Mehrheit befürwortet Klimaproteste - Zweifel an Wirksamkeit
Eine Mehrheit der Deutschen findet einer Umfrage zufolge Demonstrationen für den Klimaschutz gut, allerdings zweifeln viele an der Wirksamkeit solcher Proteste. In dem am Freitag veröffentlichten neuen ZDF-Politbarometer unterstützten 65 Prozent die Klimademonstrationen, 29 Prozent finden sie hingegen nicht gut. Allerdings glauben nur 16 Prozent, dass damit sehr viel oder viel für den Klimaschutz erreicht werden kann. 59 Prozent finden, dass sie "nicht so viel" und 23 Prozent, dass sie überhaupt nichts bringen.
Mit Demonstrationen an fast 250 Orten in Deutschland will die Klimaschutzbewegung Fridays for Future an diesem Freitag von der Politik mehr Ehrgeiz im Kampf gegen die Erderwärmung einfordern. Rund um den Globus sind Hunderte weitere Kundgebungen und sogenannte Klimastreiks an Schulen geplant - mit der Forderung eines zügigen Ausstiegs aus Kohle, Öl und Gas.
Für das Politbarometer befragte die Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen vom 12. bis 14. September 1201 Wahlberechtigte in Deutschland. Die Befragung ist repräsentativ für die wahlberechtigte Bevölkerung in Deutschland.
Watson hier 15.09.2023
Beim 13. Globalen Klimastreik ruft Luisa Neubauer von Fridays for Future dazu auf, den Rechten nicht das Feld zu überlassen und weiterzukämpfen.
"Habe Angst vor dem, was kommt":
Luisa Neubauer ruft zum Weiterkämpfen auf
Es ist wieder so weit: An diesem Freitag findet der 13. Globale Klimastreik von Fridays for Future statt. Auf der ganzen Welt protestieren Menschen gegen den Stillstand in der Klimapolitik. Luisa Neubauer spricht beim Protestmarsch in Berlin. Watson hat ihre Rede vorab erhalten.
Es ist Freitag – und es ist der 13. Globale Klimastreik. Über 240 Demonstrationen hat Fridays for Future allein in Deutschland angemeldet, Tausende werden auf der Straße erwartet.
Ihr Ziel: Druck aufzubauen, um den Klima-Stillstand aufzulösen – und das Schlimmste noch zu verhindern.
Luisa Neubauer, das Gesicht der deutschen Fridays-for-Future-Bewegung, spricht in Berlin: Darüber, warum es Fridays for Future auch fünf Jahre nach seiner Gründung noch braucht. Und über das, was möglich ist. Sie betont: "Wer sich anschließt, wer mitmacht, wer Teil einer ökologischen Zivilgesellschaft wird, ist immer auch auf der besseren Party."
"Wir sind hier, und wir sind laut, wir sind so laut!
Uns gibt es seit fünf Jahren. Klimastreik für Klimastreik kommen wir zusammen, wir haben nicht aufgegeben als es hart war, in keinem Augenblick. Wir sind als Jugendbewegung gestartet und zu einer Gesellschaftsbewegung geworden. Seit fünf Jahren zeigen wir, wie es aussieht, wenn Generationen zusammenkommen, wenn Menschen gemeinsam losziehen, um die Verhältnisse zum Besseren zu verändern.
"Und gleichzeitig merken wir: Es braucht uns weiterhin, und das ist ein solcher Skandal."
Seit fünf Jahren machen wir möglich, was einst unmöglich schien – einen Kohleausstieg, ein Klimagesetzt, einen Boom an erneuerbaren Energien. All das haben wir mit so vielen in diesem Land möglich gemacht. Seit fünf Jahren merken wir: Unser Aktivismus wirkt, er geht auf. Es ist so groß.
Und gleichzeitig merken wir: Es braucht uns weiterhin, und das ist ein solcher Skandal. Es ist ein solcher Skandal, wie Klimaziele verspielt werden. Und nein: Es geht nicht um unsere Klimaziele, es geht um Ihre Klimaziele, Herr Scholz. Es sind Ihre Hausaufgaben! Jeden Tag aufs Neue möchte man rufen: Machen Sie die Augen auf, die Welt da draußen ist doch jeder Grund zu handeln, die Lebensgrundlagen fliegen uns doch längst um die Ohren.
Ich stand in Slowenien in den Fluten, wo die Kinder fassungslos auf ihr zerstörtes Kinderzimmer guckten. Ich habe sie weinen sehen, in viel zu großen Gummistiefeln. Ich stand im Ahrtal, wo Menschen in einer einzigen Nacht alles verloren haben, wofür sie jahrzehntelang gearbeitet haben. Ihr Haus, ihr Auto, ihre Sicherheit.
"Wir erleben live, wie die Welt zu einem Ort wird, vor dem wir gerade erst gewarnt haben. Es macht Angst. Ich habe auch Angst."
Wir haben sie alle gesehen, die Bilder aus Libyen, wo die Fluten tausende Familien auseinander gerissen haben, wo Menschen vor dem Nichts stehen.
Seit fünf Jahren werden wir laut für echten Klimaschutz. Und nun erleben wir live, wie unsere schlimmsten Befürchtungen wahr werden. Wir erleben live, wie die Welt zu einem Ort wird, vor dem wir gerade erst gewarnt haben. Es macht Angst. Ich habe auch Angst. Und es macht Angst zu sehen, wie ignorant die Politik darauf reagiert. Bei jeder Katastrophe wird aufs Neue "bestürzte Anteilnahmen" ausgesprochen, um dann politisch eben diese Krisen weiter zu befeuern.
"Die Angst vor der Klimakrise kann ich aushalten.
Was ich nicht aushalten kann,
wäre das Gefühl, dass wir aufgegeben haben,
obwohl es so viel zu gewinnen gibt."
Es ist leicht, in diesen Augenblicken die Hoffnung zu verlieren. Sechs von neun planetaren Grenzen sind überschritten. Ich habe Angst vor dem, was da noch auf uns zukommt, und vor allem auf die Menschen, die am aller wenigsten für die Krise können. Unsere Freunde in den Philippinen, in Uganda, auf Fidschi.
Doch die Sache ist die: Die Angst vor der Klimakrise kann ich aushalten. Was ich nicht aushalten kann, wäre das Gefühl, dass wir aufgegeben haben, obwohl es so viel zu gewinnen gibt. Dass wir uns haben kleinkriegen lassen, in diesem Augenblick, in dem es so verdammt hart ist. Ich könnte es nicht aushalten zu wissen, dass wir aus unseren Privilegien an so einem reichen Ort auf der Welt, nicht alles gemacht haben. Ich könnte es nicht aushalten, den größten Wunsch der Fossilen, der Gestrigen, der Rechten zu erfüllen, und ihnen das Feld zu überlassen.
Wir befinden uns in einem historischen Zeitfenster, in dem wir als Zivilgesellschaft eine Entscheidung fällen: Lassen wir zu, wie die Regierung Zeit verspielt, die wir nicht haben – oder widersprechen wir? Lassen wir zu, dass Großkonzerne sich mit grünen Versprechen durchmogeln wollen – oder decken wir das auf?
Lassen wir zu, dass immer weiter Gelder für fossile Subventionen ausgegeben werden, statt für Klimaschutz, Bildung und Gesundheit? Lassen wir zu, dass man mit Klimapolemik die Gesellschaft spaltet – oder stellen wir uns dem in aller demokratischen Überzeugung entgegen? Lassen wir zu, dass man ein Klimaschutzgesetz genau dann abschwächt, wenn es anfängt zu wirken – oder bauen wir Allianzen dagegen auf?
Wir haben so viel erreicht. Wer wären wir, jetzt einzupacken und aufzugeben?
Wir müssen uns nicht darüber einig werden, welche Protestform wir am besten nutzen. Wir müssen uns nur darauf einigen, dass es Protest braucht und dass alle gefragt sind, etwas zu tun.
Business as usual ist keine Option! Und bei alldem geht es längst nicht mehr nur um ein "Ökoprojekt". Echter gerechter Klimaschutz ist ein Demokratieprojekt. Er schützt Menschen, er schafft Sicherheit und Perspektiven, er schafft eine nachhaltige Wirtschaft und Zukunftsjobs.
Gerade in Zeiten, in denen rechte Kräfte erstarken, stehen wir hier zusammen, überparteilich und demokratisch. Den Rechten begegnet man nicht, indem man das Klima leugnet und anti-demokratische Eingeständisse macht, sondern indem man Lebensgrundlagen und Demokratiefundamente gleichermaßen verteidigt!
Hoffnung ist eine Praxis. Es liegt an uns, sie in die Welt zu tragen.
Wir haben so viel erreicht – und wir haben noch viel mehr zu tun. Und bei unserer großen Intervention, die wir heute auf die Straße bringen, die wir in Büros und Klassenräume und Rathäuser tragen, wissen wir eines: Es reicht nicht, die Fakten auf seiner Seite zu haben. Es reicht auch nicht, die guten Argumente zu haben.
Was es braucht, ist Macht. Also tun wir uns zusammen! Und was es braucht, ist die Gewissheit, dass eine klimagerechte Welt nicht nur sicher, sondern auch schön ist, dass sie anzieht, dass auch dort die Musik spielt.
Wir stehen hier und wissen: Wir wehren uns mit allem was wir haben gegen den rechten Backlash, gegen die anti-ökoloigsche Propaganda, gegen die ungerechten Klimaschritte.
Und eines bekommen sie ganz sicher nicht: Sie bekommen nicht unsere Zuversicht, sie bekommen nicht unsere Liebe für die Welt. Wir stehen hier und verteidigen ein Lebensgefühl, wir verteidigen die Gewissheit, dass wir auch dann tanzen, wenn es hart auf hart kommt.
Oder so: Wer sich anschließt, wer mitmacht,
wer Teil einer ökologischen Zivilgesellschaft wird,
ist immer auch auf der besseren Party."
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