Donnerstag, 20. Februar 2025

Mittel für wichtige Klimaschutz-Programme wurden eingefroren

hier  Bloomberg  Artikel von Petra Sorge 18.2.25

Wie der Klimaschutz nach der Wahl zurückgeschraubt wird

Vor zwei Jahren erhielt Deutschlands größter Stahlhersteller Thyssenkrupp rund 2 Milliarden Euro an Fördermitteln, um einen wasserstoffähigen Schmelzofen zu bauen. Es war die größte Zusage dieser Art und sollte die Wende von Kohle zu sauberen Kraftstoffen in der Industrie einläuten. 

Doch der Plan, Wasserstoff zu verbrennen, liegt nun auf Eis. Seit dem Bruch der Ampel-Koalition im November wurden Mittel für wichtige Klimaschutz-Programme eingefroren. Zugleich haben die führenden Parteien deutlich gemacht, dass ihre Prioritäten woanders liegen.

Für das Ziel, bis 2030 die CO2-Emissionen um rund zwei Drittel zu senken, hat die Bundesregierung bereits Milliarden an Subventionen ausgegeben. Doch in einer Zeit, in der die Klimakatastrophe global weitgehend ungelöst bleibt, fährt die größte europäische Volkswirtschaft ihre Bemühungen auf diesem Feld zurück – und könnte ihre Position als Vorreiter der Energiewende in der EU aufgeben.

Da sich die USA unter Donald Trump aus dem Kampf gegen die globale Erwärmung zurückziehen, blicken Länder aus aller Welt auf Deutschland, um die entstandene Lücke zu schließen. Das dürfte Wunschdenken sein, heißt es aus Regierungskreisen. Bereits für die zerbrochene Regierung von SPD, Grünen und FDP war es aufgrund von Haushaltsbeschränkungen eine Herausforderung, auf Klimakurs zu kommen. Den Kreisen zufolge wird die Klimafinanzierung für Schwellen- und Entwicklungsländer nach den Wahlen sehr wahrscheinlich gekürzt, und für die innerdeutschen Bemühungen sieht es auch dünn aus.

Angesichts der Abkehr der Amerikaner und der unmittelbaren sozialen und wirtschaftlichen Risiken, die der Klimawandel mit sich bringt, sei “die umfassende Einbettung klimapolitischer Maßnahmen in eine politische Gesamtstrategie jetzt wichtiger denn je”, erklärte Hans-Martin Henning, Vorsitzender des Expertenrats für Klimafragen. In ihrem in diesem Monat vorgestellten Zweijahresgutachten beschreiben die Regierungsberater detailliert die vielen Aufgaben, die noch erledigt werden müssen, damit Deutschland seine Klimaziele bis Ende des Jahrzehnts erreichen kann. Ein weiterer Bericht, den das Auswärtige Amt und der BND vergangene Woche veröffentlichten, stuft das Risiko durch den Klimawandel als eine der fünf größten Bedrohungen für das Land ein.

Sowohl CDU/CSU — die in den Umfragen führen — als auch die scheidenden Sozialdemokraten haben sich verpflichtet, am Ziel der Klimaneutralität bis 2045 festzuhalten. Doch nach Trumps Rückkehr ins Weiße Haus und einer Reihe von Angriffen durch abgelehnte Asylbewerber haben nun Sicherheits- und Migrationsthemen Vorrang vor der Energiewende. Beim “Quadrell” am Sonntag etwa, dem Schlagabtausch der vier Spitzenkandidaten für die Wahl, spielte das Thema Klimaschutz quasi keine Rolle. Die Union will die Ausgaben für die Nato erhöhen, aber zugleich an der Schuldenbremse festhalten, was den finanziellen Spielraum einschränkt.

Zwar haben die Bundestagsfraktionen von CDU und CSU eine eigene Agenda für die Energiewende vorgelegt, aber mehrere unbedachte Äußerungen ihres Vorsitzenden Friedrich Merz haben in der Branche Besorgnis ausgelöst. Nachdem er im Wahlkampf Windräder als “hässlich” bezeichnete, plädierten der Bundesverband Windenergie und die IG Metall am Freitag nochmals in einer gemeinsamen Erklärung dafür, den Ausbau der Anlagen auch in der nächsten Legislaturperiode fortzusetzen. Und kurz nachdem die CSU Anfang Januar in ihrer Winterklausur in Kloster Seeon grünen Stahl als “Irrweg” bezeichnet hatte, äußerte Merz im Gespräch mit einem Thyssenkrupp-Betriebsrat nochmals Zweifel am Zeitplan für grünen Stahl.

Union, SPD, Grüne und FDP haben vor der Wahl am 23. Februar alle versprochen, die Energiepreise zu senken – ein zentrales Thema für die Wähler –, aber nur wenige Details genannt. “Es ist wichtig, Klarheit darüber zu erlangen, wie das finanziert werden soll”, sagte Julia Metz, Programmleiterin Grundsatzfragen für Klima- und Industriepolitik beim Think Tank Agora Energiewende. Ihre Organisation schätzt, dass das Erreichen der Klimaziele bis 2030 jährlich 93 Milliarden Euro an öffentlichen Mitteln benötigt. “Das erfordert einen Mix an politischen Maßnahmen, einschließlich eines staatlichen Finanzierungsprogramms”, so Metz.

Die Ampelkoalition hat den Erneuerbaren-Ausbau drastisch beschleunigt und der Grundstein für ein 9.000 Kilometer langes Wasserstoffnetz gelegt. Im vergangenen Jahr wurde Deutschland von der Ratingagentur S&P als das “fortschrittlichste” Land in Westeuropa mit Blick auf die Wasserstoff-Regulierung bezeichnet.

Der Schlüssel zum H2-Hochlauf war ein 23 Milliarden Euro schweres globales Programm zur Dekarbonisierung energieintensiver Industrien. Bei einer ersten Auktion im Oktober erhielten 15 Unternehmen die Zusage für sogenannte Klimaschutzverträge, und es gab Pläne für eine zweite Runde. Nach dem Ampel-Aus kam es jedoch nie dazu.

Die Klimaschutzverträge werden nach der Wahl kaum eine Chance haben. Denn die Union plant, Gelder aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) — aus dem die Verträge bezahlt werden — umzuverteilen und weitere Subventionen zu streichen. Stattdessen sollen die Zuflüsse an den KTF — die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung — direkt an Haushalte und Unternehmen ausgezahlt werden, um die Energiekosten zu senken. Ein solches Klimageld hatte zwar schon die Ampel in ihrem Koalitionsvertrag versprochen, denn nach Inkrafttreten des neuen EU-Zertifikatehandels im Jahr 2027 werden die Kosten für Heiz- und Kraftstoffe voraussichtlich noch weiter steigen. Allerdings ist unklar, wie die Union dann das Loch im Klimafonds stopfen will, zumal sie auch noch Steuersenkungen versprochen hat.

Ein weiterer Bereich, der von Änderungen des Klima- und Transformationsfonds stark betroffen wäre, ist die Wärmepumpe. Das Förderprogramm für erneuerbares Heizen wurde in letzter Zeit sehr gut angenommen, zumal es im Januar nochmals aufgestockt wurde und viele Menschen befürchten, dass es nun bald wieder ausläuft. Die Union hat die Branche zudem mit dem Versprechen, das umstrittene Heizungsgesetz wieder abzuschaffen, in Alarmbereitschaft versetzt. Eine ganze Wertschöpfungskette habe sich auf die Kernaussage dieser Heizungsregelungen eingestellt, erklärte ein Sprecher des Bundesverbands Wärmepumpe, und neue Änderungen “könnten zu Irritationen bei Verbrauchern, Handwerk und Industrie führen und neue Zurückhaltung am Wärmemarkt auslösen.”

Nicht nur Verbraucher nehmen Anpassungen vor. Auch große Industrieunternehmen schrauben ihre Erwartungen an die staatliche Unterstützung zurück. Bei Thyssenkrupp in Essen, das bereits von den Trump-Zöllen und einem möglichen Handelskrieg mit China in Mitleidenschaft gezogen wird, soll die 2 Milliarden Euro teure Direktreduktionsanlage stattdessen mit fossilen Brennstoffen laufen. Während der Ofen ursprünglich im Jahr 2027 mit sauberer Energie betrieben werden sollte, “kann der genaue Zeitpunkt für die Umstellung von Erdgas auf Wasserstoff noch nicht abgeschätzt werden”, erklärte nun ein Sprecher.


Überschrift des Artikels im Original:Germany Set to Scale Down Climate Ambitions With Funding Frozen

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