hier FOCUS online Artikel von Florian Reiter • 18.2.25
Dieser Unternehmer steckt jetzt eine Milliarde in deutsche Batteriespeicher
Bild: Großspeicher Symbolbild hier
Christoph Ostermann will mit "Green Flexibility" den Markt für Batteriespeicher aufmischenEs ist ein Milliarden-Plan, der ein bislang ungelöstes Problem der deutschen Energiewende angehen will. Mehr als eine Milliarde Euro hat das Startup „Green Flexibility“ aus Kempten im Allgäu nach eigenen Angaben mobilisiert, um große Batterspeichersysteme über ganz Deutschland verteilt zu bauen.
Im Zuge der Energiewende kommt Speichern eine entscheidende Bedeutung zu. Knapp 60 Prozent seines Stroms bezieht Deutschland mittlerweile aus den Erneuerbaren Energien, weil Wind und Solar mit Abstand die billigsten Erzeugungsformen sind. Doch die Ausbeute bei der Produktion der Erneuerbaren ist wetterabhängig.
Flauten und Überschüsse
Erst die Dunkelflaute im Dezember hatte gezeigt: Wenn Wind- und Solarenergie aufgrund ungünstiger Wetterumstände keinen Strom produzieren, wird es vorübergehend schnell teuer. Dann nämlich müssen Importe sowie teure Gas- und Kohlekraftwerke in die Bresche springen. Und Solaranlagen haben das grundsätzliche Problem, dass sie nachts keinen Strom produzieren.
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Andererseits gibt es auch Tage, an denen etwa die Windparks in der Nordsee mehr Strom produzieren, als benötigt wird. Der „überschüssige“ Strom verfällt dann ungenutzt oder wird zu Negativpreisen an der Börse verkauft. Hier setzen Batteriespeicher an: Überschüssiger Strom kann dort gelagert werden – und wird dann wieder ins Netz eingespeist, wenn er wirklich nötig wird.
„Es rechnet sich halt einfach“
Billig einkaufen, teuer verkaufen: Das Geschäftsmodell für Firmen wie „Green Flexibility“ ist offensichtlich. „Es rechnet sich halt einfach“, sagt Christoph Ostermann, CEO und Gründer des Startups, zu FOCUS online Earth. Das gelte nicht nur für Speicher, sondern für Erneuerbare Energien im Allgemeinen. „Es gibt nichts Günstigeres als große Solaranlagen. Man kann natürlich über die Volatilität reden, über die Kritik, dass der Zyklus von Wind und Sonne nicht immer mit den Verbrauchszyklen übereinstimmt. Aber dafür sind wir jetzt hier.”
In der Energie-Szene ist Ostermann kein Unbekannter. Im Jahr 2010 gründete er mit einem Partner das Unternehmen Sonnen, das kleine Speicher für Privathaushalte und Betriebe herstellt. Schnell avancierte Sonnen zu einem deutschen und internationalen Marktführer, 2019 übernahm der Öl- und Gasriese Shell das Unternehmen für 500 Millionen Euro.
Der große „Batterie-Tsunami“
Statt kleiner Speicher für die Solaranlage auf dem Hausdach denkt Ostermann mit „Green Flexibility“ jetzt eine Kategorie größer: Riesige Speicherparks mit mehr als zehn Gigawatt Kapazität sollen über ganz Deutschland verteilt entstehen. Die Investmentgesellschaft Partners Group stellt in Form einer Beteiligung insgesamt 400 Millionen Euro für den Speicher-Plan bereit, weitere 600 Millionen Euro soll über Fremdkapital fließen. Im Frühjahr soll bereits das erste Projekt im bayerischen Immenstadt ans Netz gehen.
Ein ambitionierter Plan – doch der Markt für Batteriespeicher ist potenziell riesig.
Die Bundesnetzagentur geht in ihrem aktuellen Entwurf für den Netzentwicklungsbedarf davon aus, dass mindestens 50 Gigawatt Kapazität in Großspeichern für ein Gelingen der Energiewende notwendig sind. Marktkenner sprechen bereits von einem „Batterie-Tsunami“, der auf Deutschland zukommt: Nach einer Aufstellung des Branchenmediums „PV Magazine“ waren im Januar bereits Anschlüsse für insgesamt 226 Gigawatt Speicherkapazität bei den Übertragungsnetzbetreibern beantragt.
„Der Markt ist nicht so einfach“
Längst nicht jedes dieser Projekte dürfte am Ende allerdings Realität werden. Der Batteriespeicher-Markt sei nichts für Anfänger, mahnt Ostermann: „Der Markt ist nicht so einfach, wie man immer denkt. Man braucht Erfahrung, man braucht Expertise, man braucht einen langen Atem, muss finanziell gut aufgestellt sein.” Alleine die Kosten für einen Netzanschluss seien mittlerweile immens.
Um sich herum hat Ostermann ein Team von Energiewende-Veteranen versammelt, mit denen der Gründer zum Teil schon bei Sonnen zusammengearbeitet hat. Mehr als 100 Jahre Erfahrung im Batterie-Bereich bringt das 35-köpfige Team nach Unternehmensangaben mit. „Wenn man sich ansieht, wie jung die Speichertechnologie ist, gibt es gar nicht so viele Leute, die schon zehn Jahre Berufserfahrung in dem Bereich haben”, sagt Ostermann.
Falsche Signale
Die Übertragungsnetzbetreiber, die Herren über die Stromkabel und Leitungen in Deutschland, betrachten den Speicher-Boom mit gemischten Gefühlen. Denn einerseits sind die Betreiber mit der Flut der Anschluss-Anfragen schon längst überfordert. Und andererseits können Speicher im schlimmsten Fall das Netz sogar zusätzlich belasten, statt notwendige Entspannung zu liefern, wie eine Studie des Betreibers Tennet im Dezember ergab.
Wenn etwa der Wind weht und die Sonne nicht scheint, ist insgesamt betrachtet zwar viel Strom in den deutschen Leitungen - nicht jedoch im Süden, der eher auf Solarenergie setzt. Trotzdem könnte der Algorithmus eines Batteriespeichers in Oberbayern dann nahelegen, Strom einzuspeichern, auch wenn ihn die umliegende Industrie gerade sehr viel dringender bräuchte. Ein unnützer, teurer Transfer, der noch dazu die Netze verstopft.
„Wir müssen an das Thema ran“
Doch wenn eine Projektfirma sich für einen Standort entscheidet, spielt die Netzstabilität naturgemäß eine untergeordnete Rolle. Ostermann und „Green Flexibility“ wollen sich anders positionieren: Sie wollen ausschließlich Speicher bauen, die auch nachweislich dem Netz dienen.
„Wir wollen die Netzbetreiber unterstützen, statt deren Netz zu blockieren“, erklärt Ostermann. Das geht sogar so weit, dass „Green Flexibility“ in seltenen Stresssituationen den Netzbetreibern die Kontrolle über die Speicher überlassen will. „Das macht unsere Speicher jetzt sicher nicht profitabler“, sagt Ostermann. „Aber wir erhalten für diese seltenen Fälle eine Kompensation. Und es hilft natürlich immer, ein gutes Verhältnis zu den Netzbetreibern zu haben.“
Das Problem, das Angebot und Nachfrage bei der Energiewende nicht immer zusammenpassen, habe man mit Hilfe des europäischen Stromhandels bislang ans Ausland ausgelagert, sagt Ostermann - was nicht vorhanden ist oder teuer produziert werden müsste, wird einfach eingekauft. „Da gibt es ja mittlerweile schon aus Schweden und dergleichen etwas saure Reaktionen, was ich verstehen kann. Ist ja auch nicht schön, wenn man anderer Leute Probleme zu seinen eigenen gemacht bekommt.“ Und deswegen, sagt der Gründer, gebe es nur eine Lösung: „Wir müssen an das Thema ran.“
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