Tim Meyer hier auf LinkedIn
Der Auftrag für das Energiewende-Monitoring der Bundesregierung hat eine klare Tendenz.
Es scheint, dass die Wirtschaftsministerin Argumente zusammentragen lassen will für eine selbsterfüllende Prophezeiung:
„Was passiert, wenn politisches Handeln eingestellt wird und die aktuellen Trends z.B. bei der verzögerten Elektrifzierung des Mobilitäts- und Wärmesektors oder bei der Modernisierung der Verteilnetze anhalten?“
Die Antwort könnte man auch ohne Monitoringbericht geben: „Dann wird‘s teuer und langsam“
Dennoch stellt Fr. Reiche die Fragen an den Monitoringbericht aus einer solchen Beobachterrolle heraus, anstatt im Sinne der notwendigen Gestaltungsaufgaben zu fragen, wie ein Weg zurück auf den Zielpfad gelingen kann, wo die größten Handlungsbedarfe bestehen und welche Maßnahmen besonders wirksam wären.
Diese traurige Tendenz weist eine neue Studie zum Energiewende-Monitoring von Germanwatch nach, die heute veröffentlicht wurde und deren Autor ich sein durfte. Und mehr noch: natürlich gibt es erhebliche Kostensenkungspotentiale, aber nicht durch mehr Gaskraftwerke oder Absenkung von EE-Ausbauzielen. Beides belegen die von Fr. Reiche hinzugezogenen Szenarien gerade nicht.
Besonders kritisch habe ich für die Studie die im Monitoringbericht zu nutzenden Szenarien der Marktakteure unter die Lupe genommen (EnBW, McKinsey, BDI, 50 Hertz). Einige enthalten viele gute Hinweise. Aber es gibt auch zahlreiche bemerkenswerten und teilweise harte Befunde.
Beispiel: zwar haben Szenarien z.B. von EnBW und McKinsey mit Aussagen zu Einsparungsmöglichkeiten von hunderten Milliarden Euro Aufmerksamkeit für ihre Thesen geschaffen. Und so vermutlich auch den Weg in die Liste der im Monitoringbericht zu berücksichtigenden Szenarien. Doch sie bleiben den Beleg schuldig, wie beispielsweise der geforderte kurzfristige und massive Zubau von Gaskraftwerken Kosten senken soll. Was nicht wundert, denn Szenarien sind keine Vorhersagen, sondern Spiegel ihrer Annahmen. Auch das zeigt die Germanwatch-Studie. Klimaneutral sind die genannten Szenarien im Übrigen auch nicht (McKinsey betrachtet ohnehin nur bis 2035).
Kurzum: ein Blick in die Studie lohnt sich hier
Mein persönliches Fazit: es ist höchste Zeit, die Verengung der Diskussion auf Stromverbrauchsmengen in 2030 oder EE-Ausbau vs. Gaskraftwerke zu überwinden. Der Handlungsbedarf ist systemisch.
Auch diese Aussage steckt in vielen untersuchten Szenarien: schnellere Elektrifizierung aller Sektoren, Digitalisierung, Flexibilisierung, Batterien…selbst der Hinweis auf den Flaschanhals der hoch fragmentierten Organisation unserer Verteilnetze ist beispielsweise beim BDI enthalten.
Doch wer nicht fragt: „was ist zu tun“ sondern „was passiert wenn ich nichts tue“, scheint ein anderes Ziel zu verfolgen.
Herzlichen Dank an Christoph Bals, Simon Wolf und das Germanwatch-Team für die gute Zusammenarbeit und an Philipp Diesing vom Reiner Lemoine Kolleg für die tolle Unterstützung der Analyse.
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