hier Standard Stefan Brändle aus Paris 2. Juli 2025,
Die Vegetalisierung von Paris durch Bürgermeisterin Anne Hidalgo vermag die Temperaturen deutlich zu senken, wie sich vor allem während der sommerlichen Hitze zeigt
Der resolute Umweltkurs der rot-grünen Stadtregierung von Paris beginnt sich auszuzahlen.
Noch gibt es keine genauen Bilanzen, da die seit Jahren laufende Operation "Paris wird grün" keineswegs abgeschlossen ist. Einzelstudien und -erkenntnisse deuten aber alle in die gleiche Richtung: Die "Vegetalisierung", wie die Politik der sozialdemokratischen Stadtvorsteherin Hidalgo genannt wird, vermag die Temperaturen in den bereits betroffenen Straßen und Vierteln um ein bis vier Grad Celsius zu senken, wie Wetterexperten von Météo France schätzen.
Mehrere Menschen sitzen am betonierten Rand eines grün-schimmernden Wassers. Drei Personen springen gerade in Badekleidung ins Wasser, zwei schwimmen bereits. Man sieht nur ihre Köpfe.
Ein Sprung in den Saint-Martin-Kanal kühlt kurzfristig ab – die neu gepflanzten Bäume in der französischen Hauptstadt machen das langfristig.
Dieser Befund gilt für Stadtteile, wo die Politik umgesetzt wird. Es ist eine massive Umsetzung: Hidalgo lässt insgesamt 70.000 Parkplätze verschwinden und – teils an ihrer Stelle – insgesamt 170.000 Bäume pflanzen. 200 Straßen werden in sogenannte "rue-jardins" (Gartenstraßen) verwandelt.
Im März haben die Stimmberechtigten der Seine-Stadt der Begrünung von weiteren 500 Straßen zugestimmt.
Im März haben die Stimmberechtigten der Seine-Stadt der Begrünung von weiteren 500 Straßen zugestimmt.
2,5 Grad weniger
Die Folgen sind für die Einwohnerschaft und Reisende auf der bloßen Haut zu spüren – und das nicht nur im Schatten der "Stadtwälder", die Hidalgo etwa in der Nähe des Bahnhofs Montparnasse pflanzen lässt. Im Vorort Aubervilliers haben die Stadtplaner beim Ersetzen eines Parkplatzes durch 70 Bäume von Beginn weg die Temperaturen gemessen. Resultat war eine Senkung von 2,5 UTCI-Einheiten, also in etwa eine gefühlte Temperatursenkung um 2,5 Grad.
Ein anderes Programm von Météo France ist zum Schluss gekommen, dass in einem Pariser Viertel mit 300 Hektar Begrünung die Temperatur allein schon deshalb um 0,5 bis ein Grad sinkt.
Über 30 Grad weniger auf Dächern
Hidalgo lässt aber nicht nur Asphaltzonen aufheben und durch Pflanzen und Bäume ersetzen. Auch Fassaden und Hausdächer werden begrünt. Was anfangs eher belächelt wurde, zeigt gerade in der aktuellen "canicule" (Hitzewelle) erste, teils spektakuläre Resultate. Die Pariser Gebäude verfügen historisch bedingt zu 80 Prozent über Zinkdächer. Diese ziehen die Hitze stärker an als andere Materialien: Bei Temperaturen von 40 Grad können Zinkdächer doppelt so heiß werden – bis zu 85 Grad. Die Pariser Académie du Climat hat das Dach ihres aus dem Jahr 1868 stammenden Gebäudes mithilfe von drei Architekten der Vereinigung Roofscapes begrünt – die Dachtemperaturen sind von 67,5 auf 35,7 Grad gesunken.
Solche Resultate bringen die Kritiker in Hitzezeiten zum Verstummen. Aber offenbar nur dann: Kurz vor der Ankunft der neusten "canicule" hatte die Nationalversammlung noch eine weitere Ökomaßnahme für die Städte Paris und Lyon ohne viel Aufhebens aufgehoben: Die seit 2019 schrittweise umgesetzten und mit Jahresbeginn endgültig eingeführten Umweltzonen, genannt "zones à faibles émission" (ZFE), wurden schlicht abgeschafft. Ihr Kernpunkt bestand aus einer Kategorisierung thermischer Motoren: Ältere Autos – auch von Reisenden – wurden je nach Schadstoffausstoß nicht mehr in die beiden – von rot-grünen Koalitionen regierten – Großstädte gelassen. Das Argument der Gegner lautete, dass ärmere Autofahrer, die sich keinen Tesla leisten können, aus Paris und Lyon hinausgedrängt werden.
Während sich Staatspräsident Emmanuel Macron wie die Linke für diese Umweltzonen ausgesprochen hatte, hob die Mehrheit rechter Abgeordneten sie in einer Nacht-und Nebel-Aktion auf. Jetzt, da ganz Frankreich unter der neuesten Hitzewelle stöhnt, gibt es heftige Kritik. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Nationalversammlung in zweiter Lesung doch noch eine Mehrheit für diese Ökomaßnahme zusammenbringt. (Stefan Brändle aus Paris, 2.7.2025)
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