Montag, 21. April 2025

„Brandgefährlich“ - Frontalangriff auf die zivilgesellschaftliche Kontrolle

 Wenn man noch Zweifel hat, ob die neue Koalition diesen Angriff starten wird, dann muss man vermutlich nur an die Diskussionen zum§ 13 a (hier) denken - der nach viel zu langer Laufzeit schließlich aufgrund des  Europarechts zurückgenommen werden musste. Trotzdem wurde jahrelang sehr viel zerstört damit.

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"Umweltpolitik lebt davon, dass Informationen zur Verfügung gestellt werden, dass sie öffentlich und transparent sind. Ich bin in einem Land groß geworden, in dem es verboten war, Daten über die Umwelt zu publizieren. Dafür sind Leute in den Knast gegangen, von der Stasi verfolgt worden.

Ich halte es wirklich für fatal, wenn das Recht auf Umweltinformationen und auch das daraus resultierende Verbandsklagerecht in diesen Zeiten, da Umwelt und Natur immer stärker unter Druck kommen, geschliffen oder gar abgeschafft würden", sagt die Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) zu den Plänen der kommenden Merz-Regierung.


‪Christoph Bautz‬ ‪@christophbautz.bsky.social‬

Erst das Informationsfreiheitsgesetz, dann das Verbandsklagerecht – und jetzt soll auch noch das Bundeskartellamt geschwächt werden. Die Merz-Union setzt ihre Anti-Transparenz-Agenda fort. 

Das Ziel: weniger Kontrolle, weniger Einsicht, weniger Verbraucherschutz.

Ein kurzer 🧵

Die Reform von 2023 erlaubt dem Kartellamt, auch ohne konkreten Gesetzesverstoß gegen Marktversagen vorzugehen – z.B. bei überteuerten Spritpreisen. Genau das will die Union kippen. Mitten in einem Verfahren gegen undurchsichtige Preisbildung.

Wer das Kartellamt entmachtet, schützt nicht die Bürger, sondern die Preistreiber. Die SPD darf das nicht durchwinken – sonst wird Transparenz zum ersten Opfer einer schwarz-roten Koalition.


hier Frankfurter Rundschau 14.04.2025  Von: Moritz Maier

„Brandgefährlich“ – Merz‘ Koalition will Klagerecht einschränken

Schwarz-Rot will es Verbänden erschweren, im Namen der Natur zu klagen. Wird im Namen der Entbürokratisierung der Naturschutz einkassiert?

Tauscht die Union den Naturschutz gegen schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren ein? Die im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD vorgesehene Einschränkung des Verbandsklagerechts lässt das vermuten. Was trocken klingt, kann in der Praxis weitreichende Auswirkungen haben. Denn das Verbandsklagerecht ermöglicht es etwa Naturschutzorganisationen, bei Umweltschutzverletzungen zu klagen. Entsprechend laut kritisierten nun gleich mehrere Seiten die künftige Bundesregierung dafür, dieses Recht einzuschränken.

Linke und Umweltverbände kritisieren Koalitionsvertrag von Union und SPD scharf

„Die neue Koalition hat es geschafft: Während sie öffentlich noch mit Floskeln zur Demokratie und zur Nachhaltigkeit um sich wirft, startet sie hinter verschlossenen Türen einen Angriff auf die Zivilgesellschaft“, formuliert Linke-Chefin Ines Schwerdtner gegenüber dieser Redaktion ihre Kritik an den schwarz-roten Plänen. „Wer sich fragt, wie man gleichzeitig gegen demokratische Mitbestimmung und effektiven Umweltschutz vorgehen kann, muss nur in diesen Koalitionsvertrag schauen. Das ist kein Reformvorhaben – das ist ein Frontalangriff auf die zivilgesellschaftliche Kontrolle“, warnt Schwerdtner vor den Plänen zur Verbandsklage.

Mit dem Verbandsklagerecht haben Umweltverbände die Möglichkeit, gegen Verstöße beim Naturschutz vorzugehen. Geht es nach Schwarz-Rot, soll dieses Recht eingeschränkt werden. Für die Natur könnte das immense Negativfolgen haben, befürchten Kritiker.

Doch was genau plant die künftige Bundesregierung rund um Friedrich Merz (CDU)? Der Koalitionsvertrag gibt Klarheit: „Das Verbandsklagerecht vor Verwaltungsgerichten werden wir reformieren, straffen und auf die tatsächliche Betroffenheit ausrichten. Wir werden es bis auf das europarechtliche Mindestmaß absenken und durch Initiativen der Bundesregierung auf eine weitere internationale Reduzierung hinwirken“, heißt es im Papier von Schwarz-Rot. Weiter sollen Schwellenwerte für die sogenannte Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) angehoben werden.


Heißt: Verbänden soll es künftig erschwert werden,
im Namen des Naturschutzes zu klagen. 

Außerdem soll durch die höheren Hürden für die UVP vorab seltener eine Prüfung von etwa Baumaßnahmen auf deren Umweltverträglichkeit erfolgen. Das Verbandsklagerecht ist für den Naturschutz wichtig, weil nur damit geklagt werden kann, wenn Einzelpersonen nicht direkt von einem Vorhaben betroffen sind.

Schwerer Schlag von Merz‘ Koalition für Umweltschutz und Demokratie?

Wäre es nach der CDU gegangen, hätte das Verbandsklagerecht in Teilen komplett abgeschafft werden sollen, wie ein Blick ins Wahlprogramm zeigt. „Die zuständigen Behörden müssen eine zügige Prüfung der eingereichten Unterlagen gewährleisten – gerade bei Bau, Verkehr und digitalen Infrastrukturen. Damit wichtige Zukunftsprojekte nicht sinnlos boykottiert werden, schaffen wir das Verbandsklagerecht für Infrastrukturvorhaben ab.“

Für Linke-Chefin Schwerdtner ist der Koalitionsvertrag das genaue Gegenteil von dem, was es gerade brauche: „Das Verbandsklagerecht war bislang ein Instrument, dort einzuschreiten, wo Politik und Wirtschaft gern mal die Augen zudrücken – etwa bei Industrieprojekten, die Natur zerstören, oder bei Genehmigungsverfahren, in denen Umweltauflagen unter den Teppich gekehrt werden.“

Union und SPD versuchten, „Verbänden Stück für Stück ihre Rechte zu entziehen und ihnen so ihre für die Demokratie so wichtige Schlagkraft zu nehmen“, so der Vorwurf der Linke. Die kritische Zivilgesellschaft wird Schwerdtner zufolge so aus dem Rechtsstaat herausgedrängt. „Das ist nicht nur klimapolitisch fatal, es ist demokratisch brandgefährlich.“

Umweltverband schlägt wegen Koalitionsvertrag Alarm

Die Koalitionspläne sorgen aber nicht nur bei der Opposition für Unverständnis. Auch der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) zeigt sich auf Anfrage unserer Redaktion empört über die geplanten Einschränkungen im Verbandsklagerecht. „Was harmlos klingt, könnte in Wahrheit ein gefährlicher Ein­griff in demokratische Mit­wirkungsrechte sein. Hier geht es um die Be­tei­li­gung von Bürgerinnen und Bürger an staatlichen Entscheidungen. Für Natur und Um­welt könnten die Fol­gen katastrophal sein“, sagt BUND-Vorsitzender Olaf Bandt.

Der BUND ist einer der Umweltverbände, die bei Zweifeln an der Rechtmäßigkeit bestimmter Bauvorhaben regelmäßig klagen. „Wir geben der Natur eine Stimme und verteidigen sie auch im Gerichtssaal – und das mit Erfolg: Den Bau zahlreicher riesiger Tierhaltungsan­la­gen konnten wir so ver­hin­dern. Und erst im Januar erreichte unsere Klage einen Bau­stopp an der Oder, damit sich der Fluss endlich erholen kann“, so Bandt. Würden diese Rechte beschnitten, drohe künftig, „dass es keine genaue Prüfung der Umweltauswirkungen von Baumaßnahmen mehr geben würde“, so die Befürchtung.

Neue Koalition: Auswirkungen auf Planungsverfahren und Umwelt noch nicht absehbar

Der BUND zeichnet wegen der geplanten Gesetzesänderung ein Schreckensszenario für die Natur: „Wälder und Lebensräume würden für Ge­wer­be­gebiete verschwin­den, bevor ein Umweltver­band Ein­spruch erheben konnte. Niemand, der die Justiz anrufen kann, für die, die sich nicht selbst vertreten können: Tiere, Pflanzen, Flüsse, Wälder und Moore.“ Auch Angela Merkels langjähriger Wirtschaftsberater Lars-Hendrik Röller warnte zuletzt im Interview vor Dilemmata beim „Bürokratieabbau“ – etwa bei Umweltverträglichkeitsprüfung.

Ob und wie Einschränkungen des Verbandsklagerechts tatsächlich umgesetzt und damit Planungsverfahren schneller gemacht und der Umweltschutz eingeschränkt werden, bleibt abzuwarten. Auch wenn Union und SPD nach Ostern die nächste Bundesregierung bilden: Nur weil etwas im Koalitionsvertrag steht, wird es noch nicht automatisch zu einem Gesetz.


hier TAZ  von Franziska Drohsel  7.2.2025

CDU sägt am Verbandsklagerecht

Das Geheimnis der Christdemokraten:Die CDU will Umweltverbänden das Recht nehmen, für die Natur vor Gericht zu ziehen und so eine der größten Errungenschaften unserer Justiz abschaffen.

Im deutschen Rechtssystem gilt grundsätzlich der Individualrechtsschutz. Das heißt, dass nur die Person, die in ihren eigenen Rechten verletzt ist, klagebefugt ist. Wenn Frau Ferdinand es zum Beispiel nicht richtig findet, dass eine Autobahn gebaut wird, weil dafür jahrhundertealte Bäume gefällt werden sollen, kann sie sich dagegen nicht wehren. Wenn jedoch ein Teil ihres Grundstücks dem Bau zum Opfer fallen soll, kann sie dagegen vor Gericht ziehen, weil ihr Individualrecht auf den Schutz ihres Eigentums verletzt sein könnte.

Schon 1973 fragte in den USA der Jurist Christopher D. Stone, ob Bäume klagebefugt sein sollten („Should Trees Have Standing?“) und damit ist ein zentraler Gedanke des Verbandsklagerechts auch schon beschrieben. Es ist der Gedanke, dass die Natur, die Umwelt oder das Klima sich nicht mit Individualrechten an ein Gericht wenden können, sondern nur Menschen oder Menschengruppen für ihre Interessen eintreten können.

Das Verbandsklagerecht kam nicht mit einem Mal nach Deutschland, sondern wurde schrittweise erkämpft. Zunächst ist die Verbandsklage im Naturschutzrecht geschaffen worden. Anerkannte Vereinigungen, die sich dem Schutz der Natur verpflichtet fühlen, können seitdem Klage erheben, auch wenn sie nicht in ihren eigenen Rechten verletzt sind.

Mit der später eingeführten umweltrechtlichen Verbandsklage können Umweltverbände auch gegen Zulassungsentscheidungen von genehmigungsbedürftigen Anlagen und Infrastrukturmaßnahmen klagen. Genau dies möchte die CDU in Zukunft untersagen. In ihrem Wahlprogramm erläutert sie, dass sie sich auf europäischer Ebene für die Abschaffung des Verbandsklagerechts bei Infrastrukturmaßnahmen einsetzen möchte. Zunächst will die CDU jedoch die deutsche Regelung prüfen und an jenen Stellen kürzen, an der sie über die europäische Vorgabe hinausgeht.

Umweltverbände siegen vor Gericht

Der Europäische Gerichtshof hat hierzu aus dem Jahr 2011 eine klare Rechtsprechung, weshalb allein schon vor diesem Hintergrund der Vorstoß der CDU konsequenzenlos bleiben dürfte. Die Trianel Kohlekraftwerk GmbH und Co. KG wollte damals ein Kohlekraftwerk in Lünen errichten. In diesem Gebiet liegen mehrere Naturschutzgebiete. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sah diese Gebiete als gefährdet an und klagte beim Oberverwaltungsgericht Münster. Dieses ersuchte den Europäischen Gerichtshof zu der Frage, ob Umweltverbände gegen Projekte mit Auswirkungen auf die Umwelt klagebefugt seien.

Der Europäische Gerichtshof hielt fest, dass Umweltverbände ein Recht auf Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht haben, um die materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen anzufechten. Umweltverbände müssen also die Möglichkeit haben, das Verletzen von Vorschriften vor Gericht geltend zu machen. Dabei ist entscheidend, dass diese Vorschrift aus dem Unionsrecht hervorgeht und den Umweltschutz bezweckt, und es kommt nicht darauf an, ob die Vorschrift nur die Interessen der Allgemeinheit und nicht die Rechte Einzelner schützt.

Beispiele für Verbandsklagen lassen sich viele finden. In Lüneburg hatte zum Beispiel der Naturschutzbund (Nabu) Niedersachsen einen Antrag gegen den Bau der Bauschuttdeponie Driftsethe gestellt. Die Genehmigung verstoße gegen Umweltschutzgesetze, die Klimaschutzziele und der Artenschutz seien nicht ausreichend berücksichtigt und die Auswirkungen des Vorhabens auf die CO2-Bilanz nicht umfassend geprüft worden. Das OVG Niedersachsen gab dem Antrag im Mai 2024 statt und stoppte den Bau vorerst.

Daraufhin ruhten die Bauarbeiten, wobei die ausführende Firma weiterhin beabsichtigte, 70.000 Kubikmeter Baumaterial für die Untergrundabdichtungen auf dem Gelände zwischenzulagern. Auch hier wehrte sich der Nabu Niedersachen vor Gericht. Eine solche Zwischenlagerung hätte zwischen 1.200 und 1.400 Lkw-Fahrten zur Konsequenz und führe zu erheblicher Umweltbelastung sowie der Zerstörung von Lebensraum für Tiere und Pflanzen. Im Dezember 2024 gab das OVG Niedersachsen dem Antrag statt und untersagte die Zwischenlagerung von Baumaterial auf dem Deponiegelände.

In Mecklenburg-Vorpommern ging der NABU-Landesverband gegen Baumaßnahmen auf einer Fläche im Industriepark Schwerin, den sogenannten Göhrener Tannen, vor. Auf dieser Fläche befanden sich über 40 Brutreviere seltener Vogelarten. Es sei verboten, wilde Tiere zu verletzen, zu töten oder ihre Entwicklungsformen zu beschädigen oder zu zerstören. Das Gericht folgte dem Antrag und setzte einen Baustopp für die Baumaßnahmen bis zum Ende der Brutzeit fest.

Nationales Vorgehen bricht EU-Recht

Vor der Einführung des Verbandsklagerechts hätte sich ein Gericht weder mit der Umweltsituation im Zuge des Baus einer Bauschuttdeponie noch mit der Brutsituation verschiedener Vogel­arten auseinandersetzen können. Erst das Verbandsklagerecht schuf diese Möglichkeit. Es ist nicht nur in der Durchsetzung klimaschutzrechtlicher Belange, sondern auch bei der Berücksichtigung kollektiver demokratischer Rechte eine Errungenschaft. Genau diese möchte die CDU abschaffen. Was und wer damit angegriffen wird, ist offensichtlich.

Wie die Christdemokraten auf die Idee kommen, dass die Abschaffung des Verbandsklagerechts hinsichtlich großer Infrastrukturprojekte erfolgen kann, ohne einen Verstoß gegen europäisches und internationales Recht zu begründen, bleibt ihr Geheimnis. Offensichtlich wird dadurch jedenfalls, dass sie demokratische Instrumente der Kontrolle und Teilhabe sowie effektiven Umweltschutz beschneiden wollen.


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