Cleanteching hier 22.4.25 Rico Grimm
Kommen so die Langzeitspeicher?
Ich habe die Strategie der Bundesregierung zu Wasserstoffspeichern gelesen.
Heute schauen wir auf Wasserstoffspeicher. Sie gelten als Schlüssel im Kampf gegen Dunkelflauten. Denn sie können Energie über Monate hinweg speichern. Die Bundesregierung hat dazu eine Strategie vorgelegt. Ich will wissen, wann wir mit den ersten großen Speichern rechnen können.
Vergangene Woche veröffentlichte das Wirtschaftsministerium das Weißbuch Wasserstoffspeicher.
Dieses Dokument ist aus zwei Gründen wichtig:
- Weißbücher sind der letzte Schritt vor einem Gesetzesprozess. Sie zeigen die grundlegende Richtung und konkrete Vorschläge. Sie signalisieren: Es wird ernst.
- Wasserstoffspeicher könnten ein Schlüssel für die Energiewende in Deutschland sein, da sie Energie wirtschaftlich über lange Zeiträume speichern können – im Gegensatz zu Batteriespeichern.
Das Weißbuch kann uns verraten, ob und wann wir diese Langzeitspeicher bekommen.
Mini-Crashkurs: Wasserstoff in Salzkavernen speichern
Sogenannte Elektrolyseure spalten Wasser (H₂O) in Wasserstoff (H₂) und Sauerstoff (O) auf.
Der Wasserstoff, der entsteht, lässt sich speichern und später in Kraftwerken verfeuern, ähnlich wie herkömmliches Erdgas.
Idealerweise laufen die Elektrolyseure bei hohem Stromangebot durch Sonne und Wind, um H2 mit sonst verschwendeter Energie zu produzieren. Im Sommer gibt es durch viele Solaranlagen reichlich Strom.
Im Winter kann der Wasserstoff genutzt werden, um dunkle, windarme Zeiten zu überbrücken, die als Dunkelflaute bezeichnet werden. Wasserstoffkraftwerke springen ein, um das Stromnetz stabil zu halten.
Heute werden 30 % des Erdgases in ehemaligen Salzbergwerken und unterirdischen Hohlräumen, sogenannten Kavernen, gespeichert (PDF). Diese Speicher ließen sich umrüsten.Deutschland und die Ukraine spielen eine Schlüsselrolle. Sie haben das höchste geologische Potenzial für Kavernen und Wasserstoffspeicher.
In deutschen Kavernen ließen sich 9,4 Petawattstunden speichern. Damit ließe sich der Strombedarf Deutschlands über hundert Jahre decken.
Uniper testet einen H2-Speicher in Krummhörn, Niedersachsen. Ein EWE-Pilotprojekt nahe Berlin war erfolgreich. In Bad Lauchstädt, Sachsen-Anhalt, wird der kommerzielle Betrieb vorbereitet. Das Gleiche tut Storengy in Stade.
Wasserstoffspeicher sind gleichzeitig extrem teuer und extrem billig
Das zentrale Problem: Energie langfristig zu speichern, ist teuer, unabhängig von der Technologie. Ein Langzeitspeicher entlädt nur ein- oder zweimal im Jahr. Diese Entladungen müssen reichen, um das Projekt zu finanzieren.
Aber es gibt auch einen zentralen Vorteil: Wasserstoff, der in Kavernen gespeichert wird, ist deutlich billiger als Batteriespeicher auf die einzelne Kilowattstunde gerechnet.
Bei einem herkömmlichen Batterie-Großspeicher kostet die Batterie deutlich über 100 Euro pro KWh. Bei einem Wasserstoffspeicher höchstens 0,06 Euro.
Ein Lithium-Ionen-Batteriespeicher mit 10 MW Leistung und sehr langer 700 MWh Kapazität würde $2,1 Milliarden kosten. Ein vergleichbarer Wasserstoffspeicher nur $260 Millionen (Quelle: Energy Storage Ninja).
Jede Kilowattstunde, die in Batterien gespeichert wird, muss mit teuren Rohstoffen, aufwendigen Produktionsverfahren und langen Transporten der fertigen Batterien erkauft werden. Die Salzkavernen für Wasserstoff hingegen existieren bereits. Die eigentliche Speicherung ist billiger.
Batteriespeicher sind wie Regale, die nach komplizierter Anleitung zusammengebaut werden müssen. Wasserstoffspeicher in Kavernen sind wie ein Lagerhaus, das bereits steht und nur noch gefüllt werden muss.
Was die Bundesregierung mit Wasserstoffspeichern vorhat
Wasserstoffspeicher sind ein zentraler Baustein der Energiewende für die Regierung.
Drei Punkte aus dem Weißbuch sind wichtig:
- Finanzierung – Die Regierung will die Speicher nicht direkt fördern, sondern indirekt. Nicht wer speichert, soll Geld vom Staat erhalten, sondern wer Wasserstoff für seine tägliche Arbeit in der Energiewirtschaft und der Industrie braucht. Damit wolle die Regierung Überkapazitäten verhindern und den Ausbau der Kavernenspeicher an den Hochlauf der H2-Wertschöpfungskette koppeln. (Andere mögliche Fördermethoden in Kapitel 9.3.2 des Weißbuchs)
- Nachfrage fördern – Grüne Leitmärkte für Stahl und Zement sollen sich entwickeln „durch Labels, Produktanforderungen oder Beschaffungskriterien“. Das Weißbuch nennt auch die Klimaschutzverträge, die Mehrkosten für wasserstoffbasierte Produktion ausgleichen, sowie Kapazitätsmärkte, bei denen Betreiber eine Entschädigung zum Vorhalten von Energiekapazität bekommen.
- Beschleunigter Ausbau – Die Bundesregierung erkennt an, dass Genehmigungen für diese Anlagen lange dauern und empfiehlt, die Gesetze zu reformieren.
Wann die ersten Speicher kommen könnten
Die Bundesregierung nennt kein konkretes Datum, macht aber mit ihrer Strategie klar, dass zuerst die Wasserstoffwirtschaft in Fahrt kommen muss, bevor Wasserstoffspeicher im großen Maßstab gebaut werden.
Die üblichen Szenarien rechnen bis Ende des Jahrzehnts mit mindestens 2 TWh Speicherkapazität. Erst Mitte des Jahrhunderts entfaltet sich der Markt komplett, wie diese Übersicht der verschiedenen Szenarien zeigt:
🍏 Was ich denke
Wir brauchen saisonale Speicher. Ein vielversprechender Kandidat in Deutschland ist Wasserstoff in Salzkavernen.
Umwandlungsverluste spielen dabei nur eine Nebenrolle. Wasserstoffspeicher würden als letzte Reserve gedacht sein und könnten auch so vergütet werden. Sie liefern für die Langzeitspeicherung genug Bang for the Buck, um ihren Einsatz zu rechtfertigen. (Aber hoffentlich nur im sprichwörtlichen Sinne, denn Wasserstoff ist hochexplosiv.)
Ein Blick auf die Karte verrät dabei, dass Deutschland mit seinen großen Kavernen ein wichtiger Link zwischen der windreichen Nordsee und den sonnenreichen Ländern Südeuropas werden kann. So könnte Deutschland einen hauseigenen Vorteil zum Wohle des gesamten europäischen Energienetzes ausspielen.
Dieses Weißbuch skizziert grundsätzlich die richtige Strategie. Denn ein Problem der Wasserstoffwirtschaft in Deutschland? Sie gibt es bisher eigentlich nicht.
Der Hochlauf stockt, die Vorstellungen aus dem Jahr 2020 sind überholt. Aber ohne Elektrolysekapazität und flexible Industriekunden sind auch H2-Speicher nicht denkbar.
Allerdings ist dieses Weißbuch noch unter Federführung von Robert Habeck entstanden.
Was würde ein Energieminister Jens Spahn tun?
Die Voraussetzungen für H2-Speicher in Deutschland sind perfekt. Ausgezeichnete Geologie, großer Bedarf in der Industrie, ein Wasserstoff-Kernnetz kommt und Firmen wie Nucera und Sunfire haben das Elektrolyseur-Know-how. Nur eine Sache fehlt: Grüner Strom in rauen Mengen.
Er ist theoretisch leicht zu beschaffen: einfach weiter Erneuerbare ausbauen. Nicht bremsen, nicht ablenken lassen von „Reformvorschlägen“, die alles verzögern. Kann das Schwarz-Rot leisten? Der Koalitionsvertrag bläst nicht zur Erneuerbaren-Offensive.
Ein Szenario ist möglich: Deutschland hat die komplette H2-Infrastruktur hochgezogen, weltmeisterlich sorgfältig, aber am Ende fehlt das H2. Der Import wäre teuer, die Herstellung in Deutschland noch teurer und Schuld hätte dann nicht eine verfehlte Industriepolitik, sondern – na klar – die Energiewende.
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In Deutschlands Untergrund schlummert genug Speicherkapazität für 100 Jahre Stromversorgung. Der Haken? Wir können sie noch nicht nutzen.
Das neue Weißbuch Wasserstoffspeicher des BMWK skizziert, wie Deutschland mit Wasserstoff in Salzkavernen die saisonale Energiespeicherung meistern kann. Deutschland hat dabei einzigartige geologische Bedingungen, wie diese Karte zeigt.
Die Bundesregierung will nicht die Speicher direkt fördern, sondern die H2-Nachfrage ankurbeln (clever!) und Genehmigungen beschleunigen. Der Plan: Den Ausbau an den realen Bedarf koppeln. So lassen sich teure Subventionen vermeiden.
Grundsätzlich gilt: Energie langfristig zu speichern, ist teuer – unabhängig von der Technologie. Ein Langzeitspeicher entlädt nur ein- oder zweimal im Jahr. Diese Entladungen müssen reichen, um das Projekt zu finanzieren.
Aber H2-Speicher in Salzkavernen haben auch einen zentralen Vorteil: Wasserstoff, der in Kavernen gespeichert wird, ist deutlich billiger als Batteriespeicher auf die einzelne Kilowattstunde gerechnet. Ein Lithium-Ionen-Batteriespeicher mit 10 MW Leistung und sehr langer 700 MWh Kapazität würde $2,1 Milliarden kosten. Ein vergleichbarer Wasserstoffspeicher nur $260 Millionen.
Die Voraussetzungen für H2-Speicher in Deutschland sind perfekt. Eine Strategie steht. Wir haben ausgezeichnete Geologie, großen Bedarf in der Industrie, ein Wasserstoff-Kernnetz kommt und Firmen wie Nucera und Sunfire haben das Elektrolyseur-Know-how.
Nur eine Sache fehlt: eine echte Wasserstoffwirtschaft. Hier hakt es seit Jahren.
Das bedeutet im Umkehrschluss: Wir Cleantechies müssen jetzt genauer schauen, wo der H2-Hochlauf steht. Über H2-Autos haben wir uns lange genug lustig gemacht. 😉
Der Preis jedenfalls wäre es wert: Deutschland kann mit seinen Kavernenspeichern zu einem echten Energie-Hub für ganz Europa werden – so wie die Nordsee mit der Windkraft, Norwegen mit Wasserkraft, die iberische Halbinsel mit Solar.
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