Montag, 7. Juli 2025

Die stille Ausbreitung der Wüsten

hier  Deutschlandfunk  05.07.2025

Der Klimawandel lässt die Erde regelrecht austrocknen. 

Milliarden Menschen sind betroffen. Was lange als Problem ferner Länder galt, hat längst Europa und selbst Deutschland erreicht. Die globale Wüstenbildung ist eine stille Krise der Gegenwart.

Die UN hat den Kampf gegen Bodenerosion und Wüstenbildung zu einer globalen Aufgabe erklärt. Pro Sekunde gehen weltweit vier Fußballfelder fruchtbarer Boden verloren – durch Dürre, Erosion und Bodenversiegelung. Auch in Deutschland schreitet die Bodendegradation voran.

Was ist Wüstenbildung?

Wüstenbildung bezeichnet den Prozess, bei dem fruchtbare oder halbtrockene Landschaften wie Savannen oder Steppen in vegetationsarme Gebiete übergehen. Dabei verliert der Boden seine Fruchtbarkeit. Es handelt sich bei Wüstenbildung also nicht nur um das Entstehen neuer Sandwüsten, sondern vor allem um die schleichende Degradierung fruchtbarer Böden.

Laut Anja Linstädter, Professorin für Biodiversität und systematische Botanik an der Universität Potsdam, liegt das in vielen Fällen an einer Kombination aus natürlicher Trockenheit und menschlichem Eingreifen wie Abholzung, Überweidung, intensiver Landwirtschaft oder Urbanisierung. „Dann kann das System kippen in einen Zustand, wo auch die Umweltbedingungen sich selber noch weiter verschlechtern. Dann kann es lokal zu einer Wüste kommen.“ Wenn weniger als zehn Prozent der Fläche dauerhaft von Pflanzen bedeckt sind, spreche man von einer „Vollwüste“.

Was bedeuten die Begriffe Aridität und Halbwüste?

Wüsten liegen in ariden Gebieten, auch Trockengebiete genannt. Dort verdunstet dauerhaft mehr Wasser als durch Niederschläge nachkommt. Diese Gebiete werden je nach Trockenheitsgrad in vier Kategorien eingeteilt: trocken sub-humide, semi-aride und hyper-aride Zonen. Letztere entsprechen Vollwüsten.

Halbwüsten liegen meist in semi-ariden Zonen. Dort wächst noch spärliche Vegetation wie Gräser oder Sträucher. Geht die Vegetation durch Übernutzung oder Dürre zurück, kann sich das Gebiet rasch in eine Wüste verwandeln. Der Klimawandel verschärft diese Prozesse, indem er diese Übergangszonen weiter austrocknen lässt.

Welche Rolle spielt der Klimawandel bei Wüstenbildung?

Der Klimawandel wirkt als Verstärker: Er verursacht längere Trockenzeiten, Hitzewellen und Extremwetter. Hitze erhöht die Verdunstung, Böden trocknen aus, Pflanzen sterben ab. Das könne man mit einem sehr trockenen Blumentopf vergleichen, erklärt Klimaforscher Fred Hattermann vom Potsdam-Institut für Klimaforschung: Wird dieser bewässert, rollt das Wasser oberflächlich ab, weil der Boden keine Feuchtigkeit aufnehmen kann. „Das ist der Effekt: Einmal menschliches Handeln, Zerstörung der Vegetation, der Bodenkrume und dann eben diese Hitze und die Trockenheit. Und dadurch kann sich die Vegetation nicht wieder gut etablieren.“

In welchen Regionen ist die Wüstenbildung am stärksten?

Etwa ein Drittel der weltweiten Landfläche ist von Wüstenbildung bedroht, vor allem die Regionen, die in Trockengebieten liegen, also Afrika und Asien. Afrika ist besonders stark betroffen. Etwa zwei Drittel der globalen Wüstenfläche liegen bereits dort: rund 670 Millionen Hektar. Weitere 40 Prozent Afrikas sind Trockengebiete. Diese sind entscheidend für die Ernährung der afrikanischen Bevölkerung. So liegen rund 70 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Flächen in Subsahara-Afrika in Trockengebieten.

Weitere gefährdete Regionen sind Zentralasien, Südamerika sowie Teile von Nordamerika, erklärt Kathleen Hermans vom Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Halle/Saale: „Ein Viertel der eisfreien Landfläche der Erde gilt bereits als degradiert, dies betrifft etwa jeden sechsten Menschen weltweit.“

Was bedeutet die Wüstenbildung für den Menschen und wie betrifft sie Europa und Deutschland?

Dürren und Wüstenbildung zerstören Lebensgrundlagen. Sie betreffen mittlerweile alle Kontinente sozial, wirtschaftlich und ökologisch. Millionen Menschen leben von natürlicher Vegetation, von Viehzucht oder Subsistenzwirtschaft. Wenn Böden unfruchtbar werden, sind Flucht und Migration oft die einzige Option.

2023 und 2024 führte Dürre im Amazonas-Regenwald zu Wasserknappheit, Fischsterben und Versorgungsproblemen. In Simbabwe und Sambia trockneten Stauseen aus. Es kam zu Stromausfällen, Ernteverlusten und die Wirtschaft litt merklich. Im Panamakanal sank der Wasserstand Ende 2023 so stark, dass Schiffe nicht mehr passieren konnten – mit monatlichen wirtschaftlichen Schäden von 100 Millionen US-Dollar. In der Türkei entstanden durch übermäßige Grundwasserentnahme tausende Krater.

Auch Europa ist betroffen – nicht durch klassische Sandwüsten, sondern durch Bodendegradation. Besonders kritisch ist die Lage in Südeuropa, etwa in Spanien, Griechenland, Bulgarien und Rumänien. Spanien verzeichnete 2023 über 3,5 Millionen Hektar verdorrtes Ackerland. Die Olivenölpreise explodierten. 13 EU-Länder haben mittlerweile Wüstenbildung gemeldet.

In Deutschland zeigen Regionen wie die „Lieberoser Wüste“ in Brandenburg, dass auch hier sekundäre Wüsten entstehen können. In diesem Fall durch Übernutzung, Waldbrände und Störung der Vegetation durch militärische Nutzung. Mirja Stolt vom UNCCD warnt daher: „Die ersten Warnzeichen sind da. Die Bodenfruchtbarkeit geht zurück. Man hat immer mehr Humusverlust.“ Das UNCCD ist das Abkommen der Vereinten Nationen zur Bekämpfung der Wüstenbildung.

Problematisch ist hierzulande die Bodenversiegelung: Täglich verschwinden rund 70 Fußballfelder an Naturfläche, viele Böden sind stark ausgelaugt. Laut EU-Umweltagentur ist knapp ein Viertel der EU-Fläche stark degradierungsgefährdet.

Welche Maßnahmen helfen gegen Wüstenbildung?

Die gute Nachricht ist: Es gibt wirksame Gegenmaßnahmen, aber sie erfordern umfassende Anstrengungen und langfristige Strategien. Aufforstung, nachhaltige Landwirtschaft, Wasserrückhaltung, Mulchen und Begrünung durch robuste Pflanzenarten sind mögliche Wege. Außerdem sollte auf Monokulturen verzichtet werden.

Die Landwirtschaft ist einerseits Opfer der Klimaerwärmung. Andererseits befördert sie die Klimaerwärmung durch ihren Ausstoß von Treibhausgasen. Veränderungen in Ackerbau und Tierhaltung sowie eine andere Subventionspolitik könnten ihn verringern.

Ziel ist es, den Teufelskreis aus Vegetationsverlust und Trockenheit zu durchbrechen, erklärt Botanikerin Linstädter: Sobald einmal die Pflanzen weg sind, verändert sich das Klima vor Ort. Es regnet noch weniger. „Dann ist ein Kipppunkt überschritten und der Weg zurück ist viel mühsamer, als man denkt.“ Dennoch ist eine Regeneration möglich, vor allem durch lokale und individuelle Lösungen. Diese könne man aber leider schlecht verallgemeinern.

Die EU hat sich das Ziel gesetzt, bis 2030 keine weiteren Bodenverluste zuzulassen. Auch wirtschaftlich lohnen sich Investitionen: Laut UNCCD bringt jeder investierte US-Dollar 30 Dollar an Ertrag, zum Beispiel durch stabilere Ernten, geringeren Migrationsdruck und niedrigeren Kosten bei Naturkatastrophen.

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