Sonntag, 24. September 2023

Serielles Bauen als Hoffnungsträger

WiWo hier von Horst von Buttlar  15.9.23

Der Neubau in Deutschland droht zu kollabieren. Das Bauen in Serie gilt nun als Hoffnungsträger in der Immobilienkrise. Mit Recht?

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Wenn man so will, hat Jan-Hendrik Goldbeck eine seiner Lieblingsbeschäftigungen aus Kinderzeiten zum Beruf gemacht. Damals spielte er gern mit Lego, baute mit den Plastiksteinchen Ritterburgen und Raumschiffe. Heute baut er immer noch gerne – aber die Steine sind größer geworden. 

Goldbeck ist einer von vier Geschäftsführern des gleichnamigen Bauunternehmens aus Bielefeld. Die Gebäude, die Goldbeck baut, werden wie Lego zusammengesteckt. Serielles Bauen nennt man das.

Anders als bei der konventionellen Bauweise, wo jeder Neubau als Unikat geplant und später Stein für Stein hochgezogen wird, denkt man beim seriellen Bauen – wie der Name sagt – in Serie. Ähnlich wie in der Automobilbranche folgt dabei alles fest geplanten Prozessen aus einer Hand. Und vor allem: mit vorgefertigten Teilen, die anschließend einfach miteinander verbunden werden müssen. Wie bei Lego eben.

Seit Jahren schwärmen Fachleute vom seriellen Bauen, wollen es als Gamechanger in der Bauwirtschaft verstanden wissen. Denn der Bau in Serie ist deutlich schneller und günstiger umzusetzen als der klassische Neubau. Außerdem wird in der Produktion weniger CO2 ausgestoßen. Damit könnte serielles Bauen gerade jetzt in der Immobilienkrise einen Beitrag dazu leisten, die Wohnungsnot zu lindern, und auch zum Erreichen der Klimaziele beitragen.

An seinem Ziel, jährlich 400.000 neue Wohnungen zu bauen, ist Deutschland schon in der Ära billigen Geldes und günstiger Rohstoffe gescheitert. Nun hat sich beides immens verteuert, was wiederum zahlreiche Bauträger in Bedrängnis bringt – und die Lage am Wohnungsmarkt abermals verschlechtert.

Schneller, günstiger – besser?

Dass sich die Lage in der Bauwirtschaft bald wieder aufhellen wird, daran glaubt Jan-Hendrik Goldbeck nicht. „Die letzte Schlagzeile ist noch nicht gelesen“, sagt er im WirtschaftsWoche-Podcast „Chefgespräch“. „Wir werden die Auswirkungen noch die nächsten Jahre sehen.“ Heißt: weniger Wohnungen, mehr Pleiten – und mehr Probleme. Bei Goldbeck selbst sehe es im laufenden Geschäftsjahr zwar bislang gut aus. Aber auch in Bielefeld spüre man eine „enorme Zurückhaltung“.

Dass Goldbeck das serielle Bauen als eine Möglichkeit sieht, um Deutschland aus der Wohnungskrise zu holen, liegt natürlich auch in der Natur seines Geschäfts. Eine neue Studie der Münchener Unternehmensberatung Munich Strategy kommt aber zu dem Ergebnis, dass diese Bauweise tatsächlich große Vorteile hat. „Serielles Bauen ist der größte Hebel gegen die Wohnungsnot, insbesondere bei sozial geförderten Wohnungen“, schreibt Studienautor Sebastian Theopold.

Seriell gebaute Wohnungen können demnach mit einem Quadratmeterpreis von 2500 bis 3000 Euro günstiger auf den Markt gebracht werden als konventionell gebaute Objekte. Dementsprechend könnten Vermieter eine deutlich niedrigere Mindestmiete verlangen und trotzdem noch Rendite erzielen: 10 statt 18 Euro je Quadratmeter – 44 Prozent weniger. Preise, die bei konventionell gefertigten Wohnungen kaum wirtschaftlich wären. Hinzu kommt: Mit einer Bauzeit von nur drei bis sechs Monaten ist serielles Bauen deutlich schneller. In konventioneller Bauweise dauert die Fertigstellung 9 bis 18 Monate. Auch die Genehmigungszeiten sind kürzer.

Tesla und Vonovia sind überzeugt

Wenn Autofahrer in ein Parkhaus fahren, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Bauteile aus der Bauschmiede der Goldbecks stammen. Das Familienunternehmen entwickelt in erster Linie gewerbliche Bauten, auch für prominente Auftraggeber. Der Wohnungskonzern Vonovia beauftragte sie mit dem Bau der neuen Firmenzentrale, auch Tesla-Chef Elon Musk erteile ihnen schon einen Auftrag. Goldbeck zog für Tesla die neue Gigafactory im brandenburgischen Grünheide hoch. Wohnungen machen bislang nur einen kleinen Anteil an Goldbecks Aufträgen aus – aber einen wachsenden.

Gerade einmal ein Fünftel der Gebäude in Deutschland werden bislang seriell oder modular gefertigt. Bei Wohnungen liegt der Anteil mit fünf Prozent nochmals deutlich niedriger, zeigen Zahlen des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA). Nun kommt von ganz oben Fürsprache, mit Serienerzeugnissen den Bau-Booster einzulegen: von Bauministerin Klara Geywitz (SPD). Sie hat im Sommer die Bundesstiftung Bauakademie ins Leben gerufen. Die soll einen „längerfristig arbeitenden Thinktank“ zum seriellen Bauen organisieren und Akteuren am Bau die Vorteile davon schmackhaft machen. 

Hier und da ist man der Ansicht, seriell gefertigte Gebäude seien hässlich, würden die Städte verschandeln. Die Vorbehalte gegenüber der „Platte 2.0“ sind groß. Solche Einwände versucht Munich-Strategy-Experte Theopold zu zerstreuen. Seriell gefertigte Elemente könnten etwa durch unterschiedliche Farben und Strukturen individualisiert werden. Ob ein Gebäude seriell oder konventionell gefertigt worden sei, sei später nicht zu erkennen.

100.000 Wohnungen pro Jahr?

Theopolt geht davon aus, dass Unternehmen wie Nokera, Gropyus und Goldbeck in fünf Jahren 100.000 Wohnungen pro Jahr seriell fertigen werden. „Dann tritt der Tesla-Moment ein,“ prophezeit Theopold. „Wenn mehr Auftraggeber die Vorteile seriellen Bauens erkannt haben, wächst es aus der Nische raus.“ Doch es gibt auch ein konkretes Problem, das den Hoffnungsträger am Bau einschränkt: die Bürokratie. Im föderalen Dickicht hat jedes Bundesland eine eigene Bauordnung. Obendrauf kommen Befindlichkeiten von Kommunen und Projektentwicklern.

Vor allem die Vorschriften zu Kellern und Tiefgaragen bremsen den Bau neuer Wohnungen, beobachtet Jan-Hendrik Goldbeck. Stellplatzverordnungen von Städten schreiben beispielsweise vor, wie viele Tiefgaragenstellplätze pro Wohneinheit verpflichtend zu bauen sind. „Da gehen sechs Monate verloren, es ist teurer und verbraucht mehr CO2“, sagt Goldbeck im WirtschaftsWoche-Podcast. Manche Probleme ließen sich offenbar leicht beheben – verzichtete man auf Bürokratie und ein wenig Komfort.

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