Zeit hier Eine Kolumne von Matthias Krupa, Paris 8. April 2025,
Nationalismus: Es könnte der Anfang von ihrem Ende sein
Trump hat als Vorbild ausgedient. Und auch Marine Le Pens Inszenierung als Opfer der Justiz verfängt in Frankreich nicht. Die Nationalisten schwächen so sich selbst. Nur wenige Menschen in Frankreich folgen Marine Le Pens Protestaufruf.Wer nur auf die deutschen Umfragen schaut, mag den Eindruck gewinnen, die rechten Nationalisten hätten einen Lauf. Die Zustimmung zur AfD ist so hoch wie nie, die Partei ist gefährlich nah an CDU und CSU herangerückt. In einer Umfrage für die Bild-Zeitung liegen Konservative und Nationalisten sogar gleichauf, beide bei jeweils 24 Prozent. Katastrophe! Beben! Jubel in der AfD! Vor allem die CDU reagiert nervös.
Die Umfragen seien "bitter", sagt Thorsten Frei, ihr parlamentarischer Geschäftsführer. Und verspricht: Nun werde besonders zügig über die neue Koalition verhandelt. Gute Idee. Aber man muss nicht erst die AfD im Nacken haben, um festzustellen, dass es gut wäre, wenn Deutschland besser heute als morgen eine neue Regierung hätte.
Doch Berlin ist nicht die Welt. Und wer in diesen Tagen über den deutschen Tellerrand hinausschaut, gewinnt ein anderes Bild als das vom unaufhaltsamen Aufstieg der Nationalisten.
Es bleibt überraschend still in Frankreich
In Frankreich zum Beispiel hatte Marine Le Pen am vergangenen Wochenende zu Protesten aufgerufen. Seit sie von einem Pariser Gericht wegen Veruntreuung von EU-Geldern verurteilt wurde, wird die Anführerin des Rassemblement National (RN) nicht müde, gegen die Justiz, den Rechtsstaat und überhaupt gegen "das System" zu pesten. In Paris, auf der zentralen Kundgebung des RN, versammelten sich am vergangenen Sonntag trotzdem nur ein paar Tausend Anhängerinnen und Anhänger. Das reichte für ein paar hübsche Bilder mit dem Invalidendom im Hintergrund, aber machtvolle Proteste sehen in Frankreich anders aus. Auch im Rest des Landes blieb es still – überraschend still, gemessen daran, was auf dem Spiel steht.Wenn das Urteil Bestand hat, dürfte Marine Le Pen bei der nächsten Präsidentschaftswahl, spätestens in zwei Jahren, nicht kandidieren. Die Richterinnen und Richter haben ihr das passive Wahlrecht entzogen, und zwar mit sofortiger Wirkung. Kein Wort ist Le Pen und ihren Parteifreunden seitdem zu scharf, kein Vergleich erscheint ihnen zu absurd, um das vermeintliche Unrecht zu beklagen.
Le Pen hat auf den russischen Oppositionellen Alexej Nawalny verwiesen und auf Ekrem İmamoğlu, den Bürgermeister Istanbuls. Wie wolle man den Umgang mit ihnen kritisieren, fragt sie, wenn man sie von der nächsten Wahl ausschließe? Nawalny starb nach einem Schauprozess in einer russischen Strafkolonie; İmamoğlu wurde vor wenigen Wochen willkürlich abgesetzt und sitzt seitdem in einem türkischen Gefängnis. Le Pen hingegen hält Reden, gibt Interviews und hat auch ihr Mandat als Abgeordnete in der Nationalversammlung behalten. Trotzdem, deutet sie an, drohe Frankreich sich in eine Diktatur zu verwandeln. Einer ihrer Getreuen vergleicht die Situation mit den autoritären Verhältnissen in Belarus und Venezuela.
Man muss mit Umfragen vorsichtig sein und sich vor Prognosen hüten. Aber offenbar verfängt Le Pens Versuch, sich als politisches Opfer darzustellen, nicht. Um die 60 Prozent der Französinnen und Franzosen halten ihre Verurteilung für gerechtfertigt, so haben es verschiedene Umfragen ergeben. Selbst wenn Le Pen einen Weg findet, doch noch einmal für das Präsidentenamt zu kandidieren: Ihre maßlosen Reaktionen auf die eigene Verurteilung könnten ihr mehr geschadet haben als das Urteil selbst.
Le Pen bleibt auf Distanz zu Trump
In Frankreich wird nun davon gesprochen, Le Pen würde sich "trumpisieren". Tatsächlich hat nicht nur Russlands Regierung ihre Verurteilung scheinheilig kritisiert ("Verletzung demokratischer Normen"). Auch Donald Trump, JD Vance und Elon Musk haben der Französin ihre Unterstützung versichert. Er kenne Le Pen nicht persönlich, schrieb Trump auf seiner Plattform Truth Social, aber ihre Verurteilung gleiche "einer Hexenjagd", er habe damit Erfahrung. "LIBEREZ MARINE LE PEN", forderte Trump in Versalien: Befreit Marine Le Pen. Als säße sie tatsächlich im Gefängnis.
Trump galt bislang als wichtigste Figur der rechten Nationalisten, als Vorbild und Bote einer neuen Zeit. Aber spätestens seit er die Welt mit einem Handelskrieg überzieht, will das Vorbild nicht mehr so recht funktionieren. Denn der Widerspruch, der seit jeher offensichtlich war, tritt nun offen zutage: Nationalismus funktioniert nur auf Kosten anderer Länder. Und Trumps aggressive Zollpolitik trifft nicht nur Aktionäre, sondern auch Wählerinnen und Wähler des RN oder der AfD.
Marine Le Pen hatte deshalb schon früher darauf geachtet, politisch Abstand zu Trump zu halten. Jetzt wirkt es fast so, als sei ihr dessen Unterstützung peinlich. Auf der Kundgebung des RN in Paris wurden Grußbotschaften vom ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán, von Matteo Salvini aus Italien und von Geert Wilders aus den Niederlanden eingespielt. Aber kein Wort zu Donald Trump. Natürlich gibt es zwischen den Nationalpopulisten ideologische Gemeinsamkeiten. Le Pens Reaktion auf ihre eigene Verurteilung folgt demselben Muster wie Trumps Attacken auf vermeintliche Eliten und staatliche Institutionen. Aber kann man sich ernsthaft auf einen Präsidenten berufen, der den Wohlstand der eigenen Wähler gefährdet?
Trump hat als Vorbild ausgedient. Und so könnte es sein, dass der Frühling, der nun beginnt, sich einmal als schlechter Moment, vielleicht sogar als Wendepunkt für die Internationale der Nationalisten erweist. Trotz der guten Umfragewerte für die AfD.
NTV hier 04.04.2025,
Le Pens Partei lässt die Maske fallen
Aggressive Töne nach dem Urteil: Marine Le Pen bemühte sich jahrelang um "Entdämonisierung" der Partei. Nun sind die Dämonen zurück.
Die Rechtspopulistin Le Pen bläst nach dem ersten Schock über ihre Verurteilung zum Angriff. Mit schrillen Tönen überdeckt der RN die drohende Gefängnisstrafe und stilisiert seine Präsidentschaftskandidatin zum Justizopfer. Auf der Strecke bleibt die sorgfältig gepflegte Seriosität.
Seit der Verurteilung ihrer Fraktionschefin Marine Le Pen fällt die Partei Rassemblement National (RN), die sich jahrelang um ein seriöses und regierungsfähiges Auftreten bemüht hatte, zurück in alte Reflexe. Ganz im Stile von US-Präsident Donald Trump stellt sich die Partei als Opfer einer angeblich "linken" Justiz dar und tritt zunehmend aggressiv auf, bis hin zu öffentlichen Protestaktionen, die ein Gewaltrisiko bergen. Bei den französischen Rechtspopulisten fallen die Masken.
Die Rhetorik Le Pens und ihrer Anhänger erinnert derzeit an die Zeit, als die Partei noch Front National hieß und Marine Le Pens Vater Jean-Marie Le Pen an ihrer Spitze stand. Auch der alte Le Pen gefiel sich in der Rolle des Opfers, der sich mit dem mächtigen Staat anlegt. Seine Tochter wiederum verbreitet Verschwörungstheorien, indem sie behauptet, dass der Veruntreuungs-Prozess gegen sie nur das Ziel gehabt habe, sie von der Präsidentschaftswahl 2027 auszuschließen. Sie und ihre Anhänger wettern gegen "die Eliten", "das System" und "die roten Richter".
Auf diese Weise haben sie erreicht, dass die Straftat von Le Pen und ihren Parteifreunden - die jahrelange systematische Veruntreuung von EU-Geldern in Millionenhöhe - sowie die deswegen verhängten Haft- und Geldstrafen in der öffentlichen Diskussion kaum noch eine Rolle spielen. Derzeit dreht sich alles um die Frage, ob und unter welchen Bedingungen Le Pen in zwei Jahren bei der Präsidentschaftswahl antreten kann. Kein Vergleich ist dabei zu weit hergeholt, kein Motto zu dreist: Le Pen verglich ihre Situation bereits mit dem Schicksal des in Haft gestorbenen, russischen Oppositionellen Alexej Nawalny sowie dem inhaftierten Istanbuler Bürgermeister Ekrem Imamoglu.....
hier Lubos Palata (aus Prag) 07.04.20257.
Korruptions-Prozess: Le Pen-Szenario auch in Tschechien?
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