Mittwoch, 27. September 2023

Blick nach Frankreich: Souverän im Heizungskeller

Ich fürchte Deutschland hat nicht nur die Wärmewende sondern noch viel mehr verschlafen. Ich denke da an das jahrzehntelange Verschlafen der Elektromobilität, deren Folgen bereits heute deutlich sichtbar werden. Oder an das Verschlafen der Erneuerbaren. Windkraft- und PV Herstellung sind schon lange weggebrochen, und das wurde damals politisch ganz offensichtlich so angetrieben. Während in Deutschland jahrzehntelang alles ums Gas ging, haben z.B. die Dänen ihr Potential in der Wärmewende hervorragend ausgebaut. Es bringt nichts, die Hersteller immer nur zu schonen, wie bisher geschehen. Dadurch halten sie nur umso länger an ihren alten, kurzfristig gewinnversprechenden, Technologien fest und investieren nicht in die Zukunftstechnologie.

Handelsblatt hier  Artikel von Waschinski, Gregor •27.9.23

Macrons Klimaplan: Wie Frankreich bei Wärmepumpen unabhängig wird

Macron will Frankreich zum führenden Produktionsstandort für Wärmepumpen machen. Dabei sieht der Präsident Deutschland als Beispiel – wie man die Energiewende nicht machen sollte.

Der Verkauf des Wärmepumpengeschäfts des Mittelständlers Viessmann an den US-Konkurrenten Carrier Global schockierte im Frühjahr die deutsche Politik – und dient dem Nachbarland Frankreich nun als warnendes Beispiel. Denn die Technologie gilt als entscheidend für den grünen Umbau der Wärmeversorgung. Fragen wurden laut, ob die deutschen Heizungshersteller die Wärmewende zu verschlafen drohen.

Am Ende fand sich das Bundeswirtschaftsministerium mit dem Deal ab und stellte eine Unbedenklichkeitsbescheinigung aus. Ressortchef Robert Habeck (Grüne) setzte zwar durch, dass der Viessmann-Standort in Hessen erhalten bleibt und Kündigungen zunächst ausgeschlossen sind. Das technologische Know-how geht aber an den neuen Eigentümer in den Vereinigten Staaten.

Frankreich begibt sich auf einen anderen Weg: Emmanuel Macron macht die heimische Produktion von Wärmepumpen zur Chefsache. Bis 2027 soll sich die Zahl der französisch gefertigten Geräte auf eine Million verdreifachen, die Installation europäischer Heizsysteme in Haushalten bevorzugt werden. Für Macron ist das eine Frage der nationalen Souveränität.

„Wir haben entschieden, einen Industriezweig rund um Wärmepumpen zu entwickeln“, sagte der Präsident bei der Vorstellung seiner „ökologischen Wirtschaftsplanung“. Die Technologie sei ein „hervorragender Hebel“, um die klimaschädlichen Öl- und Gasheizungen zu ersetzen. Außerdem werde seine Regierung für die Schulung von 30.000 Fachkräften sorgen, die Wärmepumpen in französischen Häusern und Betrieben installieren sollen.

Konkurrenz aus Asien im Visier

Im Blick hat Macron vor allem die Konkurrenz aus Asien, die als Lieferanten von Wärmepumpen von der wachsenden Nachfrage in Europa besonders profitieren könnte. Vor allem chinesische Firmen versuchen, ihre Exporte zu steigern. Traditionell sind auch die Japaner stark auf dem Markt vertreten.

Acht der 21 größten Anbieter in Europa, die das Marktforschungsunternehmen Global Market Insights auflistet, kommen aus Asien oder gehören asiatischen Unternehmen. Aus dem Viessmann-Unternehmensumfeld hatte es im Frühjahr geheißen, dass die heftige Konkurrenz durch asiatische Hersteller ein wichtiger Grund für den Verkauf an Carrier Global gewesen sei.

In Paris wird der Viessmann-Deal dagegen als warnendes Beispiel für einen Kompetenzverlust Europas in einer weiteren grünen Zukunftsbranche gesehen. „Wärmepumpen sind eine Schlüsseltechnologie für die Energiewende“, heißt es in französischen Regierungskreisen. „Wenn wir in der Wirtschaft von morgen souverän sein wollen, müssen wir diese Technologien selbst beherrschen.“

Auch das Nachbarland steht vor der Herausforderung, den CO2-Ausstoß seiner Wärmeversorgung stark zu senken. Zwar ist die Bedeutung von Stromheizungen deutlich größer als in Deutschland – und ein Großteil dieser Elektrizität stammt aus der emissionsarmen Atomkraft.

Doch immerhin zwölf Millionen französische Haushalte heizen mit Gas, weitere drei Millionen mit Öl. Sie sollen nach und nach auf Wärmepumpen umrüsten. Die Pflicht zum Heizungstausch bis zu einer bestimmten Frist gibt es nicht, bei der Wärmewende setzt Paris auf Anreize und finanzielle Zuschüsse.

Die neuen Geräte sollen aber „Made in France“ sein. Energieministerin Agnès Pannier-Runacher sagte am Dienstag, der französische Marktführer Atlantic habe bereits begonnen, seine Wärmepumpen-Produktion zu verdoppeln. Ein weiteres französisches Unternehmen, in das die Regierung in Paris große Hoffnungen setzt, ist der Heizungsbauer Intuis.

Nicht nur die Endmontage soll in heimischen Werken stattfinden, auch die Produktion der Komponenten soll, so weit es geht, aus Asien zurückverlagert werden. Nach Informationen der Zeitung „La Tribune“ strebt die Regierung in Paris einen französischen oder europäischen Anteil an der Wertschöpfung von 75 bis 85 Prozent an.

Die Regierung in Paris hofft Medienberichten zufolge auf Investitionen von zwei Milliarden Euro bis Ende 2027, was etwa einem Dutzend neuer Fabriken entspreche. Zu den staatlichen Maßnahmen gehören demnach Steuergutschriften für Investments. Zudem seien im „France 2030“ genannten Förderprogramm für Zukunftstechnologien 30 Millionen Euro für Forschung und Entwicklung bei Wärmepumpen vorgesehen.

Wärmepumpen-Kaufprämie für Haushalte

Die französischen Haushalte will die Regierung mit einer Neuausrichtung des Fördersystems dazu bewegen, sich für europäische Produkte zu entscheiden. Käufer könnten die staatlichen Kaufprämien nur für Wärmepumpen erhalten, die bestimmte Umweltschutzkriterien bei der Produktion erfüllen – was Geräte aus asiatischer Herstellung faktisch ausschließen würde.

Einen ähnlichen Ansatz verfolgt Macron bereits bei den Subventionen für den Kauf von Elektroautos. Bei den Wärmepumpen geht es um Zuschüsse in Höhe von insgesamt 1,5 Milliarden Euro, die Privathaushalte im Rahmen der Gebäudesanierung beantragen können. Aus französischen Regierungskreisen heißt es, es ergebe keinerlei Sinn, dass man mit europäischem Steuergeld am Ende die nicht-europäische Konkurrenz in Zukunftsbranchen stärke.

Nach seiner Wiederwahl im Frühjahr 2022 hatte Macron eine „ökologische Wirtschaftsplanung“ versprochen, damit Paris die in der EU bis Ende des Jahrzehnts vereinbarten Klimaziele einhalten kann. Insgesamt sollen die französischen CO2-Emissionen um 138 Millionen Tonnen sinken. Mehr als 50 Handlungsfelder wurden in der Regierung seitdem identifiziert, verteilt auf unterschiedliche Sektoren wie Verkehr, Energie oder Bau.

Einige der Maßnahmen hatten die zuständigen Ministerien in den vergangenen Monaten bereits vorgestellt. Am Montag lieferte Macron bei einem Treffen mit seinen Ressortchefs den politischen Überbau: Die „Ökologie à la française“ solle das Land zur führenden grünen Wirtschaftsnation in Europa machen.

Der Präsident wandte sich gegen eine „Ökologie des Verzichts“, der Schutz der Umwelt sei vereinbar mit einem „produktiven Wirtschaftsmodell“. Der Kampf gegen den Klimawandel müsse als Wachstumschance begriffen werden. Ein weiteres Ziel der „ökologischen Wirtschaftsplanung“: Bis 2027 sollen in Frankreich mindestens eine Million Elektroautos pro Jahr gebaut werden.

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