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Durch den Klimawandel
Südtirol kämpft gegen extremes Problem: Experte will Einwohner umsiedeln
In Südtirol stehen teure Schutzmaßnahmen auf dem Prüfstand. Ein Experte fordert eine öffentliche Debatte über Umsiedlungen.Wer sich in den Bergen aufhält, sollte sich der dort lauernden Gefahren bewusst sein. Diese sind oft unvorhersehbar. Gestein ist ständig in Bewegung, wodurch Spannungen entstehen und Risse sowie Klüfte gebildet werden, die gefährlich werden können. Die sich verändernden Wetterbedingungen führen dazu, dass ganze Berghänge plötzlich ins Rutschen geraten, Felsbrocken herabstürzen, Bäche zu reißenden Flüssen werden und Lawinen oder Muren abgehen.
Immer mehr Extremwetterlagen – Schutzmaßnahmen in den Alpen von Südtirol erforderlich
Eine Studie aus November 2024 über die Auswirkungen des Klimawandels auf alpine Massenbewegungen, basierend auf Beobachtungsdaten aus den europäischen Alpen, zeigt: Die Häufigkeit von Starkniederschlägen, die Muren auslösen können, nimmt zu. Der Rückgang der Gletscher führt zu vermehrten Steinschlägen, wodurch mehr loses Material zur Verfügung steht, das durch Niederschläge in Bewegung gesetzt werden kann. Meteorologen warnen zunehmend vor Extremwetterlagen, wie zuletzt über Ostern in Italien.
Um die Risiken für die Bewohner zu minimieren, werden Gefahrenzonen möglichst freigehalten und Schutzkonzepte entwickelt. Dennoch betont das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz in Bezug auf alpine Naturgefahren:
„Die Erkenntnis aus Naturkatastrophen der letzten Jahrzehnte ist,
dass trotz aller Anstrengungen in Form von
technischen Schutzmaßnahmen und Vorsorgemaßnahmen
eine Sicherheit vor Naturgefahren immer nur begrenzt möglich ist.“
Trotz der Maßnahmen bleibt ein Restrisiko bestehen. Aber die Notwendigkeit solcher Maßnahmen nimmt zu und verursacht hohe Kosten.
Experte für Südtirol sicher: „Müssen darüber sprechen, wo umgesiedelt werden muss“
Auch Südtirol steht vor dieser Herausforderung. In einigen Regionen sind die Schutzmaßnahmen mittlerweile so kostspielig, dass ein Experte sie nicht mehr immer für gerechtfertigt hält, wie salto.bz berichtet. Der Südtiroler Glaziologe Georg Kaser fordert: „Wir müssen darüber sprechen, wo umgesiedelt werden muss.“ Er betont: „Man muss sich von der Vorstellung verabschieden, dass man sich mit solchen Bauten in Zukunft vor Extremwetterereignissen schützen kann. Denn die Größenordnung der Extremwetter wird weiter steigen, wie bereits aktuelle Ereignisse zeigen.“
In Südtirol werden Gefahrenzonen nach verschiedenen Farbcodes eingeteilt, wie die Autonome Provinz Bozen informiert. Diese Codes zeigen die Wahrscheinlichkeit für Überschwemmungen, Rutschungen oder Lawinen in einem bestimmten Bereich an. Die Farben sind: rot für sehr hohe Gefahr, blau für hohe Gefahr, gelb für mittlere Gefahr und grau für keine Gefahr. Bebauungen in roten Zonen hat Glaziologe Kaser besonders im Blick, wie er bei salto.bz erklärt. „Gebäude und Infrastruktur in bestimmten roten Zonen werden in absehbarer Zeit nicht mehr haltbar sein“, sagt er. Diese haben laut dem Amt für Wildbach- und Lawinenverbauung West derzeit Priorität bei der Planung und Umsetzung technischer Maßnahmen. Erst Anfang des Jahres donnerte eine Lawine auf einen Sessellift in Südtirol.
Einige Projekte geben dem Experten jedoch zu denken. So werden derzeit Spreng- und Sanierungsarbeiten am Hörtenberg in Bozen durchgeführt, die laut dem Amt für Geologie und Baustoffprüfung fünf Millionen Euro kosten sollen. Damit soll die rote Zone Rentsch und St. Magdalena geschützt werden. Im Schnarstal hingegen wird ein Schutzdamm und ein Rückhaltebecken bei Kurzras für 5,5 Millionen Euro errichtet. Dafür sind neben den finanziellen Mitteln auch tausende LKW-Fahrten erforderlich. Kaser dazu: „Es geht nicht nur um diesen einen Schutzdamm, sondern um die Frage, welche Bauten den Aufwand wert sind. Was schütze ich damit und wie viele CO₂-Emissionen werden für die Errichtung ausgestoßen?“
Abschließend fordert er: „Wir müssen darüber sprechen, welche Schutzmaßnahmen die öffentliche Hand übernehmen soll. Es braucht wie in der Schweiz eine öffentliche Diskussion darüber, wo umgesiedelt werden muss“. Auch den Betrieb auf den Almhütten erschwert der Klimawandel immer mehr.
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