Mittwoch, 9. April 2025

Energiepolitik: Warum der jüngste IEA-Bericht ein Problem für die Union ist

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hier Focus  8.4.25 
Von Malte Kreutzfeldt

Neuer IEA-Bericht :

„Eine großartige Leistung“: Internationale Experten loben Habecks Heizgesetz

In ihrem aktuellen Länderbericht stellt die IEA der deutschen Energiewende überwiegend ein gutes Zeugnis aus und fordert Kontinuität. Ausdrückliches Lob gibt es für die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes, die die Union gern rückgängig machen würde.

Es ist Zufall, dass der jüngste Länderbericht der Internationalen Energieagentur (IEA) zu Deutschland ausgerechnet in der voraussichtlich entscheidenden Woche der Koalitionsverhandlungen in Berlin veröffentlicht wurde. Aber seiner Bedeutung dürfte das keinen Abbruch tun.

„Wichtige Erkenntnisse“ für nächste Koalition

Denn was die internationalen Energieexperten aufgeschrieben haben, wird auf diese Weise nicht nur zu einem Abschlusszeugnis für die bisherige Regierung, sondern auch zu einer Ratschlagsammlung für die nächste: Sie hoffe, dass der Bericht für die kommende Regierung „wichtige Erkenntnisse“ bringe, betonte die stellvertretende IEA-Direktorin Mary Warlick am Montagnachmittag bei der Vorstellung der Ergebnisse im Bundeswirtschaftsministerium (BMWK).

Während der bisherige Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sich über das insgesamt sehr positive Urteil zur Energiepolitik der Ampel freuen kann, hält der IEA-Bericht für die Union einige unangenehme Wahrheiten bereit. Denn die hat in den bisherigen Koalitionsverhandlungen vor allem deutlich gemacht, was sie alles anders machen will als die bisherige Regierung. Der wichtigste Ratschlag der IEA lautete aber, in der Energiepolitik auf „langfristige Politik und regulatorische Stabilität“ zu setzen. Das sei auch für verlässliche Investitionsbedingungen unbedingt erforderlich.

Kritik an „Technologieoffenheit“

Ausdrückliches Lob gibt es von der IEA für die jüngste Novelle des Gebäudeenergiegesetzes. Mit seinen „klaren Zielen und Zeitvorgaben“ sei dieses „eine großartige Leistung“, heißt es im Bericht. CDU und CSU wollen die Novelle, die vorschreibt, dass alle neu eingebauten Heizungen nach Vorliegen der Wärmeplanung zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden müssen, dagegen rückgängig machen.

Den Wunsch nach „Technologieoffenheit“, mit dem sie das begründen, sieht die IEA kritisch. Dieser Ansatz, der im GEG bereits angelegt ist, könne falsche Signale senden und damit den Umstieg auf Wärmepumpen verzögern. Dabei ist aus Sicht der IEA klar, dass Wärmepumpen und Fernwärme in Verbindung mit verstärkter Effizienz die primären Optionen zur Dekarbonisierung des Gebäudesektors sind. Hier sei mehr Klarheit in der politischen Kommunikation wünschenswert.

„Glückwunsch dazu“, sagt die Expertin

Auch beim Ausbau der erneuerbaren Energien hofft die IEA auf Kontinuität. Dort habe Deutschland in den vergangenen Jahren „sehr beeindruckende Fortschritte“ gemacht und auch die weiteren Ziele seien in Reichweite, erklärte IEA-Energieanalystin Divya Reddy, „Glückwunsch dazu“. Stefan Wenzel, Parlamentarischer Staatssekretär im BMWK, stimmte dem erwartungsgemäß zu: „Wir sind auf dem richtigen Weg und müssen diesen konsequent weitergehen“, sagte er in Richtung der kommenden Regierung. „Eine Kehrtwende oder ein 'Jetzt-mal-Halblang' würde die Resilienz und die Zukunftsfähigkeit unseres Landes gefährden.“

Den größten Nachholbedarf sieht die IEA im Verkehrssektor.

Doch auch dort decken sich die Empfehlungen nicht mit den Plänen der kommenden Regierung: Während diese den Umstieg auf E-Autos eher verlangsamen möchte und bisher keine Einigung über neue Kaufanreize erzielen konnte, sieht die IEA den Umstieg auf E-Mobilität als entscheidenden Hebel und fordert, diesen finanziell wieder zu fördern.

Statt einer direkten Kaufprämie könnte auch ein Bonus-Malus-System genutzt werden, das konventionelle Antriebe verteuert und mit den Einnahmen daraus E-Autos fördert. Daneben drängen die internationalen Experten auf einen starken Ausbau des öffentlichen Verkehrs.

Stromsteuer-Senkung stößt auf Zustimmung

Die Vorstellung, dass die Energiewende die Wirtschaft gefährde, weist die IEA im Bericht zurück. Richtig sei vielmehr, dass diese ihre Unabhängigkeit stärke und die Wettbewerbsfähigkeit bei wichtigen Zukunftstechnologien erhöhe. Gefährdet sei die Wettbewerbsfähigkeit allerdings durch die hohen Energiepreise; diese sollten durch die Senkung von staatlichen Abgaben so stark wie möglich reduziert werden, empfiehlt die Agentur.

Und zumindest in diesem Punkt kann sich die künftige Regierung durch den Bericht bestätigt sehen: Über die Senkung der Netzentgelte und der Stromsteuer wurde bereits eine Einigung erzielt, und der ohnehin große Druck, dafür eine Finanzierungsmöglichkeit zu finden, dürfte durch den IEA-Bericht weiter gestiegen sein.







TAZ hier 7.4.2025  Von Jonas Waack

Jetzt bloß nicht aufhören

IEA zur Energiewende in Deutschland: Die deutsche Energiewende sei auf einem guten Weg, meint die Internationale Energie Agentur. Einen Politikwechsel hält sie für gefährlich.

Deutschland hat „beeindruckende Fortschritte“ bei der Energiewende gemacht. Diese könnte zum „Motor“ des Wachstums im Land werden. Das stellt die Internationale Energie Agentur IEA in einem Bericht zur deutschen Energiepolitik fest.

Gegenwärtig befinde sich Deutschland an einem „Wendepunkt“, an dem das Zeit­alter von Kernkraft, Kohle und russischem Erdgas ende. In einem Umfeld enormer geopolitischer Herausforderungen habe das Land in den vergangenen Jahren große Anstrengungen unternommen, um die Energiewende zu beschleunigen.

„Wir sind auf dem richtigen Weg, aber müssen ihn weiter beschreiten“, sagte Stefan Wenzel, Staatssekretär im Wirtschafts- und Klimaschutzministerium, bei der Vorstellung des IEA-Berichts.

Eine Kehrtwende würde nicht nur dem Kampf gegen die Erderhitzung schaden und so die Kosten von Extremwetter steigern, sondern auch die Resilienz und Zukunftsfähigkeit Europas schwächen.

IEA warnt vor fossilen Abhängigkeiten

Auch Divya Reddy, Analystin bei der IEA, betonte, dass Kontinuität bei der Energiepolitik und -finanzierung von großer Bedeutung seien, um die Vorteile der Energiewende zu erlangen.

Die IEA warnt in ihrem Bericht davor, die Kosten der Energiewende als fundamentales Hindernis zu betrachten. Nicht nur aus Klimaschutzgründen sei sie drängend. Der Angriff Russlands auf die Ukraine sei eine „krasse Mahnung“, welche Risiken mit einer Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen einhergehen.

Zudem sei die Energiewende eine Möglichkeit für die deutsche Industrie, die Konkurrenz bei den erneuerbaren Technologien der Zukunft auszustechen.

Der IEA zufolge sei die nächste Etappe der Energiewende in Deutschland, die Preise für Strom zu senken. Diese waren hierzulande 2023 unter allen 31 IEA-Mitgliedsländern die zweithöchsten. Dort, wo eine Elektrifizierung nicht möglich ist, zum Beispiel in Teilen der chemischen und Schwerindustrie, müsse die Politik zudem klare Wege zur Dekarbonisierung zeigen.

Streit um Strompreiszonen

Um die Strompreise zu senken, seien laut IEA der Einbau von smarten Stromzählern sowie der Ausbau von Stromnetzen und Stromspeichern zentral. Die Agentur spricht sich auch dafür aus, die Strompreise in Deutschland ortsabhängiger zu gestalten.

Bislang kostet Strom in ganz Deutschland gleich viel. In den aktuellen Koalitionsverhandlungen spricht sich die SPD für Strompreiszonen aus. Der Strom solle der Industrie dort günstiger zur Verfügung gestellt werden, wo er auch erzeugt wird, um ihn nicht über weite Strecken transportieren zu müssen. Die Union ist dagegen.

Verlieren würde bei ortsabhängigen Preisen wahrscheinlich unter anderem Bayern, weil Strom dort aufgrund des schleppenden Zubaus von Windkraftwerken teurer ist als zum Beispiel in Schleswig-Holstein.

Zu schwach ist der Klimaschutz weiterhin im Verkehrssektor, warnt die IEA. Um auch diesen Bereich zu dekarbonisieren seien langfristige Investitionen in den öffentlichen Nahverkehr und das Schienennetz wichtig. Außerdem müsse der Verkauf von E-Autos wieder angekurbelt werden. Der war eingebrochen, nachdem die Ampel­regierung 2023 wegen der Haushaltslücke den Kaufbonus gestrichen hatte.

IEA warnt davor, das Heizungsgesetz abzuschaffen

Das „unfassbare Erbe im Fracht- und Personentransportsektor“ und die starke Auto- und Eisenbahn­industrie hätten das Potenzial, Deutschland in der Verkehrswende voranzubringen – aber nur, wenn der Übergang zu E-Mobilität und mehr Schienenverkehr gut organisiert werde.

Die IEA warnt auch davor, das Heizungsgesetz abzuschaffen, wie es die Ko­ali­ti­ons­ver­hand­le­r*in­nen von CDU und SPD derzeit planen. Die Wärmewende könne nur gelingen, wenn Bür­ge­r*in­nen klar gesagt werde, dass Wärmepumpen und Fernwärme bei neuen Heizungen Vorrang haben sollten. Dafür müssten auch die Kommunen mit mehr Geld ausgestattet werden.

Die IEA fordert die deutsche Politik zudem auf, die Rolle von Erdgas zu „klären“. Ver­brau­che­r*in­nen und Industrie müssten wissen, mit wie viel Verbrauch und mit welchen Preisen die Bundesregierung über die nächsten Jahre rechnet. Noch wüssten vor allem Industrie und Stromerzeuger nicht, wie sie mit Erdgas verfahren sollen, während im Gebäudesektor bislang klar sei, dass die „Abhängigkeit“ von importiertem Gas verringert werden soll.

Auch eine zu hohe Nachfrage für Gas bei der Stromerzeugung dürfe nicht angenommen werden, schreibt die IEA in ihrem Bericht Gaskraftwerke gelten als notwendig, um bei hohem Strombedarf aber geringer Sonneneinstrahlung und wenig Wind flexibel Strom erzeugen zu können. Das sei aber möglicherweise gar nicht nötig, so die IEA, würden genügend Stromspeicher gebaut, die bei entsprechender Nachfrage Strom ins Netz einspeisen können.


Malte Kreutzfeldt‬ ‪@mkreutzfeldt.bsky.social‬

Was die @iea.org  in ihrem jüngsten Bericht über Deutschland aufgeschrieben hat, ist nicht nur ein ziemlich gutes Zeugnis für die Energiepolitik der Ampel-Koalition (mit Ausnahme des Verkehrssektors) – sondern auch die klare Empfehlung an die nächste Regierung, am bisherigen Kurs festzuhalten:


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