Hier Frankfurter Allgemeine Zeitung Artikel von Andreas Nefzger 12.4.25
Die Verteidigung der Demokratie beginnt in den Kommunen
Vor einer Woche gab es eine gute Nachricht für viele Müllmänner, Erzieherinnen und Verwaltungsangestellte im Land: Die Tarifgehälter im öffentlichen Dienst steigen deutlich. Für die Kämmerer in vielen Kommunen war das aber eine schlechte Nachricht.
Sie müssen jetzt sehen, wie sie die zehn Milliarden Euro zusammenkratzen, die das kostet. Leicht wird das nicht, schließlich hatten die Kommunen im vergangenen Jahr ein Rekordhaushaltsdefizit von fast 25 Milliarden Euro zu beklagen. Oder wie es nun vom Landkreistag hieß: Im Grunde können wir uns das nicht leisten.
Die kommunalen Spitzenverbände singen ihr Klagelied derart einhellig und ausdauernd, dass es in Berlin jeder mitsummen können müsste: Die Ausgaben steigen und steigen, für Löhne und vor allem für Sozialausgaben, die vom Bund beschlossen und von den Kommunen geschultert werden; die Einnahmen, vor allem über den Anteil an der Gewerbesteuer, reichen vorne und hinten nicht, zumal auch noch die Wirtschaft lahmt. In ihrer Not müssen sich Kämmerer landauf, landab mit der Frage quälen, was die Bürger eher hinnehmen: wenn sie das Schwimmbad schließen, den Spielplan des Theaters zusammenstreichen oder den Bus seltener fahren lassen.
Das verlorene Vertrauen der Bürger
Wie lange Bundespolitiker aller Parteien das Lied schon hören, ohne einzustimmen, ist erstaunlich. Es zeigt, wie wenig sie ein Problem durchdrungen haben, das sie gerne als das größte unserer Zeit beschreiben: das verlorene Vertrauen vieler Bürger darauf, dass der Staat es noch kann, und das Erstarken der politischen Ränder, das damit zusammenhängt. Denn das Gefühl, dass es nicht mehr läuft in Deutschland, haben die Menschen ja nicht nur, weil Abgeordnete im Bundestag über die kaputte Infrastruktur debattieren oder weil Alice Weidel es ihnen Tag für Tag im schwärzesten Schwarz ausmalt. Sie haben es auch, weil sie auf dem Weg zur Arbeit durch das immer selbe Schlagloch holpern oder es in den Duschen ihres Sportvereins schimmelt. Der Bundespräsident drückte es vor wenigen Tagen in Schloss Bellevue so aus: „Wer die Demokratie verteidigen will, der muss die kommunale Perspektive kennen und verstehen!“
Während er sprach, feilschten die Unterhändler von Union und SPD gerade um die letzten Spiegelstriche ihres Koalitionsvertrags. Dort ist nun tatsächlich manches zu lesen, was die Kommunen freut. Vom Sondervermögen für Infrastruktur bekommen sie immerhin ein Fünftel ab (auch wenn ihr Anteil an den nötigen Investitionen deutlich größer ist). Der versprochene Bürokratieabbau wird die Kommunen ebenso entlasten wie die „Migrationswende“, wenn sie denn stattfindet.
Am entscheidenden Punkt sind die Ausführungen der künftigen Koalitionäre aber dünn. „Es braucht eine grundsätzliche und systematische Verbesserung der Kommunalfinanzen“, heißt es ganz allgemein und ohne Nennung von Maßnahmen, die das sicherstellen könnten. Solche Bekenntnisse zur Besserung haben die Kommunen schon oft gehört, aber sie wissen: In Zeiten wie diesen müssen auch die Haushälter in Berlin jeden Euro zweimal umdrehen. Was das für die Kommunen bedeutet, ist deshalb womöglich in Zeile 1617 des Koalitionsvertrags zu lesen. Dort steht der allgemeine Haushaltsvorbehalt, dem alle Vorhaben unterliegen.
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