Samstag, 2. September 2023

Was tun im Gebäudesektor? - Mit sechs Maßnahmen befreit sich die Ampel aus dem Heizungs-Dilemma

oh du großes Wunder: Das Klimaschutzprogramm 2023 der Bundesregierung reicht nicht aus!
Gefragt ist Effizienzsteigerung und wir leisten uns Diskussionen, die genau die Techniken aushebeln, die wirklich effizient sind - wie bescheuert ist das denn? 

Auch das Magazin Focus, das in diesem Fall mit einem guten Artikel informiert, ist nicht "unschuldig" an den Diskussionen. Ich zumindest kann mich sehr gut an die sehr unseriösen Artikel eines Herrn Reitz erinnern, in denen er die Wärmepumpe zum dämonisch Bösen hoch stilisierte.....und damit die Desinformationskampagnen  tragend anheizte.

Focus hier  Artikel von Von Gastautor Nils Thamling  1.9.23

Der Gebäudesektor wird die Klimaziele bis 2030 mit den bisherigen Maßnahmen nicht erreichen, stellten die Experten des Klimarats der Bundesregierung jüngst fest. Für Deutschlands Klimaziele ist eine Wärmewende unerlässlich. Der Experte Nils Thamling erklärt, welche sechs Maßnahmen die Ampel nun ergreifen muss, um die Wärmewende aus einem Dilemma zu befreien.

Seit einer Woche ist es amtlich: Das Klimaschutzprogramm 2023 der Bundesregierung reicht nicht, um Deutschlands Klimaschutzziele 2030 zu erreichen. Vor allem die Maßnahmen im Gebäude- und im Verkehrssektor sind unzureichend. So das Fazit des Expertenrats für Klimafragen der Bundesregierung. Der Rat erwartet bei den Treibhausgas-Einsparungen sogar eine noch größere Lücke, als die Bundesregierung selbst bereits eingeräumt hat. Nach den Kontroversen der vergangenen Monate überrascht das nicht. Der Expertenrat moniert: Es fehlt ein Gesamtkonzept für das Klimaschutzprogramm. Symptomatisch sei, dass dem Rat gleich mehrere nicht aufeinander abgestimmte Dokumente zur Bewertung vorgelegt wurden.

Was sagt die Wissenschaft?

Aus Forschung und Wissenschaft gibt es sehr konkrete technologische Vorschläge, mit denen der Gebäudesektor klimaneutral werden kann. Denn: Die Bundesregierung hat mehrere große Forschungsprojekte beauftragt, mit denen unterschiedliche technologische Pfade zur Klimaneutralität Deutschlands bis 2045 untersucht wurden und aus denen sehr eindeutige Empfehlungen hervorgehen. Ergänzt werden diese Forschungen durch weitere Gutachten von Verbänden und NGOs. Alle Studien weisen in eine Richtung, unterscheiden sich aber in einigen Details teils deutlich voneinander.

Für Klimaneutralität müssen die Energieeffizienz gesteigert, die erneuerbaren Energien ausgebaut und der Ausstieg aus fossilen Brennstoffen beschleunigt werden. Für Unternehmen aus den Bereichen Energieeffizienz und erneuerbare Energien ergeben sich daraus große Chancen. Es locken neue und wachsende Geschäftsfelder und viele neue Arbeitsplätze. 

Gleichzeitig führt das Ziel zur Transformation zu massivem Druck auf Branchen und Technologien, die weiter auf fossile Energien setzen. Mineralöl- und Erdgasunternehmen suchen händeringend nach Geschäftsmodellen und Ideen für klimaneutrale Produkte, um im Geschäft zu bleiben. Kein Wunder also, dass es heftige Kontroversen und Kampagnen gibt, wenn es um die Frage der Heizungstechnologien geht. Denn bislang sind Erdgas und Heizöl die am häufigsten genutzten Energieträger im Heizungskeller. Dabei sind sich Forschung und Wissenschaft einig: Wärmepumpen und Wärmenetze eignen sich am besten für eine dekarbonisierte Wärmeversorgung und sind heute bereits verfügbar. Wo es also technisch machbar ist, sollten neu eingebaute Heizungen Wärmepumpen oder der Anschluss an ein Wärmenetz sein, egal ob per Fern- oder Nahwärme.

Wie zukunftsfähig ist Wasserstoff für den Gebäudesektor?

Doch obwohl sachlich viel gegen den Einsatz von Wasserstoff zur Beheizung von Gebäuden spricht, konnte bislang kein Konsens über seine künftige Rolle im Heizungskeller erzielt werden.

Die Kernprobleme des Wasserstoffs sind seine sehr schlechte Effizienz, seine bislang ungesicherte Verfügbarkeit sowie ungelöste fundamentale technische Probleme bei der Umstellung der bestehenden Erdgas-Infrastrukturen auf Wasserstoff. Im Vergleich zur Wärmepumpe wird für das Heizen mit Wasserstoff sechs- bis zehnmal so viel Strom aus erneuerbaren Energien benötigt. Diese schlechte Effizienz führt unter anderem zu erwarteten Endkundenpreisen für Wasserstoff, die gut dreimal so hoch liegen wie die Erdgaspreise vor dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Da die Erzeugungskapazitäten für Wasserstoff bislang erst in Vorbereitung sind, wird schon die Deckung der Nachfrage aus Industrie und Energiewirtschaft als herausfordernd eingeschätzt. 

Eine zusätzliche Nachfrage aus den Heizungskellern wird nur schwer zu decken sein und die Kosten für alle Beteiligten in die Höhe treiben. Das schwächt die Industrie im internationalen Wettbewerb. Zu guter Letzt liegt bislang kein funktionierendes Konzept vor, wie der Umbau der Erdgas-Infrastrukturen im laufenden Betrieb gelingen kann. Denn spätestens ab 20 Volumenprozent Wasserstoff-Anteil am Erdgas müssen ausnahmslos alle angeschlossenen Geräte sowie Teile der Gasnetz-Infrastruktur überarbeitet werden. 

Im Bereich der Industrie und der Erdgas-Tankstellen gibt es sogar Hinweise, dass einige Anlagen bereits bei deutlich geringeren Wasserstoff-Anteilen technisch angepasst werden müssen. Dabei führt ein Volumenanteil von 20 % lediglich zu einer Treibhausgas-Einsparung von 7 %. Dennoch halten vereinzelte Branchen am Wasserstoff im Heizungskeller fest und verhindern damit den klimapolitisch dringend erforderlichen Ausstieg aus Erdgas und Heizöl.

Wie können wir die Kurve noch kriegen?

Will man beim Klimaschutz weiterkommen, braucht es ausreichend detaillierte Beschreibung für den klimaneutralen Gebäudesektor. Hierauf können entsprechende Politikinstrumente ausgerichtet werden. Ein solcher Prozess braucht Zeit. Das ist per se eine enorme Herausforderung, erschwert wird die Aufgabe noch durch die Hypothek, die bisherige Regierungen der Ampel hinterlassen haben. 

Denn: Die Treibhausgas-Emissionen des Gebäudesektors sind in den vergangenen Jahrzehnten deutlich langsamer zurückgegangen als nötig. Vor zehn oder gar 15 Jahren hätten moderate Klimaschutzmaßnahmen ausgereicht, beispielsweise ein langlaufender Einstieg in die CO2-Bepreisung, der heute ein Niveau mit Lenkungswirkung erreicht hätte. Auch die langen Investitionszyklen in Gebäuden machen die Sache schwer. Eine Heizung hält 25 Jahre und eine Fassade über 50 Jahre – bis 2045 werden sie also maximal einmal ersetzt. Daher muss heute mit Blick auf das Jahr 2030 jede bauliche Maßnahme unbedingt kompatibel mit dem Ziel der Klimaneutralität sein.

Die Folge: Die Bundesregierung steckt in einem Dilemma. Die Klimaschutzziele und die Hypotheken der letzten Jahrzehnte lassen keinen Spielraum mehr für lang angelegte Diskussionen, gleichzeitig bremsen Widerstand und hoher Diskussionsbedarf die Entscheidungsfindung aus. Dennoch muss es nun schnell gelingen, möglichst alle relevanten Akteure ins Boot zu bekommen.

Was ist zu tun?

Das neue Gebäudeenergiegesetz (GEG) soll nun in die Umsetzung gehen – deutlich schwächer als ursprünglich geplant und als dringend nötig. Nicht nur aus wissenschaftlicher Sicht ist klar, dass das GEG nur eines von mehreren Mitteln zum Erreichen des klimaneutralen Gebäudebestandes ist; wenn auch ein sehr gewichtiges. Es sollte eingebettet werden in ein Bündel gut aufeinander abgestimmter Maßnahmen von Preissignalen, Förderungsangeboten und Informationsarbeit.

Große Hoffnung und Bedeutung liegen auf dem Emissionshandel für den Wärmemarkt. Konsequent umgesetzt, wird er zu deutlichen Preisaufschlägen für Erdgas und Heizöl führen und ihre Nutzung damit unattraktiver machen. Mittelfristig werden dadurch Erdgaspreise auf dem Niveau der heutigen Gaspreisbremse erwartet, also um zwölf Cent/kWh und damit doppelt so hoch wie noch vor wenigen Jahren. Im Gegensatz zum GEG wirkt der Emissionshandel sofort auf alle. Daher ist die zügige Einführung des Klimageldes wichtig, mit dem insbesondere einkommensschwache Haushalte von den zusätzlichen Ausgaben entlastet werden.

Über den Emissionshandel hinaus sollte das System aus Steuern, Abgaben und Umlagen für Energieträger konsequent darauf ausgelegt werden, dass klimaneutrale Wärmeerzeuger wirtschaftlich attraktiver werden im Vergleich zu fossil befeuerten Heizkesseln. Eine ergänzende Möglichkeit wäre beispielsweise die Absenkung der Stromsteuer für Wärmepumpen auf das von der EU geforderte Mindestniveau.

Zusätzlich sollten maßgeschneiderte und langfristig gesicherte Förderprogramme gewährleisten, dass sich alle Gebäudeeigentümer die notwendigen Investitionen leisten können, ohne in wirtschaftliche Bedrängnis zu kommen. Die Spannbreite ist dabei groß: Die Förderprogramme müssen zielgerichtet den Bedürfnissen von Eigentümern, die ihre Immobilie selbst nutzen, über kleine Privatvermieter bis hin zu Wohnungsunternehmen gerecht werden.

Bevor das GEG wirkt, sollen die Kommunen verpflichtend eine kommunale Wärmeplanung durchführen, so die aktuellen Vorschläge der Bundesregierung. Dabei muss aber sichergestellt werden, dass diese wissenschaftlich fundiert und vor allem frei von individuellen Interessen einzelner Akteure umgesetzt wird. Die Kommunen sollten die Kosten der möglichen Wärmeversorgungen transparent aufzeigen, sodass diese als Entscheidungsgrundlage genutzt werden kann.

Zu guter Letzt bedarf es einer breit angelegten Informations- und Beratungsarbeit. Die öffentlichen Kontroversen der vergangenen Monate waren geprägt von Populismus und Desinformationen. Das hat zur massiven Verunsicherung bei den Bürgerinnen und Bürgern geführt.

Jedoch ist es sehr fraglich, ob die aufgezeigten, dringenden Maßnahmen reichen, um die Klimaschutzziele 2030 im Gebäudebereich noch zu erreichen. Zu groß ist der Zeitverzug aus den vergangenen zwei Jahrzehnten. Dennoch ist das kein Grund aufzugeben – im Gegenteil: Es muss Ansporn sein, um die offenen Fragen zu klären und um das langfristige Ziel mit großer Konsequenz weiterzuverfolgen. Je mehr Maßnahmen wir früher und besser umsetzen, desto wahrscheinlicher und günstiger wird es, den klimaneutralen Gebäudebestand bis zum Jahr 2045 zu erreichen.

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