße war keine Blockade sondern eine bewusste Entscheidung der Polizei und des Ordnungsamtes. Diese war nicht alternativlos. So wäre etwa auch eine Tempobeschränkung auf Schrittgeschwindigkeit bei einspurigem Verkehr möglich gewesen - Busse wurden ja auch durchgelassen. Im Gespräch wurde diese Variante aber verworfen. Also ist Ihre wiederholte Behauptung, die Klimaaktivist*innen auf dem Seil hätten die Straße „blockiert“, nicht korrekt. Richtig ist, dass ebenso die Sympathisant*innen und Passant*innen(!) am Boden nur den durch die Polizeisperrung entstehenden freien Raum nutzten und später, als es zur Auflösung dieser spontanen Versammlung kam, den Platz nicht von sich aus verlassen haben. Auch in dieser Hinsicht wird unsere
Aktion hier fälschlicherweise als strafbare Handlung hingestellt.
Auch hier fordern wir Ihre öffentliche Richtigstellung.
Möglicherweise Schäden an Bäumen in „Nun wird gegen Klimaaktivisten ermittelt“ v.18.5.
Richtig ist: Die Aktivisten verursachten keine Schäden an Bäumen. Den Aktivisten liegt gerade das Wohl der Bäume sehr am Herzen. Beim Klettern wird unbedenkliches Polypropylen-Seil eingesetzt, außerdem wird beim Baumhausbau mit „Baumschonern“ gearbeitet, damit der Baum nicht verletzt wird. Geklettert wird meist an einem frei hängenden Seil. Es gibt Videomaterial, das zeigt, wie empört die Aktivisten sind, als ein SEK-Kletterer mit Steigeisen (!!!) einen der Bäume erklimmt. Ebenfalls die dadurch entstandenen Schäden sind dokumentiert. Wir fordern eine Richtigstellung dieser nicht belegten, journalistisch unkorrekten und diffamierenden Darstellung! Der ganze Absatz mit Erwähnung der rechtlichen Konsequenzen fußt auf Ihren falschen Unterstellungen und kommt Vorverurteilung und Rufmord gleich.
Mangelnde Gesprächsbereitschaft der Aktivisten
An verschiedenen Stellen zitieren Sie Frau Engelhardt, Herrn Blümcke und Herrn Rapp diesbezüglich. Richtig ist: Auch hier haben Sie diese Aussagen nicht überprüft sondern unkritisch übernommen. Hätten Sie bei den Klimaaktivisten nachgefragt, hätten Sie sie zu Wort kommen lassen oder würden dies im Nachgang jetzt noch tun, würden Sie erfahren, dass es in den vergangenen Monaten NUR im unmittelbaren Umfeld von Aktionen, d.h. direkt davor oder während der laufenden Aktionen Gesprächsangebote der Stadt in Bezug auf den Ablauf von geplanten Aktionen gab. Es handelte sich dabei nicht um – wie von uns gefordert – inhaltliche Gespräche, sondern es ging lediglich um die Form der Proteste und deren Beschränkung durch die Stadtverwaltung (siehe offener Brief PFF). Da zum Zeitpunkt, als Herr Blümcke mit den Aktivist*innen im Seil Kontakt aufnahm, keine Presse oder unabhängige Zeugen vor Ort waren, haben sich die Personen im Seil nicht auf ungesicherte Aussagen verlassen. Diese entscheidenden Punkte hätten Sie recherchieren und erwähnen müssen. Tun Sie dies bitte im Nachhinein.
Ziviler Ungehorsam kann nicht genehmigt werden.
Um für Sie klar zu machen, worum es sich bei unserem Protest handelt, haben wir mehrere Definitionen zu „Zivilem Ungehorsam“ angehängt. In Ihrem Artikel vom 17.5. „SEK holt Klimaaktivisten...“ setzen Sie zivilen Ungehorsam in Anführungsstriche und kritisieren gleichzeitig, dieser zivile Ungehorsam sei weder angemeldet, noch genehmigt gewesen. Man kann sich eine Aktion des zivilen Ungehorsams nicht genehmigen lassen. Diese fehlerhafte Aussage Ihrerseits, die impliziert, wir hätten uns damit eines weiteren Vergehens schuldig gemacht, wiederholen Sie gebetsmühlenartig, was in dieser Häufigkeit nicht mehr den Anschein von Neutralität und Sachlichkeit erweckt.
Bitte stellen Sie diesen wiederholt genannten, falschen Zusammenhang öffentlich richtig.
Vegane Ernährung, zu Ihrer Information
Anscheinend versteht man in Ihrer Redaktion nicht, warum die meisten jungen Klimaschützer sich vegan ernähren. Hier für Ihre Redaktion folgende Erklärung um deren Weiterleitung wir Sie bitten: Vegane Ernährung schont nachweislich das Klima, weil bei der Produktion pflanzlicher Lebensmittel wesentlich weniger CO2 entsteht als beim Verzehr von Tieren oder deren Produkten. Die vegane Ernährung ist also keine Laune, Wohlstandsallüre verwöhnter Jugendlicher oder ein Luxusgut, wie es in Ihrer Darstellung zwischen den Zeilen anklingt. Wir würden es sehr begrüßen, wenn Sie diesen Zusammenhang journalistisch aufarbeiten und veröffentlichen würden. Es wäre außerdem für Ihre Zeitung ein Schritt in eine zukunftsweisende Richtung.
Abschließend möchten wir betonen, dass wir mit unserem Engagement für den Klimaschutz, v.a. was Inhalt und Ziele betrifft, die Meinung eines großen Anteils der Bevölkerung repräsentieren. Indem Sie unsere aktivistische Gruppe mit Falschaussagen und Verdächtigungen versuchen zu kriminalisieren, erschweren Sie einen gesamtgesellschaftlichen Konsens und damit Frieden.
Nicht nur das. Ein Teil Ihrer Leser, der erst noch von der Notwendigkeit engagierter und weitreichender Maßnahmen zum Klimaschutz überzeugt werden sollte, wird jetzt voller Genugtuung und Häme Ihre tendenziösen und parteiischen Artikel lesen und sich darin bestätigt fühlen, auch weiterhin keinen eigenen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Sollte DAS Ihr Beitrag zu einem breiten Konsens in der Gesellschaft zum Thema Klimaschutz sein? Wir nehmen an, dass dem prinzipiell nicht so ist und fordern Sie auf, Ihre sehr verantwortungsvolle und wichtige Aufgabe als Vertreter der Presse dementsprechend wahrzunehmen, damit auch mit Ihrer Hilfe unseren Kindern und Enkelkindern möglichst die vernichtende Klimakatastrophe erspart bleibt, die uns die Wissenschaft zunehmend vorherssagt.
Ravensburg, den 25.5.21
Im Namen von Aktivi und Unterstützer*innen der Baumbesetzer*innen
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