Südkurier hier Rasmus Peters 16.2.25
Anfang Februar wurde ein neues Abkommen zwischen Landesregierung und Verkehrsunternehmen geschlossen. Was hat sich verändert? Und was bedeutet das für die Strecke entlang des Bodensees?Der neue Verkehrsvertrag soll ein Baustein sein, „für mehr Qualität im Schienenpersonennahverkehr“. So beschreibt das Landesverkehrsministerium das Abkommen zwischen Land und Eisenbahnunternehmen in einer Pressemitteilung.
Das jüngst beschlossene Papier gilt rückwirkend ab Januar 2023. Neben grundsätzlicher Qualitätssicherung sollen Anschlüsse sicherer und zusätzliches Personal eingestellt werden. Wirkt sich das auch auf die Bodenseegürtelbahn aus?
Neues Abkommen zur Bodenseegürtelbahn: Strafzahlungen neu gewichtet
In erster Linie gewichtet der sogenannte Verkehrsvertrag 2.0 Strafen und Belohnung der Verkehrsunternehmen neu. Die höheren Bußzahlungen sollen laut der Pressemitteilung Anreize schaffen, sich zu verbessern. Fällt beispielsweise ein Zug aus, weil er schlecht gewartet ist oder Personal ausfällt, kostet es den Zugbetreiber mehr Geld als bisher.
Auf der anderen Seite fällt es weniger ins Gewicht, wenn der Zug wegen Weichen- oder Signalstörung ausfällt. Darüber, in welchen Höhen sich die Zahlungen verschieben, geben auf Anfrage weder DB Regio noch das Verkehrsministerium Auskunft.
Daneben sollen die Anschlüsse besser gesichert werden. Dafür sieht der Vertrag zwei Stufen vor: Erst durch zusätzliches Personal in den Leitstellen, dann durch ein neues IT-System, das vom Land bereitgestellt wird. Was die Mehrkosten angeht, gibt das Verkehrsministerium für die Netze 5 und 16b, die auf der Bodenseegürtelbahn verkehren, zwölf Cent pro Zugkilometer an.
Im Fall des Netzes 16b mit einem Jahresvolumen von 380.000 Kilometern entspricht das Mehrkosten von 45.600 Euro. Verrechnet auf die 87,6 Millionen Kilometer, die für das Jahr 2025 in Baden-Württemberg bestellt sind, steigen die Personalmehrkosten um 10,5 Millionen Euro.
Bahn-Infrastruktur am Bodensee bleibt Problem
Matthias Lieb, Qualitätsanwalt für Fahrgäste der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg (NVBW) erklärt auf Anfrage, wenn die Regeln für die Verkehrsunternehmen Wirkung zeigen, könnte die Gürtelbahn insofern profitieren, als Zugausfälle und Verspätungen abnehmen.
Allerdings sagt er auch: „Ausfälle, die auf die Eisenbahninfrastruktur wie Gleise, Weichen, Signale oder Oberleitung zurückzuführen sind, werden damit allerdings nicht weniger werden.“
Südkurier hier im September 2024 Cian Hartung
Bodenseegürtelbahn: Pünktlicher durch veränderte Kreuzungsbahnhöfe?
Vier Züge sollen von Überlingen-Therme früher abfahren und das Verspätungschaos auf der Linie verringern, schlägt Qualitätsanwalt Matthias Lieb vor. Für Bahnexperte Ralf Derwing liegt die Lösung dagegen woanders.
Am See entlang, an Sandsteinfelsen vorbei und bei gutem Wetter sogar Alpenblick: Die Bodenseegürtelbahn gehört zu den schönsten Bahnrouten im Südwesten. Sie konkurriert in dieser Disziplin einzig mit der Schwarzwaldbahn, die durch das malerische Gelände zwischen Singen und Offenburg rollt.
Das war es aber auch schon mit den Vorzügen. Im Qualitätsranking des Verkehrsministeriums Baden-Württemberg vom zweiten Halbjahr 2023 landete die Route auf Platz 28 von 32. Das lag vor allem an der mangelnden Pünktlichkeit und Zugkapazitäten. „Viel schlechter geht es nicht“, sagte auch Matthias Gastel, Grünen-Bundestagsabgeordneter aus Nürtingen, kürzlich bei einer Online-Veranstaltung zur Situation auf der Schiene im Südwesten.
„Uralt-Technik“ entlang des Seeufers
Bei dem Digitalformat legte der Politiker mit Bahnexperte Matthias Lieb den Finger in die Wunde. Lieb arbeitet seit Oktober 2023 im Auftrag des Landes bei der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg (NVBW) als Qualitätsanwalt. Seine Aufgabe ist es unter anderem, Lösungen mit den Eisenbahnverkehrsunternehmen und der Bahn-Tochterfirma InfraGo für die Probleme auf der Schiene im Südwesten zu finden. Er erzählte, dass auf der Bodenseegürtelbahn „Uralt-Technik“ bei einigen Stellwerken im Einsatz sei, die Pünktlichkeitswerte seien „unterirdisch“ und wegen der Eingleisigkeit auf einigen Abschnitten schaukele sich die Verspätung über den Tag hoch.
Dann äußerte er eine Idee, die an ihn herangetragen wurde und die er bei Verantwortlichen einbringen wolle: Wenn die Züge, die ausschließlich zwischen Überlingen-Therme und Friedrichshafen früher losfahren, an anderen Bahnhöfen auf kreuzende Züge warten, könnte man Verspätungen im Gesamtsystem verringern.
Oft Verspätung aus der Gegenrichtung
Zum Hintergrund: Insgesamt vier Züge fahren im Laufe eines Tages von Überlingen-Therme nach Friedrichshafen. Sie fahren von montags bis freitags und sind von anderen Anschlüssen weitgehend losgelöst. Damit sie überhaupt losfahren können, müssen sie auf Gegenzüge warten, die oft wiederum bereits verspätet sind. Am ehesten dort etwas verändern.
Der Gedanke: „Sie würden dann schon losfahren und an anderen Bahnhöfen auf kreuzende Züge warten“, sagt Lieb. Die Fahrtzeit der vier Züge ab Überlingen-Therme würde sich wegen der Standzeiten möglicherweise verlängern, aber für mehr Stabilität auf der gesamten Linie sorgen. Wo die Züge warten, sei noch nicht klar. Doch gerade diese Züge seien im Fokus, weil sie besonders oft verspätet seien und damit Chaos ins System brächten, sagt er.
„Probleme müssen an der Wurzel gepackt werden“
Ralf Derwing von der Initiative Bodensee-S-Bahn hält diesen Vorschlag für Schadensbegrenzung. Möglicherweise könnte dieser Ansatz vereinzelt Verspätungen verringern. Er befürchtet, dass das vorhandene Problem mit wartenden Zügen auf unterschiedliche Bahnhöfe verschoben werde. „Außerdem könnte es sein, dass weiterhin Verspätungen durch Züge entstehen, die zur gleichen Zeit auf der Linie fahren.“
Das Problem ist und bleibt in seinen Augen die Leistungsfähigkeit der Infrastruktur. „Die Probleme müssen an der Wurzel gepackt werden und das geht nur über den zweigleisigen Ausbau.“ Die Bodenseegürtelbahn soll elektrifiziert und an mehreren Abschnitten zweigleisig ausgebaut werden. Bund, Bahn, Land und Kommunen verhandeln bereits seit Jahren über die Aufteilung der Kosten. Die Baukosten liegen nach einer Berechnung aus dem Dezember 2023 bei rund 650 Millionen Euro.
Veränderung frühestens ab Dezember 2024
Der Vertreter der Verkehrsinitiative ist optimistisch, dass es noch in diesem Jahrzehnt zu einer Einigung der beteiligten Parteien beim Ausbau komme. „In den 2030er-Jahren werden die Abschnitte ausgebaut sein“, ist er sich sicher. Bis dahin könnte der Ansatz von Matthias Lieb ein Versuch sein, die Verspätungen zu verringern. In den kommenden Wochen würde er diesen Ansatz mit Verantwortlichen der NVBW und der Bahn besprechen, sagt er. „Frühestens im Dezember könnte das umgesetzt werden.“
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