Montag, 18. September 2023

Ausbau der Solarenergie : Deutschland im Sonnenrausch

Zeit hier  Von Christian Endt  13. September 2023

Drei Monate früher als geplant erreicht Deutschland seine Ziele zum Ausbau der Solarenergie. Doch der Boom sorgt auch für Probleme.

Das Heizungsgesetz: vermurkst. Das Klimageld: verschoben. Der Netzausbau: verpennt.
Niemand kann behaupten, dass die Energiewende in Deutschland gerade rund läuft. Doch hier kommt eine gute Nachricht: Die Solarenergie boomt. Der Ausbau kommt sogar noch schneller voran, als sich die Bundesregierung das gewünscht hat. Eine tagesaktuelle Datenauswertung von ZEIT ONLINE zeigt, dass das Ausbauziel für dieses Jahr schon Mitte September erreicht wurde, 109 Tage vor Jahresende.

Alle Solaranlagen, die am Stromnetz hängen, müssen in ein Register der Bundesnetzagentur eingetragen sein. Vom handtuchkleinen Balkonkraftwerk bis zum hektargroßen Solarpark. Dieses Register wertet die Datenredaktion von ZEIT ONLINE laufend aus, verrechnet alle An- und Abmeldungen. Daraus lässt sich der Fortschritt des Zubaus stets tagesaktuell berechnen. Die Gesamtleistung der in Deutschland installierten Solaranlagen soll dieses Jahr um neun Gigawatt wachsen. Diese Zahl lässt sich aus dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz und Plänen des Klimaschutzministeriums ableiten. Neun Gigawatt entsprechen Solarmodulen mit einer Fläche von etwa 6.300 Fußballfeldern oder ziemlich genau der Größe des Ammersees.

Damit spielt Solarstrom eine immer größere Rolle bei den Erneuerbaren, deren Anteil ebenfalls wächst: In den Monaten Mai, Juni, Juli und August trugen alle erneuerbaren Energiequellen zusammen stets mehr als 60 Prozent zur gesamten Stromerzeugung in Deutschland bei. In all den Jahren zuvor wurde diese Marke nur ein einziges Mal überschritten, im ungewöhnlich windreichen Februar 2020.

Allerdings stößt der Solarboom an seine Grenzen, weil andere Komponenten des Energiesystems nicht schnell genug mitwachsen. Da sind zum einen die Netze: Mitunter kann der Strom bereits jetzt nicht mehr abtransportiert werden. In Bayern haben die Netzbetreiber am Dienstagmittag dieser Woche daher Solaranlagen zwangsweise abgeschaltet. Ein Eingriff, den man bislang vor allem aus Windparks in Norddeutschland kannte. Die Eigentümer kriegen trotzdem Geld, die Energie aber geht verloren. Neben leistungsfähigeren Netzen – deren Ausbau schon geplant ist, aber einige Jahre dauert – können auch Speicher Abhilfe schaffen. Wenn die Sonne mittags vom Himmel brennt, lassen sich Batterien laden, die abends Herd und Fernseher speisen. Mit Elektrolyseuren lässt sich die Energie in Form von Wasserstoff gar über Monate aufbewahren. Der Aufbau all dieser Technologien kommt aber bislang deutlich langsamer voran als die Fotovoltaik.

Neben den Netzen selbst ächzen auch deren Betreiberfirmen, für die jede neue Solaranlage mit Bürokratie verbunden ist. In Baden-Württemberg beispielsweise hat sich die Zahl der monatlichen Anträge für den Anschluss einer Solaranlage ans Stromnetz binnen zwei Jahren mehr als vervierfacht, berichtet der Fachdienst Tagesspiegel Background. Nun soll Digitalisierung helfen.

Mit dem rasanten Solarwachstum zeigt sich zudem immer deutlicher, dass die Energiewende auf zwei ungleichen Beinen steht. Denn Solarenergie gibt es nur dann, wenn die Sonne scheint. Solarstrom gelangt ganz überwiegend mittags und am frühen Nachmittag ins Netz – an bewölkten Tagen aber gleich viel weniger. Allein mit Speichern lässt sich das nicht ausgleichen. Wind weht dagegen in Deutschland nicht nur etwas gleichmäßiger, sondern oft gerade dann, wenn die Sonne fehlt. Beide Komponenten müssen sich daher ergänzen. Doch der Ausbau der Windenergie hängt hinterher, das diesjährige Ziel von 3,9 Gigawatt ist noch nicht mal zur Hälfte erfüllt und kaum noch zu schaffen. Obwohl die Bundesregierung viel tut, um den Ausbau voranzubringen, fanden sich bei der jüngsten Ausschreibung für Zuschläge der Bundesnetzagentur zu wenige Bieter – ein Frühindikator für die nächsten Jahre.

Solaranlagen zu errichten, ist dagegen einfacher und günstiger. Die Module selbst kommen ohnehin meist aus China. Windkraft ist nicht nur technisch aufwendiger, sondern auch gesellschaftlich viel stärker umstritten. Aber ohne Mühe ist die Energiewende nicht zu schaffen.

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