Tagesschau ARD hier Stand: 24.09.2023 Von Katharina Lorch, WDR
Schmetterlinge machen die Frühlings- und Sommermonate bunter. Wenn sie bis dahin überleben. Wie das Jahr 2023 aus Schmetterlingssicht war, welche Probleme sie hatten - und wie man den bunten Faltern helfen kann."So wenige Schmetterlinge wie nie" lautete die Schlagzeile zum Fazit der Mitmachaktion "Insektensommer 2023" des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) und des bayerischen Landesbundes für Vogel- und Naturschutz (LBV).
Weniger Schmetterlinge: eine Momentaufnahme oder eine langfristige Entwicklung?
Auf die Frage, wie es den Faltern in Deutschland diesen Sommer ging, sagt Schmetterlingsexpertin Elisabeth Kühn: "Hätten Sie mich das vor ein paar Monaten gefragt, hätte ich gesagt, die Bilanz ist ganz, ganz schlimm, weil das Frühjahr aus Schmetterlingssicht eine Katastrophe war. Es gab ganz wenige Falter."
Als Projektkoordinatorin des Tagfalter-Monitorings Deutschland am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung hat Kühn einen direkten Draht zu den knapp 500 Ehrenamtlichen, die auf mehr als 600 Beobachtungsstrecken - sogenannten Transekten - Schmetterlinge zählen. Die nach wissenschaftlichen Standards erhobenen Daten schicken sie an Kühn und ihre Kollegen.
Seit Beginn des Projektes im Jahr 2005 wurden insgesamt mehr als vier Millionen Falter gezählt.
In diesem Jahr hätten die Freiwilligen im Mai kaum Schmetterlinge gefunden, über den Sommer habe sich dieser Eindruck etwas gewandelt, sagt Kühn: "Mittlerweile würde ich, so das Fazit, das Jahr als durchwachsen sehen. Es ist nicht ganz so schlimm wie befürchtet, aber auch nicht so gut, wie wir erhofft hatten."
Ergebnisse der Mitmachaktion nur ein Hinweis
Kühns Einschätzung zum "Schmetterling-Sommer" in Deutschland ist damit optimistischer, als die Ergebnisse der gemeinsamen Insekten-Zählaktion von NABU und LBV es erwarten ließen. Bei den öffentlichen Zählungen im Juni und August hatten sich knapp 14.000 Menschen beteiligt, es gab insgesamt fast 7.000 Meldungen. Schmetterlinge seien dabei in beiden Zählzeiträumen kaum gesichtet worden, so der NABU.
Diese Zählung gebe einen Hinweis, in welche Richtung es gehen könnte, sagt Kühn zu den Ergebnissen. Letztendlich komme es allerdings auf das Gesamtbild an: "Gerade bei Insekten ist es ganz typisch, dass es mal schlechte Jahre gibt und mal gute Jahre. Da gibt es eine hohe Fluktuation, wenn man sich das über die Jahre anschaut."
Vergangenes Jahr sei zum Beispiel die Trockenheit ein großes Problem gewesen. Viele Schmetterlingsraupen hätten deswegen keine Nahrung gefunden und seien gestorben, erklärt die Schmetterlingsexpertin.
Vorteil für wärmeliebende Arten
Um einen verlässlichen Trend zu den Schmetterlingsbeständen in Deutschland abzusehen, brauche es mindestens zehn Jahre, so Kühn. Deshalb mache man das Langzeit-Monitoring, bei dem man sowohl auf die Artenzahl schaue als auch darauf, wie viele Falter es insgesamt gibt. Die Gesamtzahl der Schmetterlinge in Deutschland, der Individuen, ist laut der Wissenschaftlerin um zehn Prozent zurückgegangen.
"Bei den Arten sieht es ein bisschen anders aus", sagt Kühn. Einigen Arten gehe es nicht gut, sie seien aber noch nicht endgültig ausgestorben. Sorgen mache dem Forscherteam zum Beispiel der Schornsteinfeger, eine "eher häufige Art, die aber wirklich stark abgenommen hat in den letzten Jahren".
Wärmeliebende Arten hätten derzeit einen Vorteil, so Kühn. Gut gehe es zum Beispiel Arten wie dem Karstweißling, der seit ungefähr zehn Jahren in Deutschland auftauche. Und es gebe eine weitere Art, die zuletzt eingewandert sei: "Die Artenzahl ist ganz leicht angestiegen über die Zeit."
Dass sich Arten ausbreiten, um neue Lebensräume auszukundschaften, komme immer wieder vor, meint die Schmetterlingsexpertin: "Wenn es im Winter nicht so kalt wird, im Sommer dann auch noch schön warm ist und die Art darauf angepasst ist, dann bleiben sie einfach."
Schmetterlingen fehlt Lebensraum
Ob es konkrete Auswirkungen habe, wenn es insgesamt weniger Schmetterlinge in Deutschland gibt, findet Kühn schwierig festzumachen, aber: "Generell ist ein Verlust an Biodiversität, an dieser Vielfalt, ein Problem, weil es so ein enges Netzwerk ist. Es hängt alles irgendwie zusammen und es wird sicher Auswirkungen haben." Als Insekten, die verhältnismäßig gut erfassbar sind, seien Falter ein Indikator für den Gesamtzustand des Systems.
Warum es insgesamt weniger Schmetterlinge in Deutschland gibt, hat für die Wissenschaftlerin verschiedene Gründe: der Einsatz von Insektiziden, mehr Stickstoff in der Luft, der Klimawandel und vor allem der Verlust an Lebensraum. "Ganz viele Lebensräume gehen einfach verloren dadurch, dass sie überbaut werden, zugepflastert werden oder auch einfach nur eine Wiese in einen Acker umgewandelt wird", so Kühn.
Nachhaltige Stadtentwicklung: Mit wenig Aufwand und Budget
Welche Folgen es für Schmetterlinge hat, wenn Menschen Grünflächen überbauen oder anderweitig nutzen, weiß Panagiotis Theodorou, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Biologie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU). "Die Urbanisierung hat einen starken negativen Einfluss auf die Häufigkeit und den Artenreichtum von Faltern", so der Zoologe.Eine im Juni veröffentlichte Meta-Studie der MLU und der Chinesischen Akademie der Wissenschaften (engl.), an der Theodorou beteiligt war, zeigt: Schmetterlinge leiden weltweit am meisten unter wachsenden Städten.
Theodorous Einschätzung nach fehlt es den empfindlichen Faltern dort an Pflanzen, sowohl für ihre Entwicklung als Larven als auch später, als Nahrungsquelle für die erwachsenen Schmetterlinge. Außerdem setzten ihnen Luftverschmutzung und die wärmeren Temperaturen in Städten zu.
"Wir müssen Maßnahmen konzipieren, die in städtischen Gegenden umgesetzt werden können und die in dem Sinne nachhaltig sind, dass sie nicht viel Aufwand und Budget erfordern", so der Zoologe. Er fordert, jede Stadt sollte einen Plan haben, wie sie die Anzahl ihrer Grünflächen erhöhen und diese besser bewirtschaften kann. Zusätzlich sollten Städte "grüne Korridore" anlegen, um Insektenpopulationen besser miteinander zu vernetzen.
Heimische Pflanzen für Schmetterlinge
Auch Stadtbewohnerinnen und -bewohner könnten Schmetterlingen helfen, indem sie den Rasenmäher stehen ließen oder selbst Pflanzen für Schmetterlinge anpflanzten, meint Theodorou: "Das ist sehr wichtig, und ich denke, dass jeder, der in der Stadt lebt und Zugang zu Grünflächen hat, ohne großen Aufwand oder Budget etwas umsetzen kann."Wichtig sei dabei nur, so Schmetterlingsexpertin Kühn, dass es am besten heimische Pflanzenarten in ihrer Urform sind. Auch Küchenkräuter wie Thymian oder Rosmarin seien gut geeignet. Und, betont Theodorou: "Wenn man Schmetterlingen hilft, hilft man eigentlich der Insektenbiodiversität im Allgemeinen."
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