Dienstag, 19. September 2023

Vereinte Nationen: António Guterres legt UN-Staaten "Rettungsplan" für Nachhaltigkeit vor

hier in der Zeit 18. September 2023, ZEIT ONLINE, AFP, dpa

2015 beschlossen die UN, bis 2030 etwa Hunger und extreme Armut in der Welt zu besiegen. Stand jetzt werde kaum eines der 17 Ziele erreicht, mahnt der UN-Generalsekretär.

UN-Generalsekretär António Guterres hat die 193 Mitgliedsstaaten davor gewarnt, die meisten der 17 selbst gesetzten Ziele für eine nachhaltige Entwicklung zu verfehlen. Der Portugiese legte den Mitgliedern vor dem am Montag beginnenden UN-Nachhaltigkeitsgipfel in New York einen "Rettungsplan" vor. 

Demnach sollen sich die Mitgliedsstaaten zu einer beschleunigten Umsetzung der Ziele bekennen und konkrete Maßnahmen ergreifen. Dazu zählen etwa nationale Strategien zur Verringerung von Armut und Ungleichheit und eine Reform der internationalen Finanzarchitektur.

Die Nachhaltigkeitsziele, auf die sich die Staaten 2015 verständigt hatten, sehen bis 2030 unter anderem die Beseitigung von Hunger und extremer Armut, den Zugang zu sauberem Trinkwasser, die Gleichstellung von Frauen und Männern und die Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs auf 1,5 Grad vor. 

Laut einem UN-Bericht zur Halbzeitbilanz sind die Mitgliedstaaten bei lediglich 15 Prozent der Entwicklungsziele auf dem richtigen Weg. Bei mehr als 30 Prozent der Ziele gibt es demnach keine Veränderung oder es wurden seit 2015 sogar Rückschritte verzeichnet.

Olaf Scholz sieht Anlass, sich nun "erst recht zu kümmern"

In den ersten Jahren erzielte Fortschritte etwa bei der Bekämpfung der extremen Armut, der Reduzierung der Kindersterblichkeit und beim Zugang zu Elektrizität wurden durch die Corona-Pandemie, den Ukraine-Krieg und klimabedingte Katastrophen teils wieder zunichtegemacht. Wenn es so weitergeht wie bisher, werden 2030 nach UN-Angaben noch immer 575 Millionen Menschen in extremer Armut leben und mehr als 600 Millionen Menschen hungern.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) räumte Versäumnisse bei den Bemühungen um eine nachhaltige Entwicklung des Planeten ein. "Wir sehen, dass der Fortschritt, den wir uns für die ganze Welt gewünscht haben im Kampf gegen Armut und für ein besseres Zusammenleben, langsamer geworden ist", sagte er in New York.

Es seien "nicht so viele Verbesserungen erreicht" worden, "wie wir uns gewünscht haben", sagte Scholz. "Aber das ist für uns ein Anlass, erst recht sich darum zu kümmern, dass wir diesen notwendigen Fortschritt auch erreichen", ergänzte er.



TAZ hier

Nachhaltigkeit auf UN-Vollversammlung:
Agenda 2030 weit vom Kurs ab

Kein Hunger, keine Armut, ökologische Grenzen respektieren: 17 Ziele wollen die UN in 7 Jahren erreicht haben. Bilanz bislang? Eher schlecht.

In dieser Woche treffen sich in New York die weltweiten Größen aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft im Rahmen der alljährlichen UN-Vollversammlung. Diesmal stehen die Themen Nachhaltigkeit und Klima zwar ganz oben auf der Agenda. In der aktuellen geopolitischen Lage dürfte es allerdings trotz anhaltender Katastrophen wie aktuell in Libyen oder Marokko schwer werden, bei diesen Themen einen gemeinsamen Lösungsweg zu finden.

Den Anfang macht die Halbzeitkonferenz zu den von den Vereinten Nationen verabschiedeten nachhaltigen Entwicklungszielen für das Jahr 2030. Diese insgesamt 17 Ziele – darunter die Bekämpfung von Armut und Hunger, der Zugang zu hochwertiger Schulbildung sowie mehr Klimaschutz – wurden 2015 von den UN-Mitgliedsländern verabschiedet.

In diesem Jahr soll nun eine Halbzeitbilanz gezogen werden. Und diese wird, wie Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze während einer Pressekonferenz vergangene Woche bereits erklärte, ernüchternd ausfallen.

„Die Halbzeitbilanz der Agenda 2030 ist besorgniserregend. Wenn die Welt so weitermacht, werden 2030 immer noch mehr als 500 Millionen Menschen in extremer Armut leben. Beim aktuellen Tempo sind die 17 Ziele nicht zu erreichen, weder in Deutschland noch in irgendeinem anderen Land“, sagte Schulze am Freitag vor ihrer Reise in die USA. Wie besorgniserregend die globale Situation ist, veranschaulichte der zuletzt im Juni veröffentlichte Statusbericht. In dem Bericht wird sogar bei 30 Prozent der Ziele ein Stillstand oder Rückschritt attestiert.

„Grabinschrift für Welt“

„Wenn wir jetzt nicht handeln, dann wird aus der Agenda 2030 eine Grabinschrift für eine Welt, die hätte sein können“, sagte UN-Generalsekretär António Guterres. Vor allem die anhaltenden Auswirkungen der Coronapandemie haben wie so vieles in der Welt auch die UN-Nachhaltigkeitsziele aus der Bahn geworfen.

Neben der Pandemie sind es jedoch auch Konflikte wie der Krieg in der Ukraine und die Auswirkungen des Klimawandels, die viele Ressourcen – sowohl finanziell als auch gesellschaftlich – für sich beanspruchen. Die Leidtragenden dieser globalen Fehlentwicklung sind vor allem die Entwicklungsländer sowie die ärmsten und gefährdetsten Bevölkerungsschichten. Es geht in diesem Jahr daher vor allem darum, die vor acht Jahren gesteckten Nachhaltigkeitsziele zu bestätigen und deren Implementierung auf internationaler und nationaler Ebene zu beschleunigen.

„Ich habe in dieser schwierigen geopolitischen Lage nicht die Erwartung, dass die Welt nach dem Gipfel in New York nächste Woche eine andere ist als heute. Wenn es uns in New York gelänge, die 17 Ziele als gemeinsames Leitbild zu bestätigen und eine Aufholjagd zu vereinbaren, wäre das ein wichtiger Erfolg“, so Schulze.

Deutschland will Vorreiter sein

Neben Schulze werden auch Bundeskanzler Olaf Scholz sowie Bundesaußenministerin Annalena Baerbock während der UN-Vollversammlung in New York anwesend sein. Deutschland will in der Entwicklungspolitik eine Vorreiterrolle einnehmen und die multilaterale Zusammenarbeit in diesem Aspekt stärken. Dies geht aus einer neuen Strategie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) hervor.

„Wir brauchen aber Zusammenarbeit, um Frieden zu sichern und globale Probleme wie den Klimawandel zu bewältigen“, sagte Schulze. Wie ernst das Thema Nachhaltigkeit und Klimaschutz auch für viele Menschen in den USA mittlerweile ist, zeigte ein groß angelegter Klimaprotest am Sonntag.

Laut Organisatoren zogen knapp 75.000 Menschen beim „March to End Fossil Fuel“ durch die Häuserschluchten von Manhattan. Die Teilnehmer fordern von US-Präsident Joe Biden und dessen Regierung einen sofortigen Stopp von Öl- und Erdgasprojekten sowie die Ausrufung eines Klimanotstands.

Biden soll ein Anführer sein

„Zehntausende Menschen aus allen Bevölkerungsschichten sind heute hier, um eine einfache Nachricht an Präsident Biden zu senden: Sei an Anführer und hilf, diesen Planeten zu retten. Keine fossilen Brennstoffe mehr. Uns läuft die Zeit davon“, sagte Emily Wurth von der Organisation Food & Water Watch.

Die Biden-Regierung hat in den vergangenen Jahren einige wegweisende Schritte zur Bekämpfung des Klimawandels eingeleitet, doch für viele ist das nicht genug. Neue Projekte zur Öl- und Gasgewinnung sind Klimaschützern ein Dorn im Auge. Ein neuer „Climate Ambition Summit“, der am Mittwoch am Rande der UN-Vollversammlung abgehalten werden soll, wird Menschen, Regierungen und Organisationen hervorheben, die in Sachen Klimaschutz eine Führungsrolle eingenommen haben.

Trotz dieses besonderen Augenmerks auf die Themen Nachhaltigkeit und Klimaschutz werden konkrete Maßnahmen während der UN-Vollversammlung allerdings auch in diesem Jahr nicht erwartet.

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