Mittwoch, 9. April 2025

Trump hat als Vorbild ausgedient und der Korruptions-Prozess um Le Pen verläuft sich

Zeit hier  Eine Kolumne von  Matthias Krupa, Paris  8. April 2025,

Nationalismus: Es könnte der Anfang von ihrem Ende sein

Trump hat als Vorbild ausgedient. Und auch Marine Le Pens Inszenierung als Opfer der Justiz verfängt in Frankreich nicht. Die Nationalisten schwächen so sich selbst. Nur wenige Menschen in Frankreich folgen Marine Le Pens Protestaufruf.

Wer nur auf die deutschen Umfragen schaut, mag den Eindruck gewinnen, die rechten Nationalisten hätten einen Lauf. Die Zustimmung zur AfD ist so hoch wie nie, die Partei ist gefährlich nah an CDU und CSU herangerückt. In einer Umfrage für die Bild-Zeitung liegen Konservative und Nationalisten sogar gleichauf, beide bei jeweils 24 Prozent. Katastrophe! Beben! Jubel in der AfD! Vor allem die CDU reagiert nervös. 

Die Umfragen seien "bitter", sagt Thorsten Frei, ihr parlamentarischer Geschäftsführer. Und verspricht: Nun werde besonders zügig über die neue Koalition verhandelt. Gute Idee. Aber man muss nicht erst die AfD im Nacken haben, um festzustellen, dass es gut wäre, wenn Deutschland besser heute als morgen eine neue Regierung hätte. 

Doch Berlin ist nicht die Welt. Und wer in diesen Tagen über den deutschen Tellerrand hinausschaut, gewinnt ein anderes Bild als das vom unaufhaltsamen Aufstieg der Nationalisten.

Es bleibt überraschend still in Frankreich

In Frankreich zum Beispiel hatte Marine Le Pen am vergangenen Wochenende zu Protesten aufgerufen. Seit sie von einem Pariser Gericht wegen Veruntreuung von EU-Geldern verurteilt wurde, wird die Anführerin des Rassemblement National (RN) nicht müde, gegen die Justiz, den Rechtsstaat und überhaupt gegen "das System" zu pesten. In Paris, auf der zentralen Kundgebung des RN, versammelten sich am vergangenen Sonntag trotzdem nur ein paar Tausend Anhängerinnen und Anhänger. Das reichte für ein paar hübsche Bilder mit dem Invalidendom im Hintergrund, aber machtvolle Proteste sehen in Frankreich anders aus. Auch im Rest des Landes blieb es still – überraschend still, gemessen daran, was auf dem Spiel steht. 

Wenn das Urteil Bestand hat, dürfte Marine Le Pen bei der nächsten Präsidentschaftswahl, spätestens in zwei Jahren, nicht kandidieren. Die Richterinnen und Richter haben ihr das passive Wahlrecht entzogen, und zwar mit sofortiger Wirkung. Kein Wort ist Le Pen und ihren Parteifreunden seitdem zu scharf, kein Vergleich erscheint ihnen zu absurd, um das vermeintliche Unrecht zu beklagen. 

Le Pen hat auf den russischen Oppositionellen Alexej Nawalny verwiesen und auf Ekrem İmamoğlu, den Bürgermeister Istanbuls. Wie wolle man den Umgang mit ihnen kritisieren, fragt sie, wenn man sie von der nächsten Wahl ausschließe? Nawalny starb nach einem Schauprozess in einer russischen Strafkolonie; İmamoğlu wurde vor wenigen Wochen willkürlich abgesetzt und sitzt seitdem in einem türkischen Gefängnis. Le Pen hingegen hält Reden, gibt Interviews und hat auch ihr Mandat als Abgeordnete in der Nationalversammlung behalten. Trotzdem, deutet sie an, drohe Frankreich sich in eine Diktatur zu verwandeln. Einer ihrer Getreuen vergleicht die Situation mit den autoritären Verhältnissen in Belarus und Venezuela. 

Man muss mit Umfragen vorsichtig sein und sich vor Prognosen hüten. Aber offenbar verfängt Le Pens Versuch, sich als politisches Opfer darzustellen, nicht. Um die 60 Prozent der Französinnen und Franzosen halten ihre Verurteilung für gerechtfertigt, so haben es verschiedene Umfragen ergeben. Selbst wenn Le Pen einen Weg findet, doch noch einmal für das Präsidentenamt zu kandidieren: Ihre maßlosen Reaktionen auf die eigene Verurteilung könnten ihr mehr geschadet haben als das Urteil selbst.

Le Pen bleibt auf Distanz zu Trump

In Frankreich wird nun davon gesprochen, Le Pen würde sich "trumpisieren". Tatsächlich hat nicht nur Russlands Regierung ihre Verurteilung scheinheilig kritisiert ("Verletzung demokratischer Normen"). Auch Donald Trump, JD Vance und Elon Musk haben der Französin ihre Unterstützung versichert. Er kenne Le Pen nicht persönlich, schrieb Trump auf seiner Plattform Truth Social, aber ihre Verurteilung gleiche "einer Hexenjagd", er habe damit Erfahrung. "LIBEREZ MARINE LE PEN", forderte Trump in Versalien: Befreit Marine Le Pen. Als säße sie tatsächlich im Gefängnis. 

Trump galt bislang als wichtigste Figur der rechten Nationalisten, als Vorbild und Bote einer neuen Zeit. Aber spätestens seit er die Welt mit einem Handelskrieg überzieht, will das Vorbild nicht mehr so recht funktionieren. Denn der Widerspruch, der seit jeher offensichtlich war, tritt nun offen zutage: Nationalismus funktioniert nur auf Kosten anderer Länder. Und Trumps aggressive Zollpolitik trifft nicht nur Aktionäre, sondern auch Wählerinnen und Wähler des RN oder der AfD. 

Marine Le Pen hatte deshalb schon früher darauf geachtet, politisch Abstand zu Trump zu halten. Jetzt wirkt es fast so, als sei ihr dessen Unterstützung peinlich. Auf der Kundgebung des RN in Paris wurden Grußbotschaften vom ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán, von Matteo Salvini aus Italien und von Geert Wilders aus den Niederlanden eingespielt. Aber kein Wort zu Donald Trump. Natürlich gibt es zwischen den Nationalpopulisten ideologische Gemeinsamkeiten. Le Pens Reaktion auf ihre eigene Verurteilung folgt demselben Muster wie Trumps Attacken auf vermeintliche Eliten und staatliche Institutionen. Aber kann man sich ernsthaft auf einen Präsidenten berufen, der den Wohlstand der eigenen Wähler gefährdet? 

Trump hat als Vorbild ausgedient. Und so könnte es sein, dass der Frühling, der nun beginnt, sich einmal als schlechter Moment, vielleicht sogar als Wendepunkt für die Internationale der Nationalisten erweist. Trotz der guten Umfragewerte für die AfD.


NTV hier 04.04.2025,

Le Pens Partei lässt die Maske fallen

Aggressive Töne nach dem Urteil: Marine Le Pen bemühte sich jahrelang um "Entdämonisierung" der Partei. Nun sind die Dämonen zurück. 

Die Rechtspopulistin Le Pen bläst nach dem ersten Schock über ihre Verurteilung zum Angriff. Mit schrillen Tönen überdeckt der RN die drohende Gefängnisstrafe und stilisiert seine Präsidentschaftskandidatin zum Justizopfer. Auf der Strecke bleibt die sorgfältig gepflegte Seriosität.

Seit der Verurteilung ihrer Fraktionschefin Marine Le Pen fällt die Partei Rassemblement National (RN), die sich jahrelang um ein seriöses und regierungsfähiges Auftreten bemüht hatte, zurück in alte Reflexe. Ganz im Stile von US-Präsident Donald Trump stellt sich die Partei als Opfer einer angeblich "linken" Justiz dar und tritt zunehmend aggressiv auf, bis hin zu öffentlichen Protestaktionen, die ein Gewaltrisiko bergen. Bei den französischen Rechtspopulisten fallen die Masken.

Die Rhetorik Le Pens und ihrer Anhänger erinnert derzeit an die Zeit, als die Partei noch Front National hieß und Marine Le Pens Vater Jean-Marie Le Pen an ihrer Spitze stand. Auch der alte Le Pen gefiel sich in der Rolle des Opfers, der sich mit dem mächtigen Staat anlegt. Seine Tochter wiederum verbreitet Verschwörungstheorien, indem sie behauptet, dass der Veruntreuungs-Prozess gegen sie nur das Ziel gehabt habe, sie von der Präsidentschaftswahl 2027 auszuschließen. Sie und ihre Anhänger wettern gegen "die Eliten", "das System" und "die roten Richter".

Auf diese Weise haben sie erreicht, dass die Straftat von Le Pen und ihren Parteifreunden - die jahrelange systematische Veruntreuung von EU-Geldern in Millionenhöhe - sowie die deswegen verhängten Haft- und Geldstrafen in der öffentlichen Diskussion kaum noch eine Rolle spielen. Derzeit dreht sich alles um die Frage, ob und unter welchen Bedingungen Le Pen in zwei Jahren bei der Präsidentschaftswahl antreten kann. Kein Vergleich ist dabei zu weit hergeholt, kein Motto zu dreist: Le Pen verglich ihre Situation bereits mit dem Schicksal des in Haft gestorbenen, russischen Oppositionellen Alexej Nawalny sowie dem inhaftierten Istanbuler Bürgermeister Ekrem Imamoglu.....


hier Lubos Palata (aus Prag)  07.04.20257. 

Korruptions-Prozess: Le Pen-Szenario auch in Tschechien?

Der tschechische Oppositionspolitiker Andrej Babis will im Herbst zurück an die Macht. Doch ihm droht eine Verurteilung und - ähnlich wie der französischen Politikerin Marine Le Pen - ein politisches Betätigungsverbot.

Bereits seit rund zehn Jahren bewegt der Fall Capi hnizdo (Storchennest) die Tschechische Republik. Wenige Monate vor den Parlamentswahlen im kommenden September geht der Fall um mutmaßlich missbräuchliche Verwendung von EU-Zuschüssen nun in seine möglicherweise letzte Runde. Voraussichtlich im Juni wird der Oberste Gerichtshof der Tschechischen Republik über die Schuld oder Unschuld von Oppositionsführer Andrej Babis und seiner Mitangeklagten, der Europaabgeordneten Jana Nagyova, entscheiden.

Vor wenigen Tagen hat das Europäische Parlament Nagyovas Immunität aufgehoben und damit den Weg für die Fortsetzung des Prozesses freigemacht. Nur zwei Tage nach der Aufhebung der Immunität nahm das Gericht die unterbrochenen Verhandlungen wieder auf.

Der Fall zeigt viele Ähnlichkeiten mit dem Prozess gegen Marine Le Pen in Frankreich. Die Spitzenpolitikerin des rechtspopulistischen Rassemblement National wurde am 31.03.2025 wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder des EU-Parlaments zu vier Jahren Haft und dem Entzug des passiven Wahlrechts für fünf Jahre verurteilt.

Auch das tschechische Gericht könnte gegen Andrej Babis im Fall seiner Verurteilung ein politisches Betätigungsverbot verhängen. Damit wäre seine Hoffnung, nach vier Jahren in der Opposition wieder an die Macht zurückzukehren, zunichte gemacht. 

Milliardär, Oligarch, Spitzenpolitiker
Der im slowakischen Bratislava geborene Andrej Babis ist Multimilliardär und gilt als zweitreichster Mann Tschechiens. Er ist Gründer der Holdinggesellschaft Agrofert, zu der Firmen im Agrar-, Lebensmittel- und Chemiebereich gehören. Seit 2011 steht er an der Spitze der ANO-Bewegung (Aktion unzufriedener Bürger), mit der er  2017 die Parlamentswahl gewann und Regierungschef wurde. Die Wahl 2021 verlor er jedoch und musste in die Opposition gehen. Im Januar 2023 trat er als Kandidat zur Präsidentschaftswahl an, unterlag jedoch seinem Rivalen, dem populären Ex-NATO-General Petr Pavel.

In dem Fall, der vor dem Obersten Tschechischen Gericht verhandelt wird, geht es um das etwa dreißig Kilometer von Prag entfernte Wellness-Anwesen Capi hnizdo, das Babis als repräsentative Residenz dient. Es wurde 2008 formell aus dem Agrofert-Konzern ausgegliedert, um in den Genuss von EU-Subventionen für kleine Unternehmen zu kommen. Jahre später wurde es dann wieder in den Konzern eingegliedert. Das Storchennest erhielt etwa zwei Millionen Euro Unterstützung aus Brüssel. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft handelt es sich um einen Subventionsbetrug.

Freispruch und neuer Prozess
Am 9.01.2023 wurde Babis vor dem Stadtgericht von Prag freigesprochen, doch schon im November des gleichen Jahres wurde das Urteil aufgehoben und der Fall zur Neuverhandlung an das Oberste Gericht verwiesen. Neben Babis wurde auch seine ehemalige Mitarbeiterin Jana Nagyova angeklagt. Sie hatte den Subventionsantrag für das Storchennest eingereicht. Durch ihren Einzug ins Europaparlament erhielt sie jedoch parlamentarische Immunität, und so musste der Prozess zunächst unterbrochen werden.

Nach dem Strafgesetzbuch drohen Babis und Nagyova bis zu 10 Jahre Haft. Außerdem kann ein Verbot der politischen Tätigkeit verhängt werden, so wie im Fall des wegen Korruption verurteilten ehemaligen Gesundheitsministers David Rath von den Sozialdemokraten. Er wurde im Jahr 2022 zu einer siebenjährigen Haftstrafe und einem achtjährigen Berufsverbot verurteilt.

Politisches Betätigungsverbot?
Der Politikwissenschaftler Stanislav Balik von der Masaryk-Universität in Brünn bezweifelt jedoch, ob das Gericht auch im Fall Babis so verfahren wird. "Im tschechischen Recht haben wir zwar die Möglichkeit, öffentliche Tätigkeiten zu verbieten, aber die Gerichte treffen nur sehr selten solche Entscheidungen", sagt er der DW. "In Frankreich ist das anders. Dort wurde zum Beispiel kürzlich ein ehemaliger Premierminister verurteilt, und auch Bürgermeister und andere Politiker werden häufig vor Gericht gestellt. Die Urteile beinhalten in der Regel ein Verbot der politischen Tätigkeit."

In der Tschechischen Republik scheue man vor einem Verbot politischer Betätigung meistens zurück. Das liege an den Erfahrungen mit dem kommunistischen Regime der Vergangenheit, das diese Strafe missbräuchlich verhängt habe, um Oppositionelle mundtot zu machen und aus der Politik zu verbannen.

Deutlicher Vorsprung in den Umfragen 
Es ist auch fraglich, wie eine Verurteilung von Babis und Nagyova auf die Anhänger von ANO wirken würden. Aktuelle Umfragen sehen die rechtspopulistische Partei, die im Europaparlament Mitglied der rechtsextremen Fraktion "Patrioten für Europa" ist, bei mehr als 30 Prozent Zustimmung. Damit liegt sie zehn Prozentpunkte vor der Mitte-Rechts-Dreierkoalition des tschechischen Premierministers Petr Fiala. Dies liege auch an der langen Dauer der Strafverfolgung im Fall Capi hnizdo von 2008 bis heute, so Balik. Für Anhänger und Gegner des Oligarchen sei der Fall bereits in Vergessenheit geraten.

Sollte Babis im September also trotz seiner Verwicklung in Korruption und Strafverfolgung die Wahl gewinnen, wird Präsident Petr Pavel ihn mit der Regierungsbildung beauftragen.

In einem Interview mit der Nachrichtenwebseite Seznam.cz sagte das Staatsoberhaupt: "Wenn jemand nicht nur die Wahlen gewinnt, sondern auch in der Lage ist, eindeutig die Unterstützung im Parlament zu gewinnen, dann gibt es keinen Grund, ihn nicht mit der Regierungsbildung zu beauftragen."

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