Donnerstag, 17. April 2025

So sensationell sauber ist die Pariser Luft plötzlich

 



hier Süddeutsche Zeitung Von Oliver Meiler  15. April 2025 

Es gibt auch gute Nachrichten in diesen nicht gerade hellen Zeiten, statistisch belegbare sogar. Paris, eine der großen Städte der Welt, erlebt seit zwei Jahrzehnten eine tiefgreifende, politisch konsequent vorangetriebene Transformation auf den Straßen und Plätzen – und die hat schöne Folgen für die Bewohner, auch und gerade für deren Gesundheit. 

Wie eine neue Studie zeigt, ist die Luftqualität seither spektakulär, ja sensationell viel besser geworden.

Airparif, die unabhängige Messorganisation der Region Île-de-France, zu der Paris und seine Banlieues gehören, mehr als 12 Millionen Einwohner insgesamt, weist unter anderem eine Halbierung der Stickstoffdioxide und des Feinstaubs aus: minus 50 Prozent respektive minus 55 Prozent. Auf ihren Karten zur Luftbelastung sieht man im Zeitraffer, wie sich die Region von alarmierend dunkelrot bis fast ganz grün entwickelte.

Die Anzahl der Menschen, deren Tod in der einen oder anderen Form in einem direkten Zusammenhang mit der Luftverschmutzung stand, ist in den vergangenen 20 Jahren um vierzig Prozent zurückgegangen – in absoluten Zahlen: von etwa 10 000 auf 6 000. Das sind natürlich immer noch viel zu viele. Aber der Trend zählt, und der ist positiv.

Airparif erklärt den Wandel hauptsächlich mit der Politik der Stadtregierung, die sich in diesen Jahren rabiat gegen den belastenden motorisierten Individualverkehr im Inneren von Paris gestellt hat: mit Transitverboten, eingeengten Straßen, höheren Parkgebühren für SUVs, weniger Parkplätzen. Sogar die tiefen Uferstraßen an der Seine, die famosen berges, wurden für den Verkehr gesperrt.

Dafür gab es 1400 Kilometer zusätzliche Radwege, mehr Fußgängerzonen, mehr Grün überall. Gerade wurde nach einer Volksbefragung beschlossen, 500 weitere Straßen zu beruhigen und zu begrünen.


Positiv wirkte sich auch aus, dass der Klimawandel mildere Verhältnisse in die Stadt brachte, so muss im Winter etwas weniger geheizt werden. Und es regnete zuletzt öfter: Der Regen wäscht die Luft.

Es kommt jetzt oft vor, dass der Himmel über Paris sehr blau und klar ist
Außer, die große Müllverbrennungsanlage hinter dem Gericht im 17. Arrondissement steht in Flammen wie neulich und schickt Rauchwolken über die Stadt: Da wähnte man kurz alte Zeiten zurück, als Smog den Eiffelturm einhüllte und die Behörden den alternierenden Verkehr verhängten: An geraden Tagen durften nur die Wagenbesitzer mit geraden Endziffern auf dem Nummernschild durch die Stadt fahren, an ungeraden die mit ungeraden. Das hat es schon lange nicht mehr gegeben – und wird nun nicht mehr gebraucht.

Wäre Airparif nicht unabhängig und dafür anerkannt von den Umweltbehörden der Region, könnten Kulturpessimisten und die vielen Kritiker der grünlinken Bürgermeisterin Anne Hidalgo sich gedrängt fühlen, die Zahlen skeptisch zu hinterfragen. Hidalgo ist seit elf Jahren Bürgermeisterin, davor war sie Vize von Bertrand Delanoë, ihrem ebenfalls sozialistischen Amtsvorgänger. Sie stand also genau in dieser Phase der Metamorphose in der Verantwortung, als Nummer zwei und Nummer eins, im kommenden Jahr hört sie auf. 

Und obwohl die Pariser die Verwandlung ihrer Stadt in eine lebenswertere, sauberere, kinderfreundlichere Metropole live miterleben, sie am eigenen Leib spüren, ist Hidalgo so unpopulär wie kaum eine Politikerin in Frankreich. Wahrscheinlich wird sie dann erst im Nachhinein gefeiert werden, als Revolutionärin.

Ihr radikaler Ansatz nervt in erster Linie die Autofahrer, zumal die, die das Auto für die Arbeit brauchen, und unter ihnen besonders die aus der Banlieue. Sie finden, man erschwere ihnen mit den Durchquerungsverboten und den ewigen Baustellen überall in der Stadt ihr ohnedies nicht einfaches Leben. Da nämlich, wo noch gefahren werden darf, staut sich der Verkehr dramatisch.


Genervt sind auch die Pariser Händler und Ladenbesitzer, die überzeugt sind, dass ihr Umsatz vor allem deshalb geschrumpft ist, weil die Kunden nicht bequem vor dem Geschäft parken können.

Und dann gibt es da noch die reflexartigen Nörgler, traditionell in stattlicher Anzahl, die finden, Paris sei halt schon viel besser gewesen, als es noch das alte Paris war.





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