Die EU hat als Ziel erklärt, bis 2027 von russischem Gas unabhängig zu sein. Doch viele Unternehmen stecken noch in langfristigen Verträgen. Es soll jetzt aber Auswege geben.
Es ist ein Dilemma, in dem sich Europa seit mehr als drei Jahren befindet. Auf der einen Seite wollen die meisten EU-Länder kein Gas mehr aus Russland beziehen, denn sie wollen keinen Cent in die Kriegsmaschinerie von Kremlchef Wladimir Putin stecken.
Doch das ist alles andere als einfach: Die Abhängigkeit Europas von russischem Gas ist enorm, die Energie ist verlockend billig und viele Unternehmen stecken in langfristigen Verträgen fest, aus denen sie ohne Strafzahlungen nicht herauskommen.
EU-Embargo auf Gas aus Russland hat keine Aussicht auf Erfolg: Ungarn bremst
Aus diesem Grund gibt es auch (noch) kein EU-Embargo auf russisches Gas, wie es beim Öl schon lange gibt. Doch nach dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine hat sich Europa auf die Fahne geschrieben, bis 2027 kein Gas mehr aus Russland zu beziehen. Dazu sollten die EU-Länder ihre eigenen Abhängigkeiten verringern und nach alternativen Energiequellen suchen. Das haben einige Länder, wie Deutschland und Österreich, getan. Andere, wie beispielsweise Ungarn, verweigern jeglichen Boykott der russischen Energie.
Für die Unternehmen, die sich als Begründung für ihre weiteren Gasimporte auf langfristige Verträge berufen, hat die EU nun möglicherweise eine Lösung gefunden, wie die Financial Times berichtet. Ursprünglich sollte ein EU-weit verbindlicher Fahrplan im März veröffentlicht werden, wurde aber aufgrund der neuen Bedrohung aus den USA verschoben. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will den Bericht aber „in den nächsten drei bis vier Wochen“ vorlegen, so die FT weiter.
Der Zeitung zufolge will die Kommission darin Unternehmen die Möglichkeit geben, die sogenannte Force-Majeure-Klausel anzuwenden, um sich aus langfristigen Gas-Verträgen mit Russland zu entziehen.
Force Majeure
Force Majeure ist französisch für „höhere Gewalt“. Viele Verträge enthalten Klauseln, die den Vertragspartnern im Fall einer Force Majeure – also eines Ereignisses außer der Kontrolle der Vertragspartner – den Vertrag aufzulösen oder ganz oder in Teilen nicht zu erfüllen. Nach Angaben der Industrie- und Handelskammer entfallen darunter Kriege, Revolutionen, Naturkatastrophen und Pandemien.
Nach Angaben mehrerer Beamten in Brüssel, die die FT zitiert, ist allerdings umstritten, ob die Force-Majeure-Klausel im Ukraine-Krieg wirklich Anwendung finden kann. Darüber hinaus kennen die Juristen in Brüssel die Inhalte der Verträge nicht oder nicht immer – sie sind in der Regel geheim.
Neue Idee gegen Gas aus Russland: Zölle auf Putin-Importe
Weiteres Problem bei der Erstellung des Pfads auf dem Weg zur Unabhängigkeit von russischem Gas sind nach wie vor Kreml-freundliche Länder wie Ungarn oder die Slowakei. Beide haben bereits angekündigt, dass sie Sanktionen gegen russisches Gas blockieren würden. Aus diesem Grund gibt es solche Sanktionen auch nicht, wobei es Beschränkungen zum Beispiel auf russisches LNG gibt. Investitionen in neue Projekte, die Russland zugutekommen würden, sind ebenfalls untersagt.
In Brüssel wird aber jetzt eine neue Idee diskutiert – eine, die ausgerechnet US-Präsident Donald Trump ins Spiel gebracht haben könnte: Zölle. Für Zölle auf russisches Gas bräuchte es auch nicht Ungarn oder die Slowakei, da eine einfache Mehrheit ausreichen würde. Aufgekommen ist die Idee durch die Denkfabrik Bruegel. Sie hätten den Vorteil, so schreiben die Analysten, dass sie nebenbei noch Einnahmen für die EU generieren würden. Dieses Geld könnten die Mitgliedsstaaten dann investieren, um Industrien und Länder mit besonderer Abhängigkeit von Putins Gas zu stützen.
Zölle auf russisches Gas könnten auch den Kreml zwingen, die Gaspreise zu senken, so Bruegel weiter. Denn wenn Russland weiter dieselben Mengen an Gas exportieren will, wie bisher, muss der Preis wettbewerbsfähig bleiben. Das könnte den russischen Staat dazu zwingen, die Kosten für die Zölle zu schlucken – eine weitere Schwächung der ohnehin schon destabilisierten Wirtschaft.
Dies sehen die Analysten als besseren Weg als eine Quotenlösung oder Totalsanktionen an, da letztere die Gaspreise nochmal deutlich erhöhen würde. Sanktionen hätten allerdings den Vorteil, dass Unternehmen dann in jedem Fall die Force-Majeure-Klausel anwenden könnten. Bei Zöllen gilt dies nicht.
EU will Fahrplan für Gas-Ende aus Russland vorlegen – Trump als neue Bedrohung
Der EU-Fahrplan zur Reduktion der Abhängigkeit von russischem Gas gewinnt gerade auch wegen den USA an Brisanz. Trump wütet in seinem Handelskrieg weiter und scheint die EU besonders auf dem Kieker zu haben. Das veranlasst einige in Brüssel, nun auch über die Abhängigkeit von LNG aus den USA neu nachzudenken. Norwegen und die USA sind aktuell die größten Gaslieferanten der EU. Trump wünscht sich, dass Europa noch mehr Gas aus den Vereinigten Staaten importiert.
Für die EU wird das Gas-Thema also immer gefährlicher. Es gilt jetzt mehr denn je, zu diversifizieren und nicht mit den USA denselben Fehler zu wiederholen, wie einst mit Russland.
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