Donnerstag, 15. September 2022

EU-Parlament hält an Holz als Quelle erneuerbarer Energie fest

Nur bescheiden guten Klima-Nachrichten dagegen aus der EU - schade, das hätte anders laufen müssen!
Einerseits beschwört man die ganze Zeit über diese "Führungsrolle" die man einnehmen möchte, andererseits werden die Ziele dann wieder ständig schmerzhaft untergraben.
Wo liegt die Ernsthaftigkeit bei der Zielerreichung? Der Klimawandel lässt sich nicht austricksen durch geschönte Pseudo-Argumentation.

Watson hier  14.09.2022

Die aktuelle Woche ist entscheidend für unsere Wälder. Das Europäische Parlament hat über die Richtlinie für Erneuerbare Energien (RED III) abgestimmt. Dabei geht es Umweltschützern besonders um die Einstufung von Holz: Bisher wurde es als förderungswürdige erneuerbare Energie eingestuft und führt deshalb an vielen Orten zur Abholzung von Wäldern in großem Stil.

Besonders durch den Krieg in der Ukraine und die damit verbundene Energiekrise droht sich auch in Europa der Raubbau an Wäldern zu verstärken. Um die Waldzerstörung zu stoppen und so auch die Vernichtung wichtigen Lebensraumes aufzuhalten, hatten Umweltschützer auf das Kippen oder zumindest eine deutliche Verschärfung der Einstufung von Holz als "nachhaltige" Biomasse gehofft.

Das Ergebnis reicht Umweltschützern nicht

Die Abgeordneten stimmten nun dafür, dass Biomasse etwa aus Holz weiterhin als erneuerbare Energiequelle gilt, allerdings wurde die Menge gedeckelt und staatliche Förderungen dafür sollen auslaufen. Umweltorganisationen und Wissenschaftler kritisieren, dass für das Verbrennen von Holz Wälder gerodet werden und viel klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) entsteht, das sonst von den Bäumen gebunden würde.

Flexible Kriterien und niedrige Ziele

Umstritten war auch, wann Wasserstoff als "grün" gilt. Wasserstoff gilt als klimafreundlich, wenn er aus Strom aus erneuerbaren Quellen wie Sonne oder Wind produziert wurde. Die Abgeordneten einigten sich auf flexiblere Kriterien für "grünen" Wasserstoff als es die Europäische Kommission tat. Es soll etwa auch Strom aus nicht erneuerbarer Stromerzeugung für die Produktion genutzt werden, wenn kein erneuerbarer verfügbar ist.

Separat stimmten die Parlamentarier über Energieeffizienz-Ziele ab. Der Energieverbrauch soll nach ihrem Willen bis Ende des Jahrzehnts um mindestens 14,5 Prozent gesenkt werden, statt wie bisher vorgesehen um 9 Prozent im Vergleich zu 2020. Auch hier wollen die Staaten bei dem niedrigeren Ziel bleiben.

Anteil erneuerbarer Energiequellen muss noch verhandelt werden

Das Europaparlament hat sich für ambitioniertere Ziele beim Ausbau von erneuerbaren Energien wie Wind-, Solar- oder Wasserkraft ausgesprochen. Die Mehrheit der Abgeordneten stimmte für eine Gesetzesvorlage, die vorsieht, dass bis 2030 insgesamt 45 Prozent der Energie in der EU aus erneuerbaren Quellen kommen sollen, statt wie bisher vorgesehen 40 Prozent.

Die EU-Staaten hatten sich allerdings darauf geeinigt, das Ziel von 40 Prozent beizubehalten. Das Parlament und die EU-Staaten müssen nun über das Gesetz verhandeln, bevor es in Kraft treten kann.


hier  Podcast zum Anhören im Deutschlandfunk   Von Andrea Rehmsmeier | 04.09.2022  

Klimaschutz mit Kettensäge
Europas Wälder im Sog der Energiewende

Die EU setzt auf Erneuerbare Energien. Dazu zählen auch Holzpellets und Hackschnitzel, denn das Verbrennen von Biomasse aus dem Wald wird als klimaneutral eingestuft und finanziell gefördert. Naturschützer sind alarmiert. Sie fürchten: Die Pläne der EU könnten den Wald weiter unter Druck setzen.

Gefällte Bäume und aufgeschichtete Stämme im Gebiet Turnicki der Ostkarpaten. Polnische Waldschutz-Aktivisten verlangen, den Holzeinschlag hier zu stoppen und ein Naturschutzgebiet einzurichten. Biotop oder Brennstoff-Quelle? Polnische Waldschutz-Aktivisten fordern ein Ende des Holzeinschlags in den noch urwüchsigen Gebieten der Karpaten. 

....Antoni Kostka arbeitet für die Stiftung „Naturerbe“, die sich für den Schutz der letzten naturnahen Waldgebiete in Polen einsetzt. Eigentlich stehen die Zeichen dafür gut: Die Biodiversitäts-Strategie der Europäischen Union sieht vor, zehn Prozent von Europas Fläche unter strengen Schutz zu stellen. Und in Polen – wie in anderen EU-Staaten auch – ist der Nachholbedarf groß.
Allein 430 Pilzarten auf einer toten Fichte. Doch wenn Kostka seine Streifzüge durch die polnischen Karpaten macht, befällt ihn ein beklemmendes Gefühl. „Sehen Sie, wie viele Markierungen; hier, hier…“ Überall entdeckt Kostka Markierungen an den Stämmen: Die Bäume sind zur Rodung freigegeben. „Und jetzt stellen Sie sich diesen Wald ohne diese Bäume vor!“....

„Die Forstbehörde kümmert es nicht, wohin das Holz verkauft wird, denn die Art der Nutzung fällt nicht in ihren Verantwortungsbereich. Und wenn sie von Politikern gefragt werden, dann sagen sie nur: Wir haben das Holz verkauft. Sie haben tatsächlich keine Ahnung, was mit dem Holz geschieht.“
.....EU-Klimaziele vergrößern den Hunger nach Holz
Für die großen Zukunftsfragen des Planeten spielen die Wälder eine immens wichtige Rolle. Als Speicher für Treibhausgase bremsen sie den Klimawandel, als Refugium für die bedrohte Flora und Fauna erhalten sie die Artenvielfalt.
Das erkennt auch die Europäische Union an: Waldnaturschutz steht derzeit weit oben auf der Brüsseler Agenda, ebenso wie Klimaschutz und der Erhalt der Biodiversität.
Doch den Bäumen geht es schlecht – überall auf der Welt, auch in Europa: Wo nicht Dürren und Feuersbrünste wüten, da gehen die Harvester und Kettensägen um. Und das Paradoxe ist: Ausgerechnet die ambitionierten Klimaziele der EU könnten den Holzhunger der Europäer schon bald gefährlich vergrößern.

„Europa will der erste klimaneutrale Kontinent der Welt werden. Auch wenn die Ziellinie noch dreißig Jahre entfernt ist – das Rennen beginnt jetzt. Dieses Jahrzehnt ist das entscheidende für Erfolg oder Misserfolg. Und deswegen hat sich Europa verpflichtet, unsere Emissionen um mindestens 45 Prozent zu reduzieren im Vergleich zu den 1990er-Werten.“
(Werbeclip der Europäischen Kommission)

Treibhausgase schleunigst reduzieren, und Europa gleichzeitig unabhängig machen von fossilen Energieimporten aus Russland, die den Ukraine-Krieg mitfinanzieren – das sind die Zielvorgaben der Europäischen Kommission für die EU-Mitgliedsstaaten, umzusetzen in einem straffen Zeitplan. Die Energiepolitik hat ein Zauberwort: Erneuerbare Energien. Denn die versprechen beide Probleme auf einmal zu lösen. In den vergangenen Monaten hat Brüssel den Anteil der Erneuerbaren Energien am EU-Energiemix immer weiter hochgeschraubt. Jetzt hat EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen die Messlatte noch einmal heraufgesetzt: Auf 45 Prozent.

Nicht nur die viel beworbene Wind- und Sonnenenergie zählt zu den Erneuerbaren Energien. Die heimlichen Durchstarter unter den Erneuerbaren stammen direkt aus dem Wald: Holzpellets, Hackschnitzel, Scheitholz. Denn sie zählen als Biomasse – und Biomasse ist, seit sie vor über 20 Jahren als „CO2-neutral“ eingestuft wurde, zur Multi-Milliarden-Industrie geworden. Subventioniert wird sie aus den verschiedensten Klimaschutz-Töpfen. Und auch vom Emissionshandel, der den Treibhausgasausstoß der fossilen Energieträger mit Kosten belegt, ist sie nicht betroffen.

...Heimelige Alternative zu schmutziger Kohle
„Wer mit Holz heizt, heizt im CO2-Kreislauf der Natur. Denn die Verbrennung von Holz setzt gleich viel Kohlendioxid frei, wie die Bäume beim Wachsen der Atmosphäre entzogen haben.“ Gerade in Privathaushalten finden Pellet-Hersteller mit Werbebotschaften wie dieser Gehör.
Allein in Deutschland, wo Gesetze und Fördermaßnahmen starke Anreize zur energetischen Holznutzung setzen, ist der Bedarf in den vergangenen 20 Jahren von nahezu Null auf über drei Millionen Tonnen jährlich gestiegen, so das Statistische Bundesamt. Gerade entdecken die Osteuropäer Pelletzentralheizungen und Kaminöfen als heimelige Alternative zur schmutzigen Kohle.
Und auch die Nachfrage in Asien und in den USA steigt.

Naturschützer sind alarmiert. Sie fürchten: Die Pläne der EU könnten den Hunger nach Biomasse aus dem Wald weiter verstärken und den Holzeinschlag kräftig nach oben treiben. Denn die nachhaltigen Anfangsjahre der Pelletbranche, als der Rohstoff-Bedarf weitgehend aus Sägewerk-Abfällen und Holz-Reststoffen gedeckt werden konnte, sind längst vorbei. Wenn Aktivistinnen sich heute vor den Toren der großen Hersteller auf die Lauer legen, dann fotografieren sie unzählige Eisenbahnwaggons mit frisch geschlagenen Baumstämmen aus aller Welt.

„An Präsident Biden, Präsidentin von der Leyen, Präsident Michel, Premierminister Suga und Präsident Moon. Wir fordern Sie dringend auf, die Klimaziele und die biologische Vielfalt der Welt nicht zu untergraben, indem Sie von der Verbrennung fossiler Brennstoffe auf die Verbrennung von Bäumen zur Energieerzeugung umsteigen.“

Mehr als 500 internationale Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen haben 2021 diesen offenen Brief unterschrieben, Pierre Ibisch, Professor für Naturschutz an der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Eberswalde, ist einer von ihnen. „Wie zahlreiche Studien gezeigt haben, wird diese Verbrennung von Holz die Erwärmung über Jahrzehnte bis Jahrhunderte verstärken. Das gilt auch dann, wenn das Holz Kohle, Öl oder Erdgas ersetzt.....

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