Freitag, 1. September 2023

Energiekosten: Wieso wir Frankreichs Atomstrom teuer bezahlen

Die FDP scheint  informationsmäßig überhaupt nicht  auf der Höhe der Zeit, will sie doch zu gerne suggerieren, die Grünen seien Schuld an den hohen Energiepreisen...

hier in der Zeit

Die Kosten für Frankreichs Kernkraftwerke steigen stetig. Nun könnte auch noch Niger als Uranlieferant wegfallen. Das trifft auch deutsche Stromkunden.

In Frankreich könnte der Strompreis demnächst kräftig ansteigen. Die Putschisten in Niger drohen damit, künftig Uranimporte für französische Atomkraftwerke behindern zu wollen. Dabei bezieht das Nachbarland für seine 56 Atomkraftwerke rund ein Fünftel seines Urans aus dem afrikanischen Staat. Als ehemalige Kolonialmacht hatte die Pariser Regierung stets vorteilhafte Lieferverträge mit Niger geschlossen, die französische Firma Orano kontrolliert zu Dreiviertel die Uranvorkommen. Der Putsch gefährdet nun diese einseitig vorteilhaften Deals für den französischen Atomstrom.  

Diese Abhängigkeit erklärt auch, warum sich Frankreich aktuell so vehement wie kaum ein zweites Land gegen die Putschisten in Niger stellt. Noch am Montagnachmittag hatte Präsident Emmanuel Macron in einer Rede vor Diplomaten betont, dass der Gegenspieler der Putschisten, die westafrikanische Staatengemeinschaft Ecowas, vorbehaltlos von Frankreich unterstützt werde. Auch bei einem möglichen militärischen Eingreifen.

Zwar erwähnte Macron den Uranimport in seiner Rede nicht – aber es ist klar, dass für den Staatschef hohe Strompreise politisch gefährlich sind. Erst im August stiegen die Preise von EDF – dem staatlichen Stromkonzern – abermals um zehn Prozent an. Schon im Frühjahr zahlten Franzosen und Französinnen von einem Tag auf den anderen 15 Prozent mehr. Das klingt nach viel, ist aber noch weit entfernt von dem tatsächlich notwendigen Preis für den Atomstrom: Die staatliche Regulierungsbehörde CRE berechnete vor wenigen Wochen, dass die Preise eigentlich um 75 Prozent steigen müssten, um die reellen Kosten zu decken. Die Differenz zahlen die französischen Bürgerinnen und Bürger natürlich trotzdem. Sie finanzieren über andere Abgaben letztlich die durch den Staat niedrig gehaltenen Preise.

70 Prozent Nuklearstrom

Dabei waren in der Rechnung vom CRE die nun gefährdeten Uranzukäufe aus Niger noch nicht einmal enthalten – sie sind nur ein Preistreiber unter vielen. Frankreich muss gerade so viele Probleme bei der Stromversorgung lösen wie kaum ein zweites Land in Europa. Es produziert rund 70 Prozent seines Stroms aus nuklearer Energie und hat als einziges Land die europaweiten Ziele für Erneuerbare in 2020 nicht erreicht. Zudem stoßen in den kommenden Jahren Dutzende französische Atomkraftwerke an ihre einst vorhergesehene Altersgrenze von 40 Jahren. Die altersschwachen Meiler müssen für viel Geld repariert werden.  

"Die Kernenergie wird in Frankreich auf jeden Fall teurer werden", prophezeit daher auch Bruno Burger, Energieexperte am Freiburger Fraunhofer-Institut. Im Winter reichten die produzierten Mengen nicht einmal für den eigenen Konsum aus – dann müsse das Nachbarland teuer zukaufen. Schließlich heizt jeder zweite Franzose mit Strom aus Radiatoren, den liebevoll getauften "Wandtoastern". Die erhöhte Nachfrage aus Paris am europäischen Strommarkt werden allerdings auch deutsche Haushalte spüren: Strom wird knapper und damit unweigerlich teurer.  

Experte Burger wertet die täglichen Importe und Exporte europäischer Länder aus. Er beruft sich dabei auf Daten der Europäischen Übertragungsnetzbetreiber ENTSO-E, die wiederum Daten der Börsen beziehen. Seine Graphen zeigen, dass Frankreich mindestens seit 2015 mehr Strom aus Deutschland importiert, als es exportiert und dass seine Handelspreise höher sind als die deutschen. Frankreich treibt also die europäischen Preise insgesamt hoch – wohingegen erneuerbare Energien inzwischen zu den günstigsten Quellen gehören. Trotzdem baut Frankreich auch in den kommenden Jahrzehnten auf die Atomenergie. Und es setzt sich dafür auch in Europa ein. Deutschland solle die französische Atomkraft nicht kritisieren, sagte etwa der französische Wirtschaftsminister Bruno Le Maire. Dies sei "eine rote Linie", die nicht überschritten werden dürfe.

Rostprobleme überall

Weltweit sind rund hundert zusätzliche Atomkraftwerke geplant, bis 2050 könnte die Zahl der AKW weltweit um rund 40 Prozent steigen, rechnete die World Nuclear Association im Mai vor. Zugleich haben sich die Uranpreise schon in den vergangenen zwei Jahren verdoppelt, sagt der Straßburger Nuklearexperte Teva Meyer.

Umso mehr bezuschusst die Pariser Regierung die niedrigen Strompreise. Schließlich waren die niedrigen Rechnungen jahrzehntelang das wichtigste Argument für die heimische Kernkraft. Inzwischen aber sind erneuerbare Energien dauerhaft günstiger geworden und die AKW sehr viel teurer. Sie mussten nach der Katastrophe von 2011 in Fukushima aufwendig umgerüstet werden. Zudem muss Frankreich viele Milliarden in alte Meiler stecken. Schon jetzt sind ein Drittel oder mehr Kraftwerke ständig außer Betrieb. Einige Anlagen müssen turnusmäßig gewartet werden, andere stehen still, weil es Rostprobleme an sensiblen Bereichen gibt.

Einen Vorteil sieht Experte Bruno Burger aber dennoch in den stets steigenden Preisen: Sie könnten Franzosen und Französinnen animieren, Strom zu sparen. Dann würden durch den sinkenden Verbrauch auch die Börsenstrompreise für alle Europäer sinken. 


hier  Artikel von Damian Kruse •31.8.23

Frankreichs Energie: Atom vs. Wind

Frankreichs Engagement für Atomkraft bleibt unverändert stark, trotz der Planung neuer Offshore-Windparks, die bereits in Betrieb genommen wurden.

Der langwierige Bau von Atomkraftwerken

Frankreich hat öffentlich den Bau von mindestens sechs neuen Atomkraftwerken angekündigt, trotz eines massiven Ausfalls von Atomkraftwerken im Jahr 2022. Derzeit befindet sich mit dem Atomkraftwerk Flamanville (1.650 MW Leistung) nur ein AKW im Bau. Der EPR-Reaktor wird seit 2007 gebaut und sollte ursprünglich im Jahr 2012 fertiggestellt werden. Doch der letzte angegebene Termin für die Inbetriebnahme ist das erste Quartal 2024, was die zeitaufwendige Natur des Atomkraftwerkbaus unterstreicht.

Beschleunigte Planung trotz möglicher Probleme

EDF hat vorgeschlagen, drei EPR2-Reaktorpaare an den Standorten Penly, Gravelines und in der Region Auvergne Rhône-Alpes zu bauen. EDF soll es ermöglicht werden, ab Juni 2024 mit den Vorbereitungen für den Bau der ersten beiden Reaktoren zu beginnen. Aber selbst mit dieser beschleunigten Planung wird das neue Reaktorpaar am AKW-Standort Penly nicht vor 2035 fertiggestellt sein.

Parallele Entwicklung der Offshore-Windparks

Während die Atomkraftwerke geplant werden, gehen in Frankreich neue Offshore-Windparks nach relativ kurzer Bauzeit bereits in Betrieb und produzieren Strom. Bereits Ende 2022 hat EDF den ersten französischen Offshore-Windpark vollständig in Betrieb genommen. Im Jahr 2023 gehen mit Fécamp und Saint Brieuc zwei weitere Offshore-Windparks in Betrieb.

Vergleich der Leistungen: Atom vs. Wind

Bis Ende 2023 wird die Offshore-Windkraft in Frankreich knapp 1.500 MW erreichen. Dies entspricht etwa der Leistung eines AKW-Blocks am Standort Penly. Während die neuen Offshore-Windparks aber bereits 2023 Strom produzieren, wird das erste AKW in Penly frühestens ab 2035 die Stromerzeugung aufnehmen.

Der Vergleich der Energieformen zeigt, dass Offshore-Windparks aufgrund ihrer schnelleren Fertigstellungszeit eine immer wichtigere Rolle in der französischen Energielandschaft spielen. Trotz der fortgesetzten Unterstützung für Atomkraftwerke könnte der schnelle Aufbau und die Inbetriebnahme von Windparks dazu führen, dass die erneuerbaren Energien die Nase vorn haben.


Energiepolitik: FDP stellt Atomausstieg infrage

Süddeutsche Zeitung  hier 31. August 2023, Von Paul-Anton Krüger, Berlin

Energiepolitik: Bis April 2023 waren in Deutschland noch drei Atomkraftwerke am Netz, darunter auch Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg.

Die Liberalen wollen den Rückbau der abgeschalteten Meiler stoppen. "Nur so bleiben wir in jeder Situation handlungsfähig", heißt es in einer Beschlussvorlage. Von der grünen Umweltministerin Lemke kommt umgehend Kritik.

Der Vorsitzende der FDP-Fraktion im Bundestag, Christian Dürr, stellt den Atomausstieg infrage. Er sagte der Süddeutschen Zeitung, die Fraktion werde bei ihrer Klausurtagung in Dresden darüber beraten, dass "der Rückbau der noch funktionierenden Kernkraftwerke gestoppt werden sollte".

In der Beschlussvorlage für die Tagung der 92 FDP-Abgeordneten heißt es dazu, Deutschland brauche grundlastfähige Kraftwerke. "Nur so bleiben wir in jeder Situation handlungsfähig." Zudem wollen sich die Liberalen einsetzen für "den Einstieg in moderne, besonders abfall- und risikoarme Kernspaltungstechnologien".

Gemeint sind damit offenbar unter anderem sogenannte kleine modulare Reaktoren (SMR), deren Entwicklung in den USA, Kanada und Großbritannien, aber auch in China und Russland vorangetrieben wird. Diese sollten ein Zusammenspiel mit den erneuerbaren Energien bilden, "wenn sich zeigen sollte, dass dies für eine ebenso klimaneutrale wie günstige und sichere Energieversorgung nötig ist". Auch in die weitere Entwicklung der Kernfusion setzt die FDP Hoffnungen.

Die Bundesregierung hatte nach einem Machtwort von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) den schon beschlossenen endgültigen Atomausstieg gegen heftigen Widerstand der Grünen verschoben und die drei noch am Netz verbliebenen Meiler bis Mitte April 2023 weiterlaufen lassen. Sie wollte damit befürchteten Energieengpässen im Winter vorbeugen.

Diese waren maßgeblich dadurch ausgelöst worden, dass Russland seine Gaslieferungen nach Beginn des Angriffskriegs auf die Ukraine gedrosselt und letztlich komplett eingestellt hatte. Es war das einzige Mal seit Amtsantritt, dass Scholz unter Berufung auf seine Richtlinienkompetenz als Kanzler eine Entscheidung in der Ampelkoalition ohne ein Einvernehmen der Partner durchgesetzt hat.

Dürr sagte, das Bundeskabinett habe bei seiner Klausur auf Schloss Meseberg die richtigen Schwerpunkte gesetzt und spürbare Entlastungen für die Wirtschaft sowie einen weiteren Abbau der Bürokratie beschlossen. Das seien "die richtigen Impulse für unsere Wirtschaft". Die FDP setze diesen Kurs nun fort und wolle auf ihrer Fraktionsklausur darüber sprechen, wie die Energiepreise wieder gesenkt werden könnten - doch dieses Thema ist in der Ampel höchst kontrovers.

Weniger Steuern statt Industriestrompreis

Die SPD-Bundestagsfraktion und die Grünen fordern einen vom Staat subventionierten Industriestrompreis, der zumindest energieintensiven Großunternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, zeitlich befristet zugutekommen soll. Bundeskanzler Scholz hat das nicht ausgeschlossen, sich aber bislang zurückhaltend gezeigt. Dauerhafte Subventionen mit der Gießkanne könne man sich nicht leisten, argumentiert er, ähnlich wie FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner.

FDP-Fraktionschef Dürr hielt den Forderungen der Koalitionspartner entgegen, mit der Abschaltung der letzten drei Kernkraftwerke Isar 2 bei Landshut, Neckarwestheim 2 und Emsland in Lingen verzichte Deutschland auf die Produktion von 30 Terawattstunden Strom pro Jahr. Das mache sich im Stromnetz bemerkbar. Er hätte sich gewünscht, dass "die Kernkraftwerke in dieser angespannten Situation am Netz bleiben können".

In der Beschlussvorlage der Fraktion heißt es weiter, Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen müsse "möglichst zeitnah die Kraftwerkstrategie 2026 des Bundes vorlegen, um Planungssicherheit für die Energieunternehmen und energieintensiven Branchen zu schaffen". Auch die Bewältigung von Worst-Case-Szenarien müsse dabei berücksichtigt werden.

Statt eines Industriestrompreises werde die Fraktion über eine Senkung der Stromsteuer auf das von der EU vorgeschriebene zulässige Mindestmaß beraten, ebenso wie über die Stärkung von Strompartnerschaften, um "langfristig verlässlich günstige Preise zu ermöglichen". Die Abgeordneten müssen darüber noch befinden, die Zustimmung gilt aber als sehr wahrscheinlich.

FDP auf einer Linie mit CDU-Chef Merz

Direkte Verträge mit energieintensiven Unternehmen und die Belieferung durch Produzenten erneuerbarer Energien sollen nach diesem Modell eine Stromversorgung zu international wettbewerbsfähigen Konditionen garantieren. Dazu brauche es eine stärkere Standardisierung solcher Arrangements, um diese noch attraktiver machen.

Auch CDU-Chef Friedrich Merz hatte jüngst eine Rückkehr zur Atomkraft gefordert. "Wir würden sofort alle stillgelegten Kernkraftwerke wieder ans Netz nehmen", sagte er der Bild am Sonntag. Allerdings haben die Vorbereitungen für den Rückbau schon begonnen. Die Kraftwerke müssten zudem umfassenden Revisionen unterzogen werden, um wieder angefahren zu werden. Auch müssten das Atomgesetz geändert und neue Brennstäbe beschafft werden.

Unter einer Ampelkoalition mit Beteiligung der Grünen ist all dies kaum vorstellbar. Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) kritisierte den Vorstoß zum Rückbaustopp der Atomkraftwerke am Donnerstag: "Es ist die eigene Verantwortung und Entscheidung der FDP, ob sie einen so rückwärtsgewandten Antrag in den Deutschen Bundestag einbringen möchte."

Auch in der SPD wird es für die Position der FDP-Fraktion wohl keine Mehrheit geben. Nach der Bundestagswahl im Herbst 2025 dürfte es aber technisch sehr schwierig sein, wenn der Rückbau nicht vorher gestoppt wird. Allerdings würden damit wiederum hohe Kosten für die Betreiber einhergehen. Unklar ist auch, ob diese ein wirtschaftliches Interesse daran hätten, die Kraftwerke wieder in Betrieb zu nehmen.

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