Donnerstag, 28. September 2023

Klimawandel: Kalifornien verklagt Öl- und Gaskonzerne

Warum nicht auch bei uns? Diese Firmen tragen schwere Schuld und betätigen sich noch immer als Klimasaboteure. Oft unterstützt von uneinsichtigen Politikern. Wieso müssen wir zulassen, dass sie noch immer viel zu viel Geld auf Kosten der Umwelt verdienen? Auf Kosten von uns und unserer Gesundheit.

Frankfurter Rundschau hier  Stand:26.09.2023,  Joachim Wille

Exxon-Mobil, Shell, BP, Conoco-Philips und Chevron sowie der Branchenverband sollen den Kampf gegen den Klimawandel mitbezahlen - der Prozess könnte Rechtsgeschichte schreiben.

Kalifornien gilt als „Sunshine State“ und Inbegriff des amerikanischen Traums. Doch er ist auch ein Hotspot des Klimawandels. So litt der drittgrößte US-Bundestaat in den vergangenen drei Jahre unter einer Megadürre, die die Grundwasserspiegel stark absinken ließ und Waldbrände zusätzlich anfachte. In diesem Jahr folgten darauf Monate mit Überschwemmungen.

Die Regierung Kaliforniens hat nun zu einem drastischen Mittel gegriffen, um Geld für die Kosten der Klimakrise und eine bessere Anpassung lockerzumachen: Sie reichte Klage gegen Öl- und Gaskonzerne ein, da sie maßgeblich zum Klimawandel beigetragen und die Öffentlichkeit über die Risiken getäuscht hätten. Der Ausgang dieser und ähnlicher Klagen könnte Rechtsgeschichte schreiben.

Klima-Klage gegen fünf Ölmultis in den USA

Der Bundesstaat verklagte fünf Ölmultis, nämlich Exxon-Mobil, Shell, BP, Conoco-Philips und Chevron, außerdem den Branchenverband American Petroleum Institute. Ziel ist es, mit möglichen Strafzahlungen der Unternehmen einen Fonds einzurichten, der die Kosten von Umweltkatastrophen deckt, wenn sie nachweislich durch die Folgen des Klimawandels eintreten oder verstärkt werden, wie etwa Waldbrände oder Überschwemmungen.

Die Klageschrift wurde vom kalifornischen Generalstaatsanwalt Rob Bonta beim Obersten Gericht in San Francisco eingereicht; sie umfasst 135 Seiten. Hauptargument darin: Die fünf Konzerne hätten zusammen mit dem Verband mindestens seit den 1970er-Jahren eine Desinformationskampagne inszeniert, um den Zusammenhang zwischen der Förderung fossiler Brennstoffe und dem Klimawandel zu vertuschen. Dies habe die Reaktion der Öffentlichkeit auf den Klimawandel verzögert und so die Klimaschäden verstärkt.

„Die Lügen und Vertuschungen von Big Oil haben zu anhaltenden Klimakatastrophen geführt, die den Kaliforniern Kosten in Milliardenhöhe auferlegt haben“, heißt es in der Begründung, die der Gouverneur des Bundesstaates, der Demokrat Gavin Newsom, und Bonta dazu abgaben.

Es handelt sich nicht um die erste Klage gegen „Big Oil“, auch andere US-Bundesstaaten und -Städte haben welche laufen. Beobachter:innen sehen im Eintritt Kaliforniens aber eine neue Qualität. Es sei eine „bedeutende Eskalation“, sagte Ben Segal, Anwalt bei der NGO „ClientEarth North America“, der FR dazu.

Klima-Klage: Andere US-Bundesstaaten könnten folgen

„Dass Kalifornien als einer der größten und wirtschaftsstärksten US-Bundesstaaten und als Vorreiter im Umweltrecht mitmacht, erhöht die Ernsthaftigkeit dieser Klagen“, sagte er. Außerdem wachse so das finanzielle Risiko der Konzerne, da Kalifornien besonders stark unter den Folgen des Klimawandels leide und die Schäden entsprechend groß seien. Kaliforniens Klage könne dazu führen, dass sich weitere Bundesstaaten und Kommunen ebenfalls zu diesem Schritt entschlössen.

Die angegriffenen Konzerne und ihr Verband wiesen die Anschuldigungen zurück. Das American Petroleum Institute erklärte: „Diese koordinierte Kampagne für politisch motivierte Klagen gegen eine amerikanische Industrie und ihre Arbeiter ist nichts weiter als eine Ablenkung von wichtigen Gesprächen auf nationaler Ebene“. Außerdem bedeute sie eine enorme Verschwendung kalifornischer Steuergelder.

Über die Klimapolitik müsse der US-Kongress debattieren und entscheiden, nicht das Gerichtssystem. Auch von Shell hieß es: „Wir glauben nicht, dass der Gerichtssaal der richtige Ort ist, um den Klimawandel anzugehen“, nötig seien eine „kluge Politik der Regierung und Maßnahmen aller Sektoren“. Chevron verwies auf die internationalen Klimaverhandlungen.

Klima-Klage in Deutschland gegen RWE

Weltweit haben die juristischen Verfahren wegen mangelnden Klimaschutzes in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Die meisten fanden und finden in den USA statt, etliche aber auch in Deutschland, wie eine Studie des UN-Umweltprogramms Unep im Juli zeigte. 2022 wurden danach fast 2200 Klimaklagen verhandelt, 2017 waren es erst rund 900. Viele richten sich gegen die Öl- und Gasindustrie.

Ein Großteil der Klagen wurde bisher von Gerichten gar nicht angenommen oder zurückgewiesen, es gab jedoch auch spektakuläre Urteile, etwa in Deutschland und den Niederlanden. So verpflichtete das Bundesverfassungsgericht die Merkel-Regierung 2021, ihr Klimaschutzgesetz zu verschärfen. Im selben Jahr verurteilte ein Gericht in den Niederlanden den Shell-Konzern dazu, seinen CO2-Ausstoß bis 2030 schneller als geplant zu senken.

Mit Spannung wird derzeit das Urteil am Oberlandesgericht in Hamm erwartet. Dort geht es um die Klage eines peruanischen Bergbauern gegen den Energiekonzern RWE. Der Vorwurf: RWE sei wegen seiner enormen CO2-Emissionen mit schuld an der Gletscherschmelze in den Anden, die seinen Wohnort bedrohe.

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