Donnerstag, 28. September 2023

Warum eine neue Gasheizung zur Kostenfalle werden könnte

 Handelsblatt  hier  Artikel von Rutschmann, Ines  28.9.23

Viele deutsche Hausbesitzer lassen sich trotz Wärmewende weiter Gasheizungen einbauen. Deren Nutzung könnte auf Dauer aber teurer werden als geplant.

Es ähnelt einem Schlussverkauf. Die deutschen Hausbesitzer decken sich trotz Wärmewende mit Gasheizungen ein. Rund 600.000 wurden nach Daten des Bundesverbands der Deutschen Heizungsindustrie im vergangenen Jahr neu eingebaut. Im ersten Quartal 2023 waren es 168.000 Anlagen, was einem Plus von 14 Prozent und einem Marktanteil von deutlich über 50 Prozent entspricht.

Diese Euphorie könnte sich später finanziell rächen. Wer mit Erdgas heizt, muss sich nämlich bewusst sein, dass das Ende seiner Nutzung naht.

Schließlich will Deutschland ab dem Jahr 2045 klimaneutral wirtschaften. Die letzten mit Erdgas befeuerten Heizungen müssen dann außer Betrieb genommen werden oder vollständig auf klimafreundliches Gas umschwenken. Bis dahin müssen deren Nutzer mit steigenden Preisen rechnen.

Erhöhungen stehen zum Beispiel beim CO2-Preis an. Den erhebt Deutschland seit 2021 auf fossile Brennstoffe zum Heizen. Aktuell beträgt er 30 Euro pro Tonne Kohlendioxid, was für Erdgas einen Nettoaufschlag von rund 0,54 Cent pro Kilowattstunde bedeutet. Bis 2026 wird der Preis auf bis zu 65 Euro steigen, was für eine Familie in einem Haus mit 150 Quadratmeter Wohnfläche und durchschnittlichem Gasverbrauch pro Jahr zusätzliche Kosten in Höhe von 153 Euro bedeuten könnte.

Im Jahr 2027 startet ein EU-weiter Handel für Emissionszertifikate in den Sektoren Gebäude und Verkehr. Dann sollen sich die Preise für Treibhausgasemissionen am Markt bilden. Für jede Tonne CO2, die irgendwo entsteht, muss ein Zertifikat gekauft werden.

Die Zahl der Zertifikate wird jedes Jahr um rund fünf Prozent verringert – damit die Preise allmählich steigen. So ergeben sich aus dem Emissionshandel zwei Reaktionen: „Entweder weniger zu verbrauchen, was beim Heizen nur eingeschränkt möglich ist, oder auf eine andere Technologie umzusteigen“, sagt Sibylle Braungardt, Expertin für Klimaschutz im Gebäudesektor am Öko-Institut.

Sinkt der Gasverbrauch, steigen die Netzentgelte

Verringern sich die Emissionen in Europa nur wenig, steigen die Preise zwangsläufig schneller. Dem soll bis einschließlich 2029 ein „Preisstabilitätsmechanismus“ entgegenwirken: Bei Bedarf können zusätzliche Zertifikate in den Markt gebracht werden. Das Umweltbundesamt und das Öko-Institut empfehlen einen Anstieg um 15 Euro pro Jahr.

Einen drastischen Anstieg hält Sibylle Braungardt nicht für zielführend: „Es braucht auch ordnungspolitische Instrumente und Förderung für den Umstieg, um soziale Verwerfungen zu vermeiden.“

Ähnlich äußert sich das Mercator Research Institut: Ohne Förderprogramme, Verbote oder Standards seien im Jahr 2030 Preise von 200 bis 300 Euro pro Tonne CO2 denkbar, heißt es in einer Studie. Die Emissionskosten für Erdgas lägen netto dann schon in wenigen Jahren bei rund vier bis fünf Cent pro Kilowattstunde.

Bund, Länder und Kommunen fördern den Umstieg auf eine klimafreundliche Wärmeversorgung mit Wärmepumpen, solarthermischen Anlagen, Biomassekesseln sowie grüne und ergrünende Fernwärme kräftig. Im Zuge der Wärmewende wird der Gasverbrauch sinken.

Zwar steigen die Preise für Emissionszertifikate damit vermutlich langsamer als ohne die Förderinstrumente, aber die Kosten erhöhen sich zusätzlich an anderer Stelle: bei den Netzentgelten. Verschwindet nach und nach das Erdgas aus dem Versorgungssystem, wird es nicht in gleicher Menge durch Biogas und Wasserstoff ersetzt. Das ist einhellige Meinung in Politik, Energiewirtschaft und Wissenschaft.

Wird dem öffentlichen Netz weniger Gas entnommen, legen die Netzbetreiber ihre Kosten auf die geringere Energiemenge um. 1,62 Cent pro Kilowattstunde (netto) betrug das Netzentgelt 2022 in Deutschland im Schnitt, besagt der aktuelle Monitoringbericht von Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt.

Ab Mitte der 2030er Jahre erhöhen sich die Entgelte stärker, heißt es in einer Studie der Denkfabrik Agora Energiewende. Im Schnitt sollen sie sich verdrei- oder vervierfachen – auf fünf bis sechs Cent pro Kilowattstunde. In Regionen mit nur wenigen Kunden am Gasnetz könnten sich die Entgelte sogar um das 16-Fache erhöhen.

Diese Einschätzung teilt der Lobbyverband Zukunft Gas nicht. „Auch höhere Netzentgelte, die sich möglicherweise ergeben können, werden sich in der Gasrechnung nur begrenzt widerspiegeln“, sagt dessen Pressesprecher Charlie Grüneberg. (Woher der wohl seine Info bezieht? Und wie glaubwürdig ist das?)

Nachgeordnete Rolle für Wasserstoff bei Wohnhaus-Beheizung

Einig sind sich Agora Energiewende und Zukunft Gas, dass Änderungen im Energierecht notwendig sind, damit durch heutige Erdgasnetze künftig klimafreundlicher Wasserstoff strömen kann. Bislang darf das nur geschehen, wenn der letzte Erdgaskunde den Abschnitt verlassen hat.

Es ist aber in der Regel günstiger, die vorhandene Infrastruktur umzuwidmen, als neu zu bauen. Zukunft Gas rechnet damit, dass der rechtliche Rahmen im Laufe dieses Jahres entsprechend abgesteckt wird.

Darf dann ein Erdgasnetz für den Transport von großen Mengen Wasserstoff ertüchtigt werden, setzt das voraus, dass die Heizkessel der Netznutzer das Gasgemisch bis hin zu reinem Wasserstoff verbrennen können. Ab 2026 sollen Geräte auf den Markt kommen, die sich zu einem späteren Zeitpunkt auf 100 Prozent Wasserstoffnutzung umrüsten lassen, heißt es vom Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie.

Umgestellt werden darf nach heutiger Rechtslage aber erst, wenn alle Nutzer in einem Netzabschnitt ihre Heizanlage technisch auf den neuen Brennstoff vorbereitet haben. Es hängt damit nicht allein am Netzbetreiber, wann Wasserstoff ins Haus strömen kann, sondern auch am Umfeld.

Für Wohnhäuser wird Wasserstoff zudem wohl erst nach 2030 verfügbar sein. In ihrer aktualisierten Nationalen Wasserstoffstrategie spricht sich die Bundesregierung vorrangig für den Einsatz in Industrie, Verkehr und der Stromerzeugung aus. Im Gebäudesektor werde der Brennstoff eine eher „nachgeordnete Rolle“ spielen, heißt es.


Dieser Text ist am 01.09.2023 zuerst im Handelsblatt-Newsletter Inside Energie & Immobilien erschienen.

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