Montag, 11. September 2023

Afrika redet beim Klima endlich mit: Was Afrika in der Klimakrise zu sagen – und zu bieten hat.

Etwas verändert sich gerade entscheidend. Sehen wir hier den Beginn einer wirklichen Kontinent-übergreifenden Zusammenarbeit auf Augenhöhe, um dem Klimawandel zu begegnen? Die Hoffnung ist groß, denn langsam wird klar: anders werden wir es nicht schaffen.
Doch es ist wie überall: Der Teufel liegt im Detail und beherbergt zahllose Fallstricke.

Spiegel hier Von Maria Stöhr  09.09.2023

Gute Nachrichten, das bedeutet in dieser Woche: In einer großen Krise bewegt sich etwas in die richtige Richtung. Es geht um den ersten afrikanischen Klimagipfel, der in Nairobi, Kenia, stattgefunden hat. Dort wurde über die globale Klimakrise debattiert, und endlich, so sagt mein Kollege Heiner Hoffmann, haben die afrikanischen Länder deutlich gemacht: »Wir wollen gehört werden. Wir lassen uns nicht mehr über den Tisch ziehen.«

Die Botschaft sei klar gewesen: Der Kontinent, der vom Klimawandel am stärksten betroffen ist, hält nicht mehr still. Auf dem Gipfel ging es vor allem um viel Geld. Denn eigentlich haben die reichsten Länder der Erde versprochen, hundert Milliarden US-Dollar pro Jahr für Entwicklungsländer zum Ausgleich zur Verfügung zu stellen, schließlich haben sie unverhältnismäßig viel an CO₂-Emissionen zu verantworten. Doch lediglich zwei Prozent der weltweiten Mittel für den Ausbau erneuerbarer Energien fließen tatsächlich nach Afrika. Obwohl dort die Klimaschäden enorm sind, Dürren und Fluten zunehmen und der Hunger mit ihnen.

Debattiert wurde beim Klimagipfel in Nairobi über eine globale Kohlenstoffsteuer und mehr Investitionen in klimafreundliche Technologien. Da hat Afrika einiges anzubieten. Es gibt Sonne und Wind im Überfluss. Kenia bezieht mehr als 80 Prozent seiner Energie bereits aus regenerativen Quellen, vor allem aus Geothermie. In Namibia entsteht ein riesiges Projekt mit grünem Wasserstoff. Auch für die Energiewende wichtige Rohstoffe wie Lithium lagern in Afrika. Der Kontinent hätte die Chance, sich als erste Region der Erde nachhaltig zu industrialisieren, schreibt Heiner in seiner Analyse.(hier)

Und auch in der Bevölkerung, sagte mein Kollege mir, sei das Thema präsent. »Von der Mittelklasse bis zum Taxifahrer – alle reden vom Klima, sie spüren die Krise ja, sie wissen, dass wir etwas tun müssen.« So klingt auch die Klimaaktivistin, die Heiner traf: Chantelle Serithi aus Südafrika. In ihrer Rede übte sie zwar viel Kritik, auch und gerade an afrikanischen Ländern. Sie prangerte die Korruption an, dass Gelder verschwinden, dass zu wenig in Umweltbildung für Kinder investiert wird.

Aber Serithi glaubt trotzdem, dass der Klimagipfel ein Signal des Aufbruchs ist: »Auf internationaler Ebene werden wir ausgeschlossen, niemand priorisiert Afrika, hier priorisieren wir uns selbst«, sagte sie, »wir haben das Wissen, wir haben die Ressourcen.« Vor allem gebe es in Afrika sehr viele junge Leute, die etwas bewegen wollten.

»Dass die afrikanischen Länder geschlossen aufgetreten sind, wurde von europäischen Staatschefs wahrgenommen. Es ist ein wichtiges Zeichen vor dem nächsten Weltklimagipfel COP28 in den Vereinigten Arabischen Emiraten«, sagt Heiner. Ich empfehle Ihnen auch seine Reportage aus Südafrika, wo in den Townships Klimaaktivistinnen ausgebildet werden.(hier)


Bild links: Mitglieder des Turkana-Volks aus Nord-Kenia demonstrieren beim Klimagipfel in Nairobi. Sie fordern von den Umweltverschmutzern dieser Welt mehr Unterstützung für die Opfer des Klimawandels

© IMAGO / ZUMA Wire

gehört zum Artikel in Capital hier 6.9.23


hier zum Anhören  NDR
Erster afrikanischer Klimagipfel endet mit gemeinsamer Erklärung

hier im Deutschlandfunk 05.09.2023

Afrikanischer Klimagipfel

UNO-Generalsekretär Guterres: Afrika kann „Supermacht der Erneuerbaren Energien“ werden

Afrika hat nach Ansicht von UNO-Generalsekretär Guterres das Potenzial, sich zu einer „Supermacht der Erneuerbaren Energien“ zu entwickeln. Die internationale Gemeinschaft müsse den Staaten des Kontinents aber auf dem Weg dorthin helfen, sagte Guterres auf dem afrikanischen Klimagipfel in Kenias Hauptstadt Nairobi.


TAZ hier 7.9.23

Klimagipfel in Afrika: Supermacht im Klimaschutz

Afrikas Staaten beanspruchen mit ihrem Klimagipfel eine Führungsrolle in der Energiewende – und machen ein schwieriges Angebot.

....Wir haben in Nairobi Geschichte geschrieben“, fasste Ruto die Verhandlungen der vergangenen Tage zusammen. „Diese Woche haben wir afrikanische Staatschefs eine gemeinsame, starke, afrikanische Position erarbeitet, wie die internationale Gemeinschaft sich engagieren soll im Angesicht der nicht zu leugnenden Dringlichkeit, dass der Klimawandel den Wohlstand der Menschheit gefährdet.“

Einstimmig wurde die Nairobi-Erklärung am Mittwoch am Spätnachmittag angenommen. Insgesamt wurden 23 Milliarden Dollar zugesagt, die in den nächsten Jahren auf dem Kontinent in grüne Energie investiert werden sollen. Dabei wird nun ein ganz neues Narrativ angestimmt: Der afrikanische Kontinent, der bereits unter extremen Folgen des Klimawandels wie Dürre, Fluten und Starkregen leidet, will sich nicht weiter als Opfer, sondern als Lösung des weltweiten Klimawandels verstehen.

„Afrika ist der Kontinent mit 60 Prozent der weltweiten erneuerbaren Energieanlagen, darunter Solar- und Windenergie, Geothermie und Wasserkraft“, betonte Ruto. „Wir verfügen über zwei Drittel des unkultivierten Ackerlands der Welt, das eine intelligente Landwirtschaft in den Produktionsspeicher der Welt verwandeln kann“, sagte er und forderte, eine „globale Koalition aus Notfallhelfern zu mobilisieren, um sicherzustellen, dass die Industrialisierung, die für den künftigen wirtschaftlichen Wandel erforderlich ist, die Vitalität und das ökologische Gleichgewicht unseres Planeten wiederherstellt“. Afrika kann ein grüner Industriestandort sein

In der Praxis bedeute dies, so wurde auf dem Gipfel immer wieder betont, dass die Afrikaner sich wünschten, dass westliche Konzerne und Investoren auf dem Kontinent nicht auf die Ausbeutung fossiler Brennstoffe wie Öl und Gas setzten, wie es nach wie vor der Fall ist. In Ostafrika bauen der französische Ölmulti Total und der chinesische Staatskonzern CNOOC derzeit die längste beheizte Ölpipeline der Welt. Ziel solle es vielmehr sein, dass internationale Konzerne in Zukunft nach Kobalt, Mangan und Platin bohrten – alles seltene Rohstoffe, die für die Herstellung von Wasserstoffbrennzellen oder Akkus für Elektroautos weltweit dringend benötigt werden.

„Afrika kann ein grüner Indus­trie­standort sein, der anderen Regionen hilft, ihre Netto-null-Strategien bis 2050 zu erreichen“, sagte Ruto auf dem Gipfel. „Die Erschließung der erneuerbaren Energieressourcen, die wir auf unserem Kontinent haben, ist nicht nur gut für Afrika, sondern auch gut für den Rest der Welt.“

Nach Angaben der Vereinten Na­tio­nen trägt der Kontinent nur knapp 3 Prozent zu den weltweiten Emissionen bei, leidet aber am meisten unter dem Klimawandel. Extreme Wetter­ereignisse sind in den letzten Jahren häufiger geworden. „Erneuerbare Energien könnten das afrikanische Wunder sein, aber wir müssen es schaffen. Wir müssen alle zusammenarbeiten, damit Afrika eine Supermacht für erneuerbare Energien wird“, betonte UN-Generalsekretär António Guterres am Dienstag auf dem Gipfel.


Und dann als Folge des neuen Selbstverständnisses von Afrika:

Süddeutsche Zeitung  hier 9. September 2023, 

Gipfel in Indien: G 20 wird Afrikanische Union aufnehmen

Zum Auftakt des Treffens gibt Indiens Premierminister Modi gleich ein neues Mitglied bekannt. Die Afrikanische Union, in der 55 Staaten des Kontinents vereint sind, bekommt somit den gleichen Status wie die EU.



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