Schwäbische Zeitung hier 21.09.2022, Stefanie Rebhan Redakteurin / Lea Dillmann Volontärin
Der Jugendgemeinderat von Weingarten hat Oberbürgermeister Clemens Moll einen „Offenen Brief“ geschickt, indem er ihn dazu auffordert, sein Wahlversprechen zum Thema Klima einzulösen. Die Schonfrist sei nun vorbei. Der Vorwurf der Jugend: Alle reden über Klimaschutz, doch es folgten keine Taten. Moll antwortet auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“: „Ich stehe zu meinem Wort.“ Kommende Woche möchte er das Aktionsprogramm „Umwelt, Klima, Energie“ vorstellen.
Moll will Aktionsprogramm vorstellen
Sieben Forderungen stellt der Jugendgemeinderat mit seinem Vorsitzenden Tim Leidig im „Offenen Brief“ auf. Leidig sagt: „Wir haben im Schussental ein Klimakonzept. Laut diesem sollte in Weingarten schon viel mehr passiert sein. Jetzt sitzen wir hier und denken: Nicht mal knapp vorbei. Der Wille ist einfach nicht da.“
OB Moll gibt im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“ zu bedenken, dass der Klimawandel nicht von heute auf morgen gestoppt werden kann. Man müsse zunächst an die Ursachen heran. Hierfür brauche es nicht nur einen langen Atem, sondern auch den Verbund mit anderen Partnern und Kommunen. Außerdem wichtig seien Impulse und Finanzierungsprogramme seitens der Landes- und Bundesregierung.
„Das, was wir allerdings als Stadt Weingarten ändern können, werden wir zielstrebig angehen“, verspricht Clemens Moll. Beginnen möchte er ganz konkret mit seinem Aktionsprogramm, in dem sich Maßnahmen bündeln würden, die mittel- und langfristige Veränderungsprozesse anschieben sollen. Er wird das Programm in der Gemeinderatssitzung am 26. September vorstellen.
Forderung: autofreie Innenstadt an Sonntagen
Ein Punkt auf der Liste des Jugendgemeinderates ist die Forderung nach einer autofreien Innenstadt jeden Sonntag. „Am liebsten hätten wir generell eine autofreie Innenstadt, aber uns ist natürlich klar, dass das nie passieren wird“, so der 17-jährige Vorsitzende.
Der OB weist die Idee nicht so weit von sich. Man müsse mutig experimentieren, daher könne er sich durchaus mittel- und langfristig solche Autofrei-Aktionen vorstellen – je nachdem, wie der Bereich „Innenstadt“ definiert werde. Allerdings dürfe man eines nicht vergessen: „In Zukunft werden zunehmend emissionsfreie Fahrzeuge unterwegs sein. Daher ist dieser Verkehr zumindest im Hinblick auf den Schadstoffausstoß anders zu beurteilen“, so Moll.
Mehr Grünflächen im Stadtgebiet wünscht sich der Jugendgemeinderat außerdem. Grünflächen dürften trotz der vorherrschenden Wohnungsnot nicht weiter vernichtet werden. Hierin sieht der OB einen klassischen Zielkonflikt.
Er glaubt dennoch, dass beide Faktoren in künftigen Konzepten der Stadtplanung möglich sind: „Hier lohnt sich ein Blick auf das Projekt der Martinshöfe. Hier konnte beides miteinander vereinbart werden.“ Auch im Stadtentwicklungskonzept ISEK werde sowohl auf die Entwicklung neuen Wohnraums als auch die Beibehaltung oder sogar Ausdehnung städtischer Grünachsen geachtet.
Forderung: bezahlbares ÖPNV-Ticket
In Sachen Energie richtet Tim Leidig sein Augenmerk auch auf Solarpanels, die laut Moll an allen öffentlichen Gebäuden angebracht werden sollten. Und tatsächlich kann der OB hier schon einen Teilerfolg verbuchen. Die entsprechenden Pläne seien ebenfalls Bestandteil des Aktionsprogramms. Den Partner für das Vorhaben gibt es auch schon: die Bürgerenergiegenossenschaft Weingarten
Mit einem vergünstigten, für jeden bezahlbaren lokalen Ticket, ähnlich dem 9-Euro-Ticket, sollte man im ganzen mittleren Schussental mit dem ÖPNV fahren können – das schwebt dem Jugendgemeinderat ebenfalls vor. Hier verweist OB Moll auf den Bund und die Länder. Er sagt: „Es liegt an ihnen, das Angebot großflächig zu verstetigen, um einen Flickenteppich unterschiedlicher regionaler Angebote zu vermeiden.“
Leidig sieht einen Überzeugungskampf voraus
Sehr zurückhaltend verhält sich Weingartens Stadtoberhaupt, wenn es um den Kiesabbau im Altdorfer Wald geht, aber gerade der Wald scheint Tim Leidig von großer Bedeutung: „Er ist für das ganze Schussental historisch wichtig. Ich würde es schade finden, wenn da etwas herausgerissen wird, um Kies abzubauen. Die Gemeinden müssen da mehr Kante zeigen“. Der Jugendgemeinderat verlangt, dass sich Weingarten öffentlich gegen den Kiesabbau ausspricht. Doch der OB bleibt neutral: „Die Zukunft muss in den zuständigen Gremien geklärt werden.“
Tim Leidig sieht, wenn es um die geforderten Punkte geht, einen Überzeugungskampf auf sich zukommen. „Historisch betrachtet, ist der Gemeinderat gegen und nicht für uns“, sagt er. Zwei Fraktionen hätten aber immerhin signalisiert, den Jugendgemeinderat bei der Durchsetzung seiner Forderungen aus dem „Offenen Brief“ zu unterstützen.
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