Donnerstag, 21. September 2023

Klimaschutz: Grundgesetz nimmt Ampel in die Pflicht

Frankfurter Rundschau hier   Meinung  Stand:20.09.2023,

Die von der Regierungskoalition geplante Aufweichung des Klimaschutzgesetzes verstößt gegen die Verfassung. Der Gastbeitrag von Thomas Groß.

Die verheerenden Waldbrände in Kanada, im Mittelmeerraum und vielen anderen Teilen der Welt haben die globalen Kohlendioxidemissionen dieses Jahres um mehrere Prozent ansteigen lassen. Zugleich fehlen diese Bäume künftig, um Kohlendioxid aus der Atmosphäre aufzunehmen. In den Alpenländern gab es Regenmengen ungekannten Ausmaßes, die insbesondere in Slowenien für verheerende Schäden gesorgt haben. 

In dieser Lage soll das deutsche Klimaschutzgesetz an einer zentralen Stelle abgeschwächt werden. Diese Änderung verstößt gegen die verfassungsrechtliche Pflicht zum Schutz der Menschenrechte und der Umwelt, weil sie zu einer Verzögerung dringend notwendiger Maßnahmen zur Bekämpfung der Erderwärmung führen wird.

Das Bundes-Klimaschutzgesetz aus dem Jahr 2019 enthält Minderungspflichten für die Treibhausgasemissionen in Deutschland, die jährlich auf sieben Sektoren aufgeteilt werden. Wird in einem Sektor die zulässige Jahresemissionsmenge überschritten, muss das zuständige Ministerium ein Sofortprogramm vorlegen, das gewährleistet, dass die Vorgaben in den kommenden Jahren wieder eingehalten werden. Obwohl in den Sektoren Verkehr und Gebäude die zulässigen Emissionen zweimal hintereinander überschritten wurden, haben die zuständigen Ministerien für Verkehr bzw. Bau kein Sofortprogramm vorlegt, das den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Die Bundesregierung beruft sich darauf, dass sie ein gemeinsames Klimaschutzprogramm vorgeschlagen hat, mit dem die Minderungsziele insgesamt erreicht werden sollen. Wie der Expertenrat für Klimafragen jüngst bestätigt hat, reichen jedoch weder die bisher beschlossenen Maßnahmen noch die neuen Vorschläge aus, um die Zielvorgaben für 2030 zu erreichen.

Nun hat die Koalition diese Auseinandersetzung zum Anlass genommen, das Klimaschutzgesetz zu ändern, um die jährliche sektorbezogene Überprüfung abzuschaffen. Durch die Aufgabe der sektorbezogenen jährlichen Überprüfungen wird ein wesentliches Element des ursprünglichen Gesetzes abgeschafft, mit dem ein Handlungsdruck erzeugt wurde.

Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist diese Entschärfung sehr problematisch. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Klimabeschluss vom 24. März 2021 festgehalten, dass sich zum einen aus der staatlichen Pflicht zum Schutz von Gesundheit, Leben und Eigentum und zum anderen aus den Freiheitsrechten der künftigen Generationen in Verbindung mit dem Staatsziel Umweltschutz eine Verpflichtung ergibt, die Treibhausgasemissionen in Deutschland entsprechend den Vorgaben aus dem Pariser Klimaschutzabkommen schrittweise zu reduzieren und mittelfristig Klimaneutralität zu erreichen. 

Es hat dabei dem Gesetzgeber keine konkreten Maßnahmen vorgeschrieben, weil das nicht Aufgabe eines Gerichts ist. Es hat in der Begründung aber deutlich erkennen lassen, dass nicht nur die jährlichen Minderungsziele des Bundes-Klimaschutzgesetzes verbindlich sein müssen, sondern dass es auch geeignete Mechanismen geben muss, um ihre Einhaltung durchzusetzen.

Hier setzt nun die verfassungsrechtliche Kritik an der geplanten Änderung an. Sie erhöht in signifikanter Weise die Gefahr, dass auf Bundesebene keine ausreichenden Maßnahmen beschlossen werden, um die mittelfristigen Ziele erreichen zu können.

Dies gilt besonders für die Sektoren Gebäude und Verkehr, in denen es die geringsten Erfolge bei der Verringerung von Treibhausgasemissionen gab. Die bisherige Rate bei der Energiesanierung von Gebäuden und der nur langsam steigende Anteil von Elektroautos sind offensichtlich ungenügend, um die Minderungsziele zu erreichen. Die Auseinandersetzungen über das Gebäudeenergiegesetz und über das Verbot neuer Verbrennungsmotoren zeigen ferner, wie stark die Widerstände dagegen sind, die eingeführten fossilen Technologien durch neue klimaverträgliche Energien zu ersetzen.

Aufgrund der Versäumnisse der Vergangenheit wird es ohnehin Jahrzehnte dauern, bis die Erderwärmung gestoppt werden kann. Wenn aber die Politik auf Widerstände dadurch reagiert, dass die verfassungsrechtlich erforderlichen Mechanismen abgeschwächt werden, wird Deutschland nicht den Beitrag leisten können, der nötig ist, um Klimaveränderungen zu verhindern, die große Gebiete der Erde für Menschen unbewohnbar zu machen drohen.


Zur Person

Thomas Groß ist Professor für Öffentliches Recht und Europarecht an der Uni Osnabrück. Er ist Mitinitiator des Aufrufs „Für eine völker- und verfassungsrechtskonforme Klimaschutzpolitik: Effektive Maßnahmen gegen die Erderwärmung statt Verwässerung des Klimaschutzgesetzes!“

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