Tim Meyer auf LinkedIn
Ist es daher klug, schon heute große Mengen neuer Gaskraftwerke in Deutschland zu planen – die berühmten Merz‘schen 20 GW?
Bis vor kurzem waren Pumpspeicherkraftwerke die einzige nennenswerte Speicheroption im Stromsystem. In den letzten über 100 Jahren wurden weltweit um die 170 GW Leistung mit gut 10 TWh Kapazität aufgebaut.
Zum Vergleich: der Zubau an Batterien zur Speicherung von Strom alleine im letzten und diesem Jahr dürfte die 170 GW Leistung deutlich überschreiten. Eine Verfünffachung des Marktes in nur drei Jahren.
Natürlich dienen Batterien heute der Kurzfristspeicherung und nicht – wie Pumpspeicher – auch der Langfristspeicherung. Die Kapazität der 2024 und 2025 zugebauten Batterien dürfte unter 0,5 TWh bleiben.
Doch der Vergleich zeigt die unglaubliche Dynamik, die bei Speichern seit Jahren herrscht.
Und solche Entwicklungen laufen exponentiell. Nicht nur als Wachstums-, sondern auch als Innovationsdynamik. Heute werden vornehmlich Li-Ionen Batteriesysteme bis max. 8 Stunden Speichertiefe realisiert. Es wird erwartet, dass die Speichertiefe mit anderen Technologien wie Flow-Systemen auf bis zu 100 Stunden steigen wird.
Es gibt keinen Grund, anzunehmen, dass das nicht so kommen wird. Da die erneuerbaren Energien die billigste Stromerzeugungstechnologie sind und weltweit in allen Strommärkten die Preisvolatilität erhöhen, bleiben auch die Marktanreize und Geschäftsaussichten extrem attraktiv. Aus verschiedensten Richtungen drängt Industrie in diese Märkte. Mengen steigen, Kosten verfallen und erlauben immer mehr Anwendungen neuer elektrochemischer Speicher. Revolution eben.
Kurzum: wer heute schon allzu viel Kapazität an Residualkraftwerken einplant, baut stranded assets. Und wer das über Kapazitätsmärkte tut, bürdet dieses Risiko dem Staat bzw. Stromkunden auf. Nur andersherum wird ein Schuh draus: lieber erst die marktlichen Wege für mehr Flexibilität ausschöpfen und geringe Mengen an Residualkraftwerken planen. Also lieber die früheren 10 GW zukunftssichere H2-ready als die Merzschen 20 GW Gas. Und wie bei hohen Dynamiken immer ratsam: laufend die Entwicklung beobachten und Pläne behutsam anpassen.
Fun Fact: erst im Dezember 2021 hat die Internationale Energieagentur IEA für Ende 2026 ca. 62 GW kumulierte Leistung weltweit installierter Großbatterien prognostiziert. Bereits 2024, also nach der Hälfte der erwarteten Zeit, war dieser Wert schon übertroffen.
Zahlen: IEA, WoodMackenzie, eigene Extrapolation
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