Das Buch „Revolution Justified“ ist nicht gerade das, was man einen Bestseller nennt. Die englische Ausgabe hat auf Amazon gerade mal eine Bewertung (immerhin: 5 Sterne) und belegt selbst in der Unterkategorie Recht den Platz 6839. Aber vielleicht ändert sich das ja bald: Der Autor, der Rechtsanwalt Roger Cox, legt darin seine Auffassung dar, dass Staaten und Märkte prinzipiell unfähig seien, die Klimakrise zu lösen. Eine entscheidende Rolle komme daher der Justiz zu. Vielleicht findet das Buch bald mehr Leser, Manager von Ölfirmen zum Beispiel. Denn diese Woche ist Cox im Auftrag des niederländischen Ablegers der Umweltorganisation „Friends of the Earth“ ein beachtlicher Sieg gegen Shell gelungen. Ein Gericht in Den Haag verpflichtete Europas größten Ölkonzern, seine Emissionen bis 2030 im Vergleich zu 2019 um 45 Prozent zu verringern – wozu auch alles CO₂ zählt, das Kunden emittieren, wenn sie Öl oder Gas von Shell verbrennen. „Was Umweltschützer und Tausende Bürger da erreicht haben, ist spektakulär“, kommentiert mein Kollege Michael Bauchmüller. „Dieses Urteil ist schon rein symbolisch von enormem Gewicht, denn keine Branche schädigt das Klima mehr als die globale Ölindustrie.“ Wobei Cox mit der Unfähigkeit der Märkte womöglich nicht ganz recht hat. Ebenfalls am Mittwoch musste ExxonMobil auf Druck von Aktionären zwei neue Vorstände akzeptieren. Der aktivistische Hedgefonds Engine No. 1 will so erzwingen, dass sich der Ölkonzern stärker in Richtung erneuerbarer Energien orientiert. Bei Chevron setzten am selben Tag Investoren erstmals verpflichtende Emissionsziele durch, gegen den Willen des Managements. Es muss also nicht im Gerichtssaal enden, doch auch dort geht einiges. 1587 Klimaprozesse zählte die London School of Economics zwischen 1986 und Mai 2020, die meisten in den USA, 57 in der EU. Besonders 2019 sei es infolge der weltweiten Klimaproteste zu einem Anstieg von Prozessen gekommen. Meistens wurden in der Vergangenheit aber Staaten verklagt. Mit dem Urteil in den Niederlanden könnten Unternehmen stärker in den Fokus rücken. Laut der FAZ laufen derzeit weltweit allein rund 40 Klimaschutzklagen gegen Energiekonzerne. Vielen Firmen aus der Öl- und Gasbranche könnte dabei auf die Füße fallen, dass ihre eigenen Klimaschutzpläne häufig äußerst schwammig sind. So zeigt eine Analyse des Think Tanks Carbon Tracker unter zehn der größten Ölfirmen, dass die meisten zwar das Ziel „Net Zero“ ausgegeben haben, also bis 2050 klimaneutral werden wollen. Viele beschränken sich dabei aber lediglich auf Emissionen bei der Ölförderung oder in der Verwaltung und ignorieren den Löwenanteil von Treibhausgasen, der bei der Verbrennung von Öl und Gas entsteht, mit dem Argument, dass dafür ja die Endkunden verantwortlich seien. Nur Eni setzt sich feste Reduktionsziele bis 2030 ohne Ausnahmen, auch was die Emissionen der Produkte selbst angeht. Ein weiteres Problem: Bei der Umsetzung ihrer Klimapläne setzen die Ölfirmen häufig auf Methoden wie die unterirdische Speicherung von CO₂, die Entnahme von Treibhausgasen aus der Luft oder Bäumepflanzen, um nur ja das Fördern fossiler Brennstoffe zu erhalten. Alleine die Pläne von Shell und Eni, jedes Jahr 140 Millionen Tonnen CO₂ auszugleichen, würden erfordern, bis 2030 einen Wald von der Größe Bulgariens anzupflanzen. Zudem sind zwar die Langfristziele häufig ambitioniert, für die nächsten Jahre soll sich aber erstmal wenig ändern. Eben das hatten die niederländischen Richter Shell angekreidet, auch die Bundesregierung kann hiervon ein Liedchen singen. Da dürften sich also
noch etliche Ansatzpunkte für Klimaklagen finden lassen. |
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